www.online-roman.de       www.ronald-henss-verlag.de
Weihnachten Weihnachtsgeschichte Weihnachtsgeschichten Kurzgeschichte Weihnacht Advent

Tomatiges Fest auf Wisidum

© Victoria Süß


Pünktlich zum 24. Dezember des Jahres 2476 landete ein Ufo mitten im Berliner Tierpark zwischen den Elefanten. Die beiden Insassen Punkidickeldumshanfgesabt und sein treuer Gefährte Mo stiegen aus ihrem Flugobjekt und schauten sich in der Gegend um. Seit wann waren sie Menschen so fette Wesen? Dabei wollten die Bewohner des Planeten Wisidum extra vor dem Weihnachtsessen da sein. Ob sie sich im Jahrhundert oder der Galaxis geirrt hatten?
Irgendwas jedoch sagte ihnen, dass diese graublauen Riesen keine so genannten Menschen waren. Bevor sie sich aber diesem Problem widmen konnten, mussten sie ihre Maschine unauffällig tarnen. Nichts leichter als das in einem Tierpark! Indem Punkidickeldumshanfgesabt eine kleine Cherrytomate - er hatte sich mindestens ein Dutzend für die weite Reise in die Hosentasche gesteckt - auf das mittelgroße Flugobjekt warf, verwandelte es sich ebenfalls in einen Elefanten.
Dieser zeichnete sich lediglich durch einen Unterschied im Gegensatz zu den restlichen aus: Sein relativ langer Rüssel war an einen Baum geknotet. Auf diese Weise würde er nicht davon stampfen können und Punkidickeldumshanfgesabt sparte sich bei der Rückverwandlung diverse Cherrytomaten.
Zufrieden verließen die beiden Besucher aus Wisidum den Park, gefolgt von verstörten Blicken und Rufen der Tiere.
Auf ihrem Heimatplaneten kursierte das Gerücht, dass die Erdenbewohner einmal im Jahr ein unglaubliches Fest veranstalteten, welches es durchaus mit dem Klofassfest aufnehmen könnte. Die Wisidumianer feierten in fünfhunderttausend Jahren einmal, wobei die meisten es regelrecht überdrüssig waren sämtliche Verwandten auf engstem Raum so oft sehen zu müssen.
Zwischen der einen Feier und der nächsten gab es eigentlich keinen Grund für weitere Feten. Außerdem hatte man in dieser Zeit genug damit zu tun, das Klofassfest vorzubereiten bzw. den Müll des letzten Klofassfestes wegzuräumen. Das Fest an sich beinhaltete Folgendes:
Die Bewohner von Wisidum verrichten ihr Geschäft auf einem zwei Meter hohen Fass, zu dem eine geschwungene Treppe führt. Oben drauf befindet sich ein umgekehrt aufgestellter und gepolsterter Trichter, der ausreichend befestigt ist. Da aber die Wisidumianer nur alle zweitausend Jahre das Bedürfnis hatten, diesen "stillen" Ort aufzusuchen, fanden sie es schade, dass das Klofass den Rest der Zeit sinnlos herumstand.
Immerhin verbrachten die - wenn man das so vergleichen kann - männlichen Wisidumianer unzählige Stunden damit diese Konstruktion zu verbessern und noch weiter auszubauen. Also ernannten sie das Klofass in einer feierlichen Veranstaltung zu etwas Besonderem und erfanden das Klofassfest. Vor einigen Jahrhunderten kam ein genialer Ingenieur auf die Idee, unten sechs Räder anzubauen, um so das Transportieren oder Verrücken zu erleichtern. Wer nun glaubt, dass hier auf das halbstündige Staubsaugen angespielt wurde, der irrt. Man muss dazu sagen, dass das Klofass, sofern es natürlich nicht gerade benutzt wird, die Mitte der jeweiligen Behausung einnimmt (es wird seit der Ernennung als Schmuckstück angesehen und jeder prahlt mit seiner Version davon). Wenn aber mal wieder zweitausend Jahre vorüber sind, dann muss das Klofass schließlich weg geschoben werden (so viel Anstand hatten die Wisidumianer noch!). Dazu kommt noch, dass zum Fest jeder sein geschmücktes Fass vor die Tür bringt und Wettbewerbe über das schönste Objekt abgehalten werden. Der Gewinner erhält eine siebenhundertzweiunddreißig Kilogramm schwere Fleischtomate, die genau bis zum nächsten Klofassfest, kurz KFF, reicht. Bis dahin gibt es - wenn auch nur für kurze Zeit - keine Streitereien darüber, wer Tomaten kaufen gehen muss. Es ist ersichtlich geworden, dass die Wisidumianer ein ganz anderes Zeitgefühl als die Erdenbewohner haben (deshalb sind die weiblichen Wisidumianer eigentlich nur damit beschäftigt staubzusaugen).
Nach langen Diskussionen wurden Punkidickeldumshanfgesabt und sein treuer Gefährte Mo dazu auserwählt, die weite Reise bis zur Erde antreten zu dürfen. Sie hatten den geheimen Auftrag, dieses "Weihnachtsfest" zu überwachen und bei ihrer Rückkehr darüber Bericht zu erstatten.
Jetzt wollten die beiden erst einmal gucken, wie die Menschen überhaupt aussahen, um dann mithilfe jeweils einer Cherrytomate ihre Gestalt anzunehmen. Doch bis das geschah, zogen sie es vor unsichtbar zu bleiben, man wusste ja nie, wie diese Wesen drauf waren. Auf Wisidum wurden Fremde sehr gerne gesehen und die meisten Wisidumianer mochten diese auch (besonders gut durch).
Vor einem großen Einkaufszentrum in der Innenstadt machten Punkidickeldumshanfgesabt und Mo Halt und starrten verwirrt auf die wie blöd umher laufenden Geschöpfe, die in jeder Hand voll bepackte Tüten schleppten. Binnen kürzester Zeit passten sich Summi (das war sein Spitzname) und Mo der allgemeinen Norm an.
Um sich langsam an das Umfeld zu gewöhnen, wollten sie vorerst in Ruhe alles beobachten und durften dabei kein Aufsehen erregen, da sie ja nun sichtbar waren.
Zielstrebig liefen sie auf die weniger gut besuchte Sockenabteilung zu und betrachteten ein Paar Seidenstrumpfhosen. Beide hatten die Gestalt eines Mannes angenommen, sodass geglaubt wurde, dass das ein Geschenk für die jeweilige Frau sein sollte. Innerhalb von Sekundenbruchteilen schien es sich herumgesprochen haben, dass es in diesem Laden gute Strumpfhosen gab (wenn sogar Männer diese aussuchten!). Also ließen Summi und Mo diese Abteilung hinter sich und wanderten zu den Schreibwaren. Sie konnten sich nicht helfen, aber irgendwie waren diese Menschen merkwürdig. Ohne zu überlegen griffen sie nach all den leblosen Gegenständen und füllten ihre Einkaufskörbe damit.
Während des Klofestes wurde zwar auf Wisidum auch recht viel gekauft, aber meist beschränkte sich das auf ausgefallene Sorten von Plastiktomaten in den verschiedensten Farben und Formen.
An der Kasse holten die Erdenbewohner ihr Geld raus und gaben es einer Person mit aufgesetztem Lächeln hinter einem kleinen Tisch. Beim Gehen wünschte sie jedem Einzelnen von ihnen in derselben Tonlage eine "fröhliche Weihnacht". Aber wirklich glücklich wirkte weder sie noch die andere Person, die das gelangweilt, aber dennoch schleimig (diese Kombination beeindruckte besonders Summi) erwiderte.
So unterschiedlich schienen aber die beiden Planeten gar nicht zu sein. Denn Mo fiel auf, dass das meist Gekaufte bunte runde Kugeln mit einer dünnen Schnur waren. Zwar waren die meisten aus Glas, aber einige gab es auch aus Plastik. Unauffällig folgten sie einem Ehepaar nach Hause, welches drei Kisten von diesen Kugeln gekauft hatte. Dort machten sie sich vorsichtshalber wieder unsichtbar, da die Frau außerdem noch einen großen Kochtopf eingepackt hat.
Nach einer ganzen Weile packten sie endlich die Kisten aus, trommelten die Kinder zusammen und drückten jedem ein paar dieser Schmuckstücke in die Hand. Ha, Mo hatte Recht, sie hängten sie an … was, um Himmels willen war das denn?! Es sah nicht mal annähernd wie ein Fass aus. Dieses Etwas hatte viele grüne Fransen und unten einen braunen dicken Stock.
Aber die Kugeln schienen wirklich gut darin zu halten.
Auf Wisidum verdienten die Klebstoffhersteller sich während des Klofassfestes dumm und dämlich, da man ja die ganzen Plastiktomaten und bunten Troddeln irgendwie befestigen musste. Danach war man dann die nächsten vierhunderttausend Jahre damit beschäftigt diese zu entfernen, sodass einem bloß noch hunderttausend Jahre zur Neuschmückung blieben.
Abends kam dann ein ganzer Haufen neuer Erdenbewohner in das Haus des Ehepaares mit den vier Kindern. Später wurden die Geschenke ausgetauscht und es hatte den Anschein, als hätte sich jeder genau das gewünscht, was er gerade auspackte und danach in den Händen hielt. Welch Familienidylle! Trotz allen komischen Angewohnheiten musste man den Menschen das doch lassen, von Familie verstanden sie etwas. Dabei wirkte es einen kurzen Moment auf Summi und Mo so, als würden die Menschen einfach irgendwas kaufen und verschenken.
Es war ganz anders als auf Wisidum, stellten sie fest, wo das Erstbeste geschnappt und in Papier vom letzten Jahr eingewickelt wurde. Die Logik, die dahinter steckte war folgende: Es wurde doch eh wieder ausgepackt! Wenn dann jeder sein Geschenk erhielt, strahlten zwar die Gesichter, aber sobald die nervige und aufdringliche Verwandtschaft wieder von dannen zog, wurden sich die Mäuler über das Bekommene zerrissen.
Beschämt beschlossen Summi und Mo für die nächsten Jahrhunderte genug von der Erde und den Menschen gesehen zu haben und sich beim nächsten KFF über jedes Geschenk genauso zu freuen, wie diese Familie hier.
Außerdem nahmen sie sich noch einige Kisten von den leicht zu befestigenden "Wunderkugeln" mit (die roten davon ein wenig grün angemalt hätten das Aussehen einer perfekten Tomate) und machten sich schon darauf gefasst, ab dem nächsten Klofassfest für fünfhunderttausend Jahre keine Tomaten mehr kaufen zu müssen. Es wäre ja gelacht, wenn sie damit nicht den Wettbewerb des schönsten Klofasses gewinnen würden!
Außerdem würden sie ihrem Planeten nur Gutes von der Erde berichten und verkünden, dass sich die Wisidumianer eine Scheibe davon abschneiden sollten.



Eingereicht am 26. September 2005.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

»»» Weitere Weihnachtsgeschichten «««
»»» Weitere Weihnachtsgeschichten «««

Weihnachts-Blogs
»»» Blog Weihnachtsgeschichten
»»» Blog Weihnachtsmarkt
»»» Blog Weihnachtsmuffel
»»» Blog Weihnachtsgedichte
»»» Blog Weihnachtsbuch
»»» Blog Wintergedichte
»»» Blog Wintergedichte
»»» Blog Weihnachtsgedichte 1
»»» Blog Weihnachtsgedichte 2

»»» Kurzgeschichten: Überblick, Gesamtverzeichnis «««
»»» HOME PAGE «««