Weihnacht im Ökoladen
© Roland Haemel
Lange hat es nicht mehr geschneit. Endlich aber war es wieder soweit. Überall, wo man hinsah, weiße Flocken. Federn gleich fielen sie herunter und bedeckten die Stadt und das Land. Kathrin schüttelte sich und die Himmelspracht gleitet eine Etage tiefer auf die Straße. Das knackige Geräusch, das der Schnee von sich gab, wenn man auf ihm lief, erfreute ihr Herz. Fern aus der Kirche hörte sie die Glocken schlagen. Die Geschäfte waren hell erleuchtet. Kathrin fühlte sich wie im Weihnachtshimmel, aber auch traurig
und allein. Dieses Jahr wird sie das Weihnachtsfest zum ersten Mal allein feiern, da sie fern ihrer Heimat war, obwohl sie sich hier schon seit dem Sommer eingewöhnt hatte. Nun musste sie noch einkaufen, das Festtagsmenü sollte nichts anderes sein, als sie es von daheim alljährlich gewöhnt war. Dazu ein gesunder Salat, zu dem ihr noch die Paprika fehlten. Als sie den Ökoladen betrat, kam ihr wohlige Wärme entgegen. Sie bummelte ein wenig durch den Laden und ließ sich Zeit, denn davon hatte sie jetzt in den Ferien
genug.
Martin hatte endlich nach Monaten der Suche seine Traumlehrstelle in dem kleinen Städtchen mit den vielen Fachwerkhäusern gefunden. Tischler musste es sein, so wie es schon Jesus war. Er liebt das warme Holz, die natürlichen Fasern und den Geruch von frisch gefällten Bäumen. Und nun war er auf der Suche nach einem solchen. Eine Tanne, nicht zu groß sollte es sein. Sowie er es von Zuhause kannte, nur eine in klein etwas wenigeren Ausführung. Noch drei Tage bis zum Heiligen Abend und diese Woche hatte er sich ganz
frei genommen. Doch bevor er den Baum besorgen wollte, betrat auch er noch schnell den Ökoladen.
Alles frisch und gesund, so sollte das Mahl nicht nur zu den Festtagen sein. Martin stellte sich an die Kiste, in der frischer Kopfsalat lag. Er blickte sich nach links um und neben ihm stand ein Mädchen, das ihm auf Anhieb gefiel. Ihr langes Haar schaute hinterm Schal hervor und glänzte wie Lametta.
Kathrin bemerkte seinen Blick und sah ihm frech in die blauen Augen. "Hey - wie geht's?"
Martin lächelte sie an und sie löste in ihm mit leicht verzogenem Mund ein Liebeswunder aus. Diese Lippen, dieser warme herzige Blick, er wird es nie vergessen.
"Hey", stammelte er. Mehr fiel ihm nicht ein. "Gut - ja gut."
"Darf ich?"
Der Mann im langen Mantel schob sich ungeniert zwischen die beiden und trennte sie. "Ist das auch wirklich alles frisch?"
"Ja, Herr Bohnekahm, - Alles frisch wie immer."
Malet die Verkäuferin kannte Herrn Bohnekahm. Immer fragte er nach, obwohl er nun schon seit zwei Jahrzehnten wusste, dass er hier noch nie etwas Verdorbenes erhalten hatte. Doch seit er in der Rente war, war er etwas von der unangenehmeren Seite aufgefallen. Kein Wunder, dachte sich Malet, dass so einer allein lebte.
Aber sie wusste auch, dass er eigentlich ein gemütlicher Dicker war und er nur seit dem Tod seiner vor fünf Jahren verstorbenen Frau etwas schwermütiger wurde.
Kathrin bezahlte und verließ das Geschäft fast unbemerkt. Was für ein süßer Junge es doch war, dachte sie als sie wieder die Flocken auf ihrem Haupt in Empfang nahm.
Martin rannte fast schon zur Kasse. "Moment ich muss Wechselgeld holen." Fast hätte er ihr den Schein ganz überlassen, aber von seinem Lehrgehalt war dies nicht möglich. Hoffentlich erwische ich sie noch, dachte er nach dem Betreten der Schneelandschaft.
Er sah sich um. Nichts von ihr zu sehen. So gut gelaunt er schon seit dem Morgen war, so betrübte war er nun. Wiederholt betrat er den Laden.
"Kannten sie das Mädchen das gerade hier war?"
Malet verneinte. Kathrin war erst seit drei Monaten hier und sooft holte sie hier nichts Frisches ein. In seiner Not befragte er auch den mürrischen Herrn Bohnekahm.
"Ja, ich sah sie oft" grollte er mit verwunderlich angenehmer Stimme "aus einem Haus in der Glockengasse kommen. Aber ob sie da wohnt weiß ich nicht"
"Danke" Keine Ursache erwidert Herr Bohnekahm.
Na, das war ein hilfreiche Auskunft, dass ließ Martin hoffen, dass Mädchen wieder zu finden. Schnell lief er durch die schneebedeckten Straßen. Glockengasse, wo war gleich wieder die Glockengasse. Ja stimmt, jetzt fiel es ihm ein. Bei der Kirche hinten, den alten Bergweg hinauf. Eine kleine Häuserfront auf der Anhöhe oben war es gewesen.
Kathrin zog ihren Wintermantel aus und räumte ihren Einkauf auf. Zur selben Zeit eilte Martin die Straße hoch und keuchte wie ein Weihnachtsmann der mit dem Verteilen aller Geschenke nicht fertig zu scheinen wurde. Martin sah nach links, blickte nach rechts, sah das Mädchen nirgends, obwohl er sich wirklich hetzte. Er hat sie verpasst schoss es ihm enttäuscht durch den Kopf. Plötzlich geriet er ins Schleudern. Unterm Schnee lag eine vereiste Stelle auf die er trat. Er strauchelte - drohte hinzufallen. Instinktiv
suchte er Halt und glitt mit der rechten Hand an eine Hauswand. Dort glitt er ab und verstauchte sich auf einem Klingelschild den Ringfinger. Au das tat weh, aber halb so schlimm wie das Mädchen nicht mehr zu finden, war sein Gedanke als ihn eine Stimme wie aus dem Himmel erreichte.
"Hallo, wer ist da?"
Diese Stimme, - die kannte er, obwohl sie ihm nur einmal sagte, Hey wie geht's. Nie könnte er sie vergessen.
"Ich habe mir den Finger verstaucht" brach es prompt aus ihm hervor und der Satz verschwand eiligst in der Sprechanlage. Eigentlich wollte Martin etwas anderes sagen, doch er war ein wenig verwirrt. Schneller, als er sich vom Schreck des Sturzes erholte, ging die Hautüre auf und da stand ein Wesen mit Lamettahaar wie ein Engel ohne Flügel zum Christfest.
Dieses Jahr und viele Jahre danach verbrachten Kathrin und Martin die Weihnachtsfeste miteinander und waren immer noch glücklich darüber sich in den Bergen kennen gelernt zu haben. Übrigens - Herr Bohnekahm wurde von den beiden Glücklichen am diesjährigen zweiten Weihnachtsfeiertag zum Essen geladen - und gehört seitdem zur Familie die sich schnell in den folgenden Jahren vergrößerte.
Eingereicht am 15. Mail 2005.
Herzlichen Dank an den Autor.
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