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Auf der Suche

© Vera Brühl


Wo steckt nur wieder die Weihnachtsstimmung? Wo habe ich sie verschlampt? Wo ist sie mir dieses Jahr verloren gegangen?
Vielleicht an meinem Schreibtisch. Dann liegt sie da immer noch, es sei denn meine Schwester hat sie genommen. Doch wirkte Elke nicht doppelt weihnachtsgestimmt, mit ihrer dicken weisheitsentleerten Backe.
Vielleicht in Hamburg, in der Wexstraßen-WG, unbeachtet im rotlichtigen Badezimmer, den Bewohnern bei ihren ausgiebigen Schaumbädern Gesellschaft leistend. An sich reißen wird sie dort keiner. Wenn ich Glück habe, kann ich meine Stimmung da wieder finden. Vorausgesetzt, sie wurde nicht von einem der zahlreichen Besucher als mitnehmenswert befunden oder ist bei einem Spülmaschinendurchlauf ins Abwassersystem geraten.
Vielleicht liegt sie auch in der Umkleidekabine beim Sport. Wird von verschwitzten Frauenfüßen getreten, mit nassen Handtüchern durch den Raum gewedelt oder von rücksichtslosen Sportlerinnen in dunkle metallene Schließfächer gesperrt. Oh nein! Das wäre zu schrecklich um wahr zu sein.
Vielleicht habe ich sie auch in der Europäischen Kommission unter der Europa-Flagge verloren. Dann kann man nur hoffen, dass die Besucher der geschlossen-öffentlichen Veranstaltungen nicht auf alles, was umsonst ist, so scharf sind wie auf die Häppchen vom Partyservice.
Vielleicht steckt sie aber auch mit ein paar Laborratten in einem Käfig im MDC und wartet, nur durch Weihnachten vorübergehend dem Tode entrissen, auf die letzte Versuchsreihe. Dann könnte ich morgen, bevor der Weihnachtsbaum geschmückt werden will, noch schnell mit meiner schwarzen Chipkarte eine Rettungsaktion starten.
Vielleicht ist aber auch der Weihnachtsstimmungsadressenverteiler bei einem Probelauf für die Umstellung zum Jahr 2000 abgestürzt und dabei sind meine Daten verloren gegangen, so dass mir dieses Jahr keine Stimmung zugestellt wurde. In diesem Fall müsste ich noch schnell eine Eingabe machen oder vorläufigen Rechtsschutz beantragen. Aber ob das so schnell geht? An einem Feiertag?
Ach, was soll ich mir den Kopf zerbrechen!
Wahrscheinlich wird mir morgen, wenn ich den Weihnachtsbaum mit roten Kugeln und silbernen Sternchen behänge, in der Küche Nudeln und Tomatensoße vor sich hin köcheln und von draußen der Regen gegen das in die Blumenkästen gesteckte Tannengrün platscht, aus einer Weihnachtschmuckkiste meine Stimmung entgegen springen. Gut erhalten. Froh und munter wie jedes Jahr. Aufgespart für den 24.12.



Eingereicht am 21. Oktober 2005.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

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