De Samichlaus im Heim
© Frank Weber
Es isch de sächsti Dezember - wieder emale Ziit für de Chlaus sich uf de Wäg z'mache. Uf de Wäg' zu de Chinde und natürli is Grosse St. Josefsheim in Bremgarte - es Heim für Chind mit emene Handicap. Immer wider froit sich de Chlaus uf de Bsuech im Heim. Die Junge und Alte sind da immer so ufgschlosse. Wänn sich die andere Chinde dehei ide Privatwonige sälte no froiet, i dem Heim isch er immer wider gern gseh. D'Chinde joled und tobet, wänn er chunnt. Immer wider froied sie sich über die Scherz und d'Kapriole,
wo sis Eseli, s'Tschumpeli vollführt. Es gumpet und springt, es treiet und verränkt sich. Juhuu, wie die Heimiiwohner sich froied. Je meh die Chind ide Rüüm lached, deschto meh gumpet s'Eseli im Zimmer ume. Das froit de Chlaus und er muess herzhaft in Bart inelache.
Vili Statione hät oise alti Maa vor sich und er muess sich beeile, demit er alli Abteilige schafft. Immerhin isch er au nüme de Jüngscht. Zum Glück hät er die letschte sächs Jahr nümm müesse a alles dänke: Sin Schmutzli, de Stups isch sini pädagogisch Assischtänz. Öppe chan sich de Bärtig eifach nüme alles phalte, was die Chinde so triibet. Dadefür hät er sin Schmutzli. Was wär er nur ohni ihn. Und genau hüt, a dem sächste Dezämber muess er chrank im Bett ligge - Blinddarm, e schmerzlichi Agläggeheit. Doch oise
liebi Maa mit wiissäm Bart schafft das scho. Bis vor sächs Jahr hätt er das ja au immer ohni Stups gmeischteret. Wieso also hütt nüme? Klar, er isch nümm de Jüngscht (um ehrlich z'sii, es hät ihm au echli Sorge bereitet). Doch jetzt schtaht er im erschte Zimmer, wo er im Heim uf Psuech dörf sii und d'Chinde froied sich. Sie juchzet und lached, sie tobet mit em Tschumpeli. Jetzt, wo de Chlaus anesitzt und i siis goldige Buech inelueget, beruhiget sich alli es bitzeli. Jedes Chind isch doch gschpannt, was de Weisi
Maa z'Brichte hät.
"Guet isch mir mis goldigi Buech no blibbe" Seit sich de Chlaus, "da hani gnueg Informatione - und vorallem hät das schöne, grosse Buech e kein Blinddarm" de Samichlaus lacht sich wider i sin schöne Bart. Da d'Chinde nöd wüssed, dass er ab sim eigene Scherz lached, froied sie sich mit em Kaputzebischof.
"de Markus isch echli en fuule" fangt er a z'brichte. S'Publikum johled.
"Ich chan's no" dänkt er bi sich und isch scho wider am schtraahle.
"und d'Rosanna, jä, si isch mängisch echli es Schlitzohr" mahnend winkt er mit em Zeigfinger. Ali Chinde gröhled, nur d'Rosanna verschteckt sich hinter de Heimleiteri. Jetzt chunnt er so richtig in fahrt. Über jedes Chind weiss er es Anektöteli. Überall hät er en nettgmeinte Schpruch uf Lager "Oh, wie gern ich zu dene Chinde gange", dänkt sich oise Fründ. Er merkt, es isch langsam ade Ziit, die andere Chind no go psueche. Wänn's am schönschte ich, dänn sött mer gah. Das weiss de Chlaus und
macht sich langsam und würdevoll uf de Wäg.
Dusse, uf em Gang luegt er nach links und nach rächts. Er dörf natürli nöd schtah bliibä, d'Chinde beobachtet ihn. Zielbewusst macht er sich nach rächts, gfolgt vom Ersatzschmutzli und em Tschumpeli, em Esel. Erscht wo er us em Blickfäld vo de Chind isch, haltet er inne und überleit sich, wo ächt jetzt s'nöchschte Zimmer isch. Er isch no immer voller Adrenalin, wo er bereits wider vor em nächschte Zimmer schtaht. Die Chind händs vorher gschafft, dass er sich wider jung fühlt. Brucht er ächt de Stups würkli? Wider
lächlet er, während er liecht mit em Chopf schüttlet. Er lüütet's Glöggli und chlopft schwer ad Tüürä. S'Lämpli hät er scho griffbereit - immerhin chunt oise Chlaus us em tüüfe Tannewald, da brucht mer scho e sones Latärnli. Er hät nanig richtig gchlopfed, da schwellt s'Juchze im Zimmer a. D'Tüüre wird ufgschtosse und d'Chind chömed ihm froideschtrahlend entgäge. Ja, de Psuech vorher isch wie en Jungbrunne gsi, dänn i dem Zimmer chömed ihm d'Gsichter scho bekannter vor, als vorher, bim erschte Psuech. Au jetzt
lached und tanzed d'Chinde mit em Eseli. Die einzig, wo echli verwirrt schiint, isch d'Gruppeleiteri. Glaubt sie ächt nüme so richtig a de Bischof? Ach, ja, sie isch ja vo de normale Wält, die sind alli echli skeptischer, drum psuecht er ja au so gern das grosse St. Josephseim.
Schiinbar händs i dem Zimmer scho echli Wiehnachtsschtimmig ufläbe la, dänn uf em Bode sind es paar Nüssli und Manderinli verteilt. Nachdem de Chlaus wider us sim goldige Buech zitiert hät, überleit er sich, er leeri sin Sack doch am beschte grad zu de andere Nüssli und Manderinli. D'Chind händ dänn de Plausch, wo's die ville Läckereie gsehnd.
Wider macht sich de Bärtig uf de Wäg. Us puurer Gwohnheit hät er sich grad wider mit sim Schmutzli und em Eseli nach rächts gwändet, um sich um de Egge grad noi z'orientiere.
Im dritte Zimmer wird er nöd eso herzlich empfange: D'Chind johled zwar no lüüter, als ide beide Zimmer bevor, d'Leiteri hät aber eher än reschpäcktlose Uusdruck a sich.
"Samichlaus, warum chunnsch Du …" fangt si a. Isch es hützutag nüme gern gseh, wänn de Chlaus verbiichunt? Ade Schtimmig vo de Chind fühlt er sich jedoch beschtätigt und fahrt drumm de Gruppeleiteri mit de Wort "hoi zäme, Chinde, froied Ihr Oi, dass ich Oi chum go psueche?" über's Muul "Jaaaaa." Ali joled und lachet. Santaclaus the superstar, dänkt er sich - und natürli wird wider in Bart ineglachet (was würd ächt de Sami ohni sin Bart mache?). Volli Show zieht er ab. Volls Programm.
Die Leiteri laht er eifach links ligge. Er hät scho gmerkt, dass er nöd unbedingt willkome isch, immerhin händs au i dem Ruum scho e Bescheerig ohni Samichlaus gha. Provokativ leert de Chlaus sini Gabe (wo eh vill schöner und besser sind, als das wo's scho im Zimmer gha händ) zu de andere Läckereie. So gaht er vo Ruum zu Ruum und beschänkt ali Chind im Heim. Je meh Zimmer er psuecht, deschto meh schtellt er fescht, dass d'Heimleiterinne negativ igschtellt sind, defür d'Heimchind umso usglassener.
"Niemeh gang ich die normale Chind go psueche. Das isch dänn es unfründlichs Volk" dänkt er sich. Natürli wird er das nie amene Chind verzelle. Übrigens: diesmal lacht er nöd in Bart.
Ändlich isch er mit sinere Mission fertig und er chan sich wider uf de Heiwäg mache. Alli Chind im St. Josephsheim sind glücklich. De Schmutzli wird stolz uf sin Meischter si.
Fridlich pfiifend macht er sich uf de Wäg in Wald. Erschöpft aber glücklich. Links vo ihm lauffts Tschumpeli, rächts isch de Schmutzli. Ide Hand hebt er, wie immer sis Laternli.
"Wieso isch hüt de Samichlaus nöd verbiicho? Es isch doch de sächsti Dezämber" Fröget e Leiteri im Lehrerzimmer e Kollegin.
"Ich weiss au nöd", seit disi
"bi mir isch er au nöd gsi! Öb ihm ächt öppis zuegschtosse isch?" D'Tüüre knallt zue und d'Harda, e anderi Leiteri schtampft wuetentbrannt ine.
"Öb ihm öppis zuegschtosse isch?" schreit si ihn Ruum "duretreit isch er! Ich han's ihm versuecht z'erkläre aber er hät nöd uf mich glosed: sächs mal isch er i mis Zimmer inetrampet und hät immer die gliiche Chind psuechet. Keis Wunder, hät er e kei Ziit me gha, bi Oi verbiiz'cho!"
Es ist der sechste Dezember - wieder einmal Zeit für den Nikolaus, sich auf den Weg zu machen. Auf den Weg zu den Kindern und natürlich in die St.-Josefsheim-Stiftung. Das St. Josefsheim ist eine Institution für Kinder mit einem geistigen Handicap.
Immer wieder freut sich de Klaus auf diesen Besuch. Die Heimbewohner sind immer sehr aufgeschlossen. Während sich die anderen Kinder zu Hause in den Privatwohnungen nur noch selten freuen, in den Heimen ist er ein, immer gern gesehener Gast. Die Kinder johlen und toben, sobald sie sein helles Glöckchen zu hören bekommen. Immer wieder freuen sie sich über die Scherze und die Kapriolen, welche sein Eselchen Humperdick vollführt. Es springt und trampelt, es dreht und verrenkt sich. Juhuu, wie die Heiminsassen sich
freuen. Je mehr die Kinder in den Räumen lachen, desto mehr vollführt Humperdick seine Tricks. Das freut den Nikolaus. Er schmunzelt herzhaft in seinen großen, weißen Bart.
Viele Stationen hat unser alter Freund vor sich und er muss sich beeilen, damit er mit allen Abteilungen durchkommt. Immerhin ist auch er nicht mehr der Jüngste. Zum Glück hat er die letzten sechs Jahre nicht mehr an alles zu Denken brauchen: Sein Knecht Ruprecht ist seine pädagogische Assistenz. Ab und zu kann sich der Bärtige einfach nicht mehr alles behalten, was die Kinder für Schindluder treiben. Dafür ist er sehr froh über seinen Gesellen. Was wäre er bloß ohne ihn? Und genau heute, an diesem sechsten Dezember
muss Ruprecht krank im Bett liegen - Blinddarmentzündung, eine schmerzliche Angelegenheit! Doch unser gutherziger Mann mit weißem Bart wird das schon hinkriegen. Bis vor sechs Jahren hat er diese Aufgabe auch immer ohne Gehilfe gemeistert. Wieso sollte es also heute nicht mehr möglich sein? Klar ist er nicht mehr der Jüngste (um ehrlich zu sein, dieser Gedanke hat ihm auch etwas Sorgen bereitet). Doch nun steht er im ersten Zimmer des Heimes, auf welchem er zu Besuch sein darf und die Kinder freuen sich riesig.
Sie jauchzen und lachen, sie toben mit Humperdick. Jetzt, da sich der Nikolaus hinsetzt und in sein goldenes Buch blickt, beruhigen sich alle ein wenig. Jedes Kind ist doch gespannt, was de weise Mann zu Berichten hat.
"Gut, ist mir mein goldenes Buch geblieben" sagt sich Nikolaus, "da habe ich genügend Informationen - und vor allem hat das schöne, große Buch keinen Blinddarm".
Der Herr im roten Umhang lacht sich wieder in seinen schönen Bart. Da die Kinder nicht wissen, dass er sich ab seinem eigenen Scherz amüsiert, freuen sie sich mit dem Kapuzenbischof.
"Markus ist etwas faul", fängt er zu berichten an. Sein Publikum johlt.
"Ich kann es noch" denkt er sich und schon wieder strahlt er.
"Und die Rosanna, nun, sie ist manchmal ein kleines Schlitzohr" mahnend winkt er mit dem Zeigefinger. Alle Kinder grölen, nur Rosanna versteckt sich hinter der Heimleiterin. Jetzt kommt er so richtig in Fahrt. Über jedes Kind weiss er eine Anekdote. Überall hat er einen nett gemeinten Spruch auf Lager.
"Oh, wie gern ich zu diesen Kindern gehe", denkt unser Freund. Er merkt, es ist langsam an der Zeit, die anderen Heiminsassen zu besuchen. Wenn es am schönsten ist, sollte man gehen. Das weiss Nikolaus natürlich und macht sich langsam und würdevoll auf den Weg.
Draußen, auf dem Gang blickt er nach links und nach rechts. Er darf nicht stehen bleiben, die Kinder beobachten ihn. Zielbewusst macht er sich nach rechts auf, gefolgt vom Ersatzgesellen und Humperdick, dem Esel. Erst als er aus dem Blickfeld der Kinder ist, hält er inne und überlegt sich, wo wohl das nächste Zimmer zu finden ist. Noch immer voller Adrenalin erreicht das unnatürliche Trio den nächsten Raum. Die Kinder haben es tatsächlich geschafft, dass sich unser Nikolaus wieder jung fühlt. Braucht er den Knecht
Ruprecht wirklich? Wieder lächelt er, während er leicht mit dem Kopf schüttelt. Er klingelt mit seinem Glöckchen und klopft schwer an die Tür. Sein Lämpchen hat er griffbereit - immerhin kommt unser Nikolaus aus dem tiefen Tannenwald. Da eine solche Laterne schon von Nöten. Noch hat er nicht richtig geklopft, da hebt sich das Jauchzen im Zimmer an. Die Türe wird aufgestoßen und die Kinder kommen ihm freudestrahlend entgegen. Ja, der Besuch von vorhin war wie ein Jungbrunnen, denn in diesem Zimmer kommen ihm die
Gesichter schon bekannter vor, als noch zuvor, beim ersten Besuch. Auch hier lachen und tanzen die Kinder mit dem Esel. Die Einzige, welche etwas verwirrt zu sein scheint, ist die Gruppenleiterin. Glaubt sie wohl nicht mehr so richtig an den Bischof? Ach, ja, sie ist ja von der normalen Welt. Die "Gesunden" sind alle ein wenig skeptischer, was wohl auch den Grund seiner Zuneigung zum Behindertenheim erklärt.
Scheinbar haben sie in diesem Zimmer schon ein wenig Weihnachtsstimmung aufleben lassen: Auf dem Boden sind schon ein paar Nüsse und Mandarinen verteilt. Nachdem der Nikolaus wieder aus seinem goldigen Buch zitiert hat, überlegt er sich, er leere seine Gaben wohl am besten gleich zu den anderen Leckereien. Die Kinder sind ganz aus dem Häuschen, als sie die Kostbarkeiten zu Gesicht bekommen.
Wieder macht sich der Bärtige auf den Weg. Aus purer Angewohnheit wendet er sich mit seinem Gefolge wieder nach rechts, um sich hinter der nächsten Ecke neu zu orientieren.
Im dritten Zimmer wird er nicht so herzlich empfangen: Die Kinder johlen zwar noch lauter, als in den beiden Zimmer zuvor, die Leiterin jedoch präsentiert eher einen respektlosen Ausdruck.
"Nikolaus, weshalb kommst Du …" beginnt sie ihren Satz. Ist es heutzutags nicht mehr gerne gesehen, wenn der Nikolaus einen Besuch abstattet? Dank der Stimmung der Kinder fühlt sich der heilige Mann jedoch bestätigt und fällt der Gruppeleiterin ins Wort "hallo zusammen, grüsst euch, Kinder. Freut ihr euch über meinen Besuch?" "Jaaa." Alle johlen und lachen. Santaclaus the superstar, denkt er bei sich - und, wie kann es anders sein, wird wieder in den Bart gelacht (was würde unser
Freund wohl ohne Kinnbekleidung wohl tun?). Er zieht eine perfekte Show ab. Volles Programm. Die Leiterin lässt er einfach links liegen. Er hat schon gemerkt, in ihren Augen ist er nicht sehr willkommen, immerhin haben sie auch in diesem Raum schon eine Bescherung ohne Nikolaus erhalten. Provokativ leert de gutmütige Alte seine Gaben (welche sowieso viel schöner und besser sind, als die Früchte und Lebkuchen, welche bereits im Zimmer liegen) zu den anderen Leckereien.
So geht er von Raum zu Raum und beschenkt alle Kinder des Heimes. Je mehr Zimmer er besucht, desto mehr stellt er die negative Einstellung der Leiterinnen, dafür die ausgelassenere Stimmung der Insassen fest.
"Nie mehr gehe ich normale Kinder besuchen. Dieses Volk ist so etwas von unfreundlich und undankbar" denkt er sich. Natürlich wird er diesen Gedanken niemals Preis geben.
Übrigens: diesmal lacht er nicht in den Bart.
Endlich ist er mit seiner Mission zu Ende. Nikolaus kann sich auf den Heimweg machen. Alle Kinder im St. Josefsheim sind glücklich. Der kranke Knecht Ruprecht wird stolz auf seinen Meister sein.
Friedlich pfeifend macht er sich auf Schusters Rappen in den Wald. Er ist erschöpft, dafür glücklich. Links neben ihm geht Humperdick, rechts sein Ersatzknecht. In der Hand hält er, wie immer seine Laterne.
"Weshalb kam heute Nikolaus nicht vorbei? Heute ist doch der sechste Dezember - Nikolaustag" Fragt eine Leiterin die Kollegin im Lehrerzimmer.
"Ich weiss auch nicht", sagt diese
"bei mir war er ebenfalls nicht! Ihm wird doch nicht etwas zugestoßen sein?" Die Türe knallt zu. Die Harda, eine weitere Leiterin, stampft wutentbrannt hinein.
"Ob ihm etwas zugestoßen ist?", schreit diese in den Raum des Lehrerzimmers "durchgeknallt ist er! Ich habe es ihm zu erklären versucht. Er hat aber keineswegs auf mich gehört: ganze sechsmal ist er i mein Zimmer getrampelt und hat immer die gleichen Kinder besucht. Kein Wunder, hat er keine Zeit mehr gehabt, bei euch vorbeizuschauen!"
Eingereicht am 18. Januar 2006.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.