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Weihnachtsmarkt

© Henning Brandes


Friedrich war etwas zu früh am vereinbarten Treffpunkt erschienen. Das gab ihm Gelegenheit das bunte Treiben des abendlichen Weihnachtsmarktes ganz entspannt zu genießen. Friedrich mochte das Gefühl von Weihnachten, obwohl er zugeben musste, dass das heutige Gefühl von Weihnachten nicht an die Faszination heranreichte, die er als Kind für dieses Fest verspürt hatte. Komisch, dachte Friedrich, selbst als er damals herausgefunden hatte, dass es keinen Weihnachtsmann gab, hatte das dem Gefühl für Weihnachten nicht geschadet.
Sein Blick schweifte zu der süßlich duftenden Bratapfelbude, an der zwei junge Pärchen mit einem kleinen Jungen standen. Das eine Pärchen trug orangerote Jacken derselben Marke, der Welt aufdringlich ihre uneingeschränkte Verbundenheit unter die Nase reibend, dachte Friedrich. Als Kontrastprogramm präsentierte sich das andere Pärchen geradezu auffällig individuell, sowohl in der Farbe, als auch im Stil. Er trug eine lässige Jeans, dazu eine olivefarbene Militärjacke, bei ihr schaute keck ein eleganter Hosenanzug unter dem Pelzmantel hervor. Den kleinen Jungen hatte man in eine rote Steppjacke gesteckt, das etwas altkluge Gesicht zierte eine Brille mit runden Gläsern, Friedrich schätzte ihn auf etwa zehn Jahre.
Die Frau im Pelzmantel wandte sich an den Jungen:‚Na, hast du jetzt nicht doch noch Lust auf einen kandierten Apfel?' Der Junge reagierte auf diese fordernde Frage mit einem gequälten Lächeln. Nun schaltete sich die Frau in der orangefarbenen Jacke ein: ‚Ich denke, Hans-Peter hat genug!'
‚Das kann er ja wohl noch selber sagen.' Die Frau im Pelz schaute den Jungen herausfordernd an. ‚Na, wie wäre es noch mit einem Apfel. Zum Nachtisch noch etwas Süßes?'
Der Junge nickte verlegen, er hatte gelernt, es allen recht zu machen. Animiert durch diese schüchterne Geste, drängte sie sich durch die Menge zur Bratapfelbude, wobei sie durch überlautes Rufen in Richtung Bedienung ihr baldiges Erscheinen ankündigte. Die andere Frau tuschelte derweil, die ganze Situation missbilligend, intensiv mit ihrem Partner. Eine Verschwörung in Orange, dachte Friedrich.
Ein Pärchen im Partnerlook wirkte für Friedrich immer ein bisschen asexuell, wie Bruder und Schwester. Liebesbezeugungen zwischen diesen Personen hatten für ihn etwas inzestuöses und sollten seiner Meinung nach auch strafrechtlich so behandeln werden. Vielleicht kommt die Einheitskleidung im Knast ihrer pervertierten sexuellen Veranlagung sogar entgegen, dachte Friedrich bösartig. Die Unterredung schien beendet.
‚Ich finde es nicht gut, dass du ihn so nötigst, er hat doch einen so sensiblen Magen'.
Als hätte die andere Frau nur darauf gewartet, giftet sie: 'Eine Mutter hat ja wohl noch das Recht, ihrem Sohn einen Apfel kaufen zu dürfen.'
Für die interessierten Beobachter dieser Szene, dachte Friedrich, musste sich spätestens jetzt erschlossen haben, dass es sich bei der aggressiveren der beiden Frauen um die leibliche Mutter des kleinen Jungen handelte. Inzwischen waren mindestens eine Handvoll Menschen stehen geblieben. Sie hatten ihr Schlendern unterbrochen, um dieser kostenlosen Boulevardaufführung beizuwohnen.
Etwas abseits dieser Szenerie hatten sich die beiden Männer platziert, beobachteten scheinbar interessiert ihre Schuhe und trippeln betreten von einem Bein aufs andere. Dabei vermieden sie jeden Blickkontakt und achteten tunlichst darauf, sich keiner Geste gegenseitiger Solidaritätsbekundung schuldig zu machen. Beide kannten ihre Rolle in diesem Schmierentheater, dachte Friedrich.
Während Hans-Peter lustlos auf seinem Apfel kaute, bemühte sich die Stiefmutter, die Wogen zu glätten ‚Ich meine ja nur, er hatte doch schon eine Bratwurst, ein Schälchen Pommes und ein Eis.'
‚Die du ihm gekauft hast!!' Bei der letzten Silbe reckte sie ruckartig den Hals wie ein Habicht nach vorn. Dadurch richteten sich die Haare ihres Pelzmantels zu einer Angriffsformation auf. Dies hier war kein Spaß, dies war Krieg!, beurteilte Friedrich die Situation messerscharf.
Plötzlich durchlief eine Eruption den Körper des kleinen Jungen, seine Halsmuskeln zogen sich krampfhaft zusammen, aber er kämpfte tapfer gegen die heraufströmende Nahrung. Nahe am Erstickungstod würgte er an der Überdosis Liebe. Nach langem erbittertem Kampf, der von heftigen, tierähnlichen Lauten begleitet war, erbrach er stückchenweise den kandierten Apfel.
‚Was ist denn bloß mit dir los?' Von Panik getrieben schüttelte die leibliche Mutter den Jungen, was ihn allerdings nur veranlasst, sich auch noch den Rest des Mageninhalts auf seine Hose zu entleeren. ‚Das war bestimmt der Fisch von heute Mittag, ich habe direkt gesagt, dass er verdächtig gerochen hat.'
Die Stiefmutter war lange genug ruhig geblieben und hatte versucht, die Situation zu entschärfen, aber das war dann wohl doch zuviel.
‚Ja natürlich, was soll es sonst gewesen sein?! Ich sehe auch soviel Fisch zwischen den Apfelstücken'.
Dabei stocherte sie mit ihren teuren Markenstiefeln in dem ausgekotzten Apfel herum, stieß größere Brocken beiseite. Dies tat sie so behutsam, als erwarte sie unter jedem Stückchen Erbrochenen einen versteckten Schwarm Fische aufzuscheuchen.
Wie sehr muss eine Frau hassen, um mit Prada-Stiefeln in Kotze zu wühlen?, dachte Friedrich.
Er wandte sich ab und ließ sie stehen, zwei ratlose Pärchen und einen mit einem Doppelnamen geschlagen kleinen Jungen. Inzwischen heulte Hans-Peter. Die Adern an den Schläfen waren hervorgetreten, seine Brille beschlagen, die Augen waren blutunterlaufen durch die unfreiwillige körperliche Anstrengung. Er sah erbarmungswürdig aus. Ein Opfer der modernen Patchworkfamilie, befand Friedrich.
Plötzlich durchlief eine Eruption den Körper des kleinen Jungen, seine Halsmuskeln zogen sich krampfhaft zusammen, aber er kämpfte tapfer gegen die heraufströmende Nahrung. Nahe am Erstickungstod würgte er an der Überdosis Liebe. Nach langem erbittertem Kampf, der von heftigen, tierähnlichen Lauten begleitet war, erbrach er stückchenweise den kandierten Apfel.
‚Was ist denn bloß mit dir los?' Von Panik getrieben schüttelte die leibliche Mutter den Jungen, was ihn allerdings nur veranlasst, sich auch noch den Rest des Mageninhalts auf seine Hose zu entleeren. ‚Das war bestimmt der Fisch von heute Mittag, ich habe direkt gesagt, dass er verdächtig gerochen hat.'
Die Stiefmutter war lange genug ruhig geblieben und hatte versucht, die Situation zu entschärfen, aber das war dann wohl doch zuviel.
‚Ja natürlich, was soll es sonst gewesen sein?! Ich sehe auch soviel Fisch zwischen den Apfelstücken'.
Dabei stocherte sie mit ihren teuren Markenstiefeln in dem ausgekotzten Apfel herum, stieß größere Brocken beiseite. Dies tat sie so behutsam, als erwarte sie unter jedem Stückchen Erbrochenen einen versteckten Schwarm Fische aufzuscheuchen.
Wie sehr muss eine Frau hassen, um mit Prada-Stiefeln in Kotze zu wühlen?, dachte Friedrich.
Er wandte sich ab und ließ sie stehen, zwei ratlose Pärchen und einen mit einem Doppelnamen geschlagen kleinen Jungen. Inzwischen heulte Hans-Peter. Die Adern an den Schläfen waren hervorgetreten, seine Brille beschlagen, die Augen waren blutunterlaufen durch die unfreiwillige körperliche Anstrengung. Er sah erbarmungswürdig aus. Ein Opfer der modernen Patchworkfamilie, befand Friedrich.
Ein Hund leckte den kandierten Apfel aus dem Rinnstein.
Ein leichtes, aber unübersehbares Zittern befiel den Fuß des kleinen Jungen. Langsam hob er sich und stampfte erst noch vorsichtig, dann aber immer heftiger in schneller Folge platschend in die Lache. Die Saat war ausgebracht, erkannte Friedrich. Wie lange würde es noch dauern, fragte er sich, bis sich dieser kleine Junge aus seiner Verliererrolle befreite, um sich zum intriganten Manipulator dieser Groteske zu erheben. Ein, vielleicht zwei Jahre? Friedrich wünschte ihm dabei auf jeden Fall viel Glück!



Eingereicht am 18. November 2005.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

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