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Auch ein Weihnachtstag

© Patrick Alexander Kostka


Eigentlich war es irrational. Ein Gefühl der Liebe, des Glücks und der ewigen Ruhe war in ihm. Ein Gefühl, das es für ihn jetzt eigentlich gar nicht geben konnte - nicht nach alledem was geschehen war - und nicht an diesem 24. Dezember, dem Heiligen Abend.
Gestern, am 23.12. war er bei einer routinemäßigen Untersuchung beim Hausarzt. Ohne Vorwarnung hatte er dann vom Doktor die Diagnose erhalten, dass er Diabetiker sei. Dies sei jedoch kein Weltuntergang hatte der Arzt ihm gesagt. Diabetes ist eine der großen Volkskrankheiten, und man konnte Altersdiabetes recht gut in den Griff bekommen. Doch seine Angst vor dem Unbekannten war groß.
Wie von einem Blitz durch die Worte des Arztes getroffen war er dann nach Hause geeilt um mit seiner Frau darüber zu sprechen. Eigentlich erhoffte er sich ein wenig Trost und Zuwendung, doch als er durch die Eingangstüre kam wusste er, dass etwas nicht stimmte. Lisa, seine Frau saß am Tisch in der Küche und war gerade dabei etwas zu schreiben. Er ging auf sie zu und versuchte zu lesen was sie auf das weiße DIN-A4 Blatt gekritzelt hatte, doch sie zerknüllte es als er näher kam, stand auf und begann zu reden.
Es klang wie eine lang einstudierte Ansprache. Worte wie auseinander gelebt, keine gemeinsamen Interessen und keine Liebe mehr, überrollten ihn genauso wie der Schluss ihrer Rede, in welchem sie von Trennung, Scheidung und Ausziehen sprach.
Als sie sich Luft gemacht hatte, ging sie, ohne auch nur eine Antwort von ihm abzuwarten in die Garderobe, zog sich an und schnappte sich ihren bereits hergerichteten Koffer.
Irgendwie war er wie gelähmt. Seine Worte waren mehr ein stammeln als zusammenhängende Sätze. Sein Bitten sich alles noch einmal zu überlegen, war mehr ein Flehen als Bitten. Doch selbstbewusst ohne auch nur wirklich auf ihn zu hören, trat sie aus der Türe und ließ sie geräuschvoll hinter sich ins Schloss fallen.
Er stand Mitleid erregend da und blickte gedankenverloren auf die geschlossene Eingangstüre. Heute war nicht sein Tag. Und obwohl morgen der 24. Dezember war und Weihnachten ein Fest des Glücks und der Liebe sein sollte, fühlte er sich so traurig wie nie zuvor.
Die darauffolgende Nacht hatte er kaum geschlafen, sich ruhelos von einer Seite auf die andere gewälzt und war von Albträumen geplagt worden.
Am nächsten Tag wollte er sich eigentlich krank melden, überlegte es sich dann aber doch anders und zwang sich den halben Tag Arbeit auch noch zu überstehen. Die Geschäfte in dem Betrieb in welchem er arbeitet gingen nicht besonders gut, und es drohte eine Entlassungswelle, da wollte er als lang gedienter Mitarbeiter der stets pflichtbewusst seiner Arbeit nachging, nicht mit einem schlechten Beispiel glänzen. Vielleicht konnte die Arbeit ihn auch ein wenig ablenken.
Den ganzen Tag quälten ihn Gedanken an seine Frau und seine Krankheit. Wie es wohl weitergehen sollte. Bei seiner Arbeit unterliefen ihn durch seine psychische Abwesenheit mehrere Fehler über welche er sich nicht minder ärgerte. Um 11.00 Uhr war eine Betriebsversammlung angesagt. Da sollten sicher die Planung, und wie man noch mehr einsparen konnte, für das nächste Jahr präsentiert werden, waren seine Gedanken als er neben den Kollegen im großen Besprechungsraum Platz genommen hatte und auf die Ausführungen des Geschäftsführers wartete. Doch er konnte sich nicht richtig konzentrieren, viel zu sehr war er mit seinen Gedanken ganz wo anders beschäftigt. Dadurch schnappte er auch nur ein paar Worte von der Ansprache auf, welche ihm jedoch das Blut in den Adern gefrieren ließ. Da war die Rede davon, dass das Unternehmen Konkurs anmelden musste und die gewöhnliche Geschäftstätigkeit nur noch bis zum 31.12. ausführen konnte. Da war die Rede von Sozialplänen, Umschulungsmaßnahmen und Arbeitslosigkeit. Ganz plötzlich wurde ihm schwarz vor den Augen. Er merkte noch wie er langsam das Bewusstsein verlor.
Als er wieder aufwacht lag er in einem Krankenwagen. Zunächst versuchte er sich zu erinnern was geschehen war und dann sah er deutlich wie die vergangenen Stunden in seinen Gedanken vorbei zogen. Er versuchte sie zu stoppte und blickte sich wirr um. Ein Pfleger der neben ihm saß war gerade damit beschäftigt eine Infusion vorzubereiten. Der Krankenwagen hatte sich noch nicht in Bewegung gesetzt, also mussten sie sich noch vor seiner Firma befinden. Er richtete sich abrupt auf und blickte dem erstaunten Pfleger ins Gesicht. Dieser überhäufte ihn eindringlich mit Worten. Doch er hörte nicht was er sagte, er wollte nur raus aus dem Wagen und fortlaufen. Innerhalb eines kurzen Augenblicks hatte er die Hecktüre geöffnet und sprang aus dem Auto. Er fühlte noch wie der Pfleger versuchte ihm am Hemd fest zu halten, es ihm aber durch die Finger glitt. Um sich herum nahm er weder die gaffenden Leute wahr, noch dass er sich am Seitenstreifen der Hauptstraße befand.
Er hörte nicht wie eine Frau schrie um ihn zu warnen, und er sah den Lastwagen nicht der direkt auf ihn zufuhr, als er auf die viel befahrene Straße sprang. Er wusste in jenem Augenblick nur, dass er ausgebrochen war, raus aus seinen Albträumen, weit weg von seinen Gedanken. All seine Sorgen und Ängste hatte er in dem Krankenwagen gelassen.
Ein Gefühl der Liebe, des Glücks, und der ewigen Ruhe war in ihm. Weihnachten, der Heilige Abend hatte ihm für einen Bruchteil seines Lebens all dies gegeben, wofür es stand.



Eingereicht am 24. März 2005.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

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