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Zwei im Wohnwagen

© Holger Bernhardt


Trotzdem, sagte der eine Penner zum anderen, kostet Dich das einen Lappen. Der zog missmutig einen Schein aus dem Inneren seiner Jacke und warf den Schein in den Hut auf dem Tisch. Ausgemacht ist ausgemacht, sagte der mit der blauen Jacke. Der andere nickte. Ist ja bald vorbei, hab' kaum noch Geld. Kohle, echote der andere. Kohle, sagte der andere, wie wenn er das letzte Wort radieren wollte. Der in der blauen Jacke sah sein Gegenüber an. Bart steht Dir. Macht Dich sexy. Echt. Der andere schüttelte den Kopf und wendete sich ab. Gib noch Mal Fusel. Er hielt schon die Hand über dem Tisch. Er bekam eine Flasche mit Wein, solchen, der in den Supermärkten in 2 Literflaschen angeboten wird, mit einem teuer klingenden Namen, aber einem Preis, der wenig mehr als das Glas der Falsche zu decken schien. Die blaue Jacke sah sein Gegenüber an.
Nimm nicht so viel, sonst musst Du wieder kotzen und wir müssen wieder wischen und so. Aber das störte den anderen gar nicht. Er soff, wie wenn er den schlechten Geschmack in Fluten von Alkohol ersticken wollte.
Trank er daheim nur Wein aus Südamerika, den Wein zu mindestens 20 Euro, so saß er jetzt in diesem halbkalten abgetakelten Wohnwagen und trank ein Gebräu, das er im Supermarkt keines Blickes gewürdigt hätte.
Andererseits ging er selten Lebensmittel einkaufen. Das machte seine Hausdame. Schlecht schmeckender Wein. Aber so war das Spiel. Als er absetzte, verzog er das Gesicht. Hab' ich Dir doch gesagt, sagte der andere und griff nach der Flasche um selber einen Schluck zu trinken.
Haben wir nichts mehr zu essen? Nee, alles weg. Aber in spätestens 3 Stunden ist es ja vorbei. Die blaue Jacke stützte jetzt die Arme auf den Tisch und legte den Kopf hinein. Geh raus, wenn Du kotzen musst. Muss ich nicht. Sieht aber so aus. Nein.
So wie er jetzt saß, konnte er in den Hut hineingucken. Er sah einen Haufen Euro-Scheine. Er machte die Augen zu. Das schöne Geld, aber nun ja. Er musste etwas geschlafen haben, weil der andere ihn wach rüttelte.
Ist gleich vorbei sagte er. Der andere brummte schlaftrunken. Und wirklich das Licht ging an, man konnte draußen Geräusche hören, es wurde an die Tür geklopft. Sie standen auf und gingen zur Tür.
Der eine nickte dem anderen zu und sie machten die Tür auf. Die blaue Jacke hatte sich noch schnell durch die Haare gestrichen, schließlich sollte das Bild im Fernsehen und in der Zeitung nicht allzu schlecht aussehen, aber nach nunmehr 3 Tagen waren die Haare einfach verklebt und er selbst verschmiert, stinkig. Okay, das stinkig würde man nicht riechen können, aber sicher würden die Leute denken, dass er immer so aussah. Aber es war ja ein guter Zweck.
So erzählte er, wie es ihnen die letzten Tage in dem Wohnwagen gegangen war. Die Kamera schwenkte in den Wohnwagen, der Kameramann ging hinein und filmte den Hut auf dem Tisch. War es sehr anstrengend? Beide schüttelten nach kurzem Nachdenken den Kopf. Wer von Ihnen beiden hat denn gewonnen? Also das bleibt unser Geheimnis, sagte die blaue Jacke.
Die Stimme fragte weiter: Herr Doktor, wenn sie Morgen wieder in ihrer Praxis sind, was denken Sie, werden ihre Patienten sagen? Ich weiß nicht, ich denke, sie werden sagen, ungewöhnlich, aber für den guten Zweck ist praktisch jedes Mittel recht. Ich denke, wir haben mit unserer Aktion und dem Medieninteresse, das wir bekommen haben, die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit auf die Probleme der Berber und der Obdachlosen richten können. Gerade an Tagen wie diesen, zu Weihnachten, halte ich es für wichtig, zu zeigen, dass es Menschen gibt, denen es schlecht geht und denen wir helfen müssen. Hier bei uns, bei uns vor der Tür.
Wie viel Geld ist zusammen gekommen? Der andere antwortete: Ich denke mal an die 300 Mark. Irgendwo in der Menschenmenge klatschte jemand. War die Art, wie Sie das Spiel gemacht haben sehr anstrengend? Beide lachten, nein, eher sehr teuer. Waren Sie sich immer einig? Aber sicher, immer wenn einer von uns beiden begonnen hat, von seinem normalen Leben zu sprechen oder daran zu denken hat das Geld gekostet. Würden Sie das wieder machen? Die blaue Jacke schüttelte den Kopf. Außer es gibt besseren Wein, sagte er lachend, dann könnten wir noch Mal drüber sprechen. Ein paar Menschen in der Menge, die die Antwort verstanden hatten, lachten.



Eingereicht am 09. April 2006.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

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