www.online-roman.de       www.ronald-henss-verlag.de
Weihnachten Weihnachtsgeschichte Weihnachtsgeschichten Kurzgeschichte Weihnacht Advent

Die Suche nach dem Jesuskind

© Claudia Feltkamp


Es war am Morgen der Heiligen Nacht und die Zweige der Tannen bogen sich unter dem Schnee, der sich auf ihnen ablud, leicht zu Boden. Seit einigen Tagen war es fast ununterbrochen am schneien und es war auch etwas kälter geworden. Die kleine Stadt, die von niedrigen und hohen Bergen umgeben war, viel besonders schön dadurch auf, dass die unzähligen Straßenlaternen an den Wegen mit Lichterketten behangen waren. Es sah so aus, als ob die Lichterketten die Laternen, wie eine Art Spinnennetz miteinander zu verbinden versuchten. Auf dem kleinen Marktplatz gab es einen Stall, indem sich Maria und Josef mit dem Ochsen und dem Esel befanden. Natürlich waren es keine echten Personen, sondern nur Puppen. Über dem Stall erstrahlte ein wunderschöner Stern in seiner vollen Pracht. Die drei Weisen standen vor dem Stall und brachten Geschenke mit und einige Hirten waren mit ihren Schafen gekommen, um das Weihnachtswunder zu sehen. Die kleine Joyce, gerade erst 7 Jahre alt geworden, stand mit ihrer Mutter vor diesem Stall und bestaunte mit weit geöffneten Augen, was sich vor ihnen alles darbot. Die Bäume, die den Marktplatz umgaben, waren mit besonders schönen bunten Lichterketten behangen. Es gab sogar Lampen, die kleine Sterne waren und, wenn man ein kleines Kind war, das von unten nach oben in die Bäume schaute, wie der schönste Sternenhimmel aussah, den es sich vorstellen konnte. Aus einigen Lautsprechern, die rechts und links neben dem Stall aufgestellt waren, ertönte leise Weihnachtsmusik, die das gesamte Weihnachtsbild zusätzlich noch unterstützten. Auf einmal blickte Joyce in die Krippe, die zwischen Maria und Josef stand und bekam einen großen Schreck, als sie darin kein Jesuskind vorfinden konnte. Ganz aufgeregt zupfte sie ihrer Mutter am Mantelärmel und deutete auf die leere Krippe hin: "Mami, sieh doch nur, dass Jesuskind ist nicht da!" Ihre Mutter nahm sie an die Hand und sagte ganz ruhig: "Mach dir keine Sorgen Joyce, es wird zur richtigen Zeit da sein." Daraufhin versuchte sie Joyce von dem Stall weg und zu den bunten Buden hinzuführen. Joyce wollte sich mit der Antwort ihrer Mutter nicht zufrieden geben und versuchte weiterhin darauf aufmerksam zu machen, dass das Jesuskind nicht da war, wo es sein sollte. Ihre Mutter ging nicht weiter darauf ein und zeigte ihr stattdessen die vielen schönen Kleinigkeiten, die man an den nahestehenden Buden erwerben konnte. Joyce interessierte das weniger, da sie sich um das verschwundene Jesuskind sorgte. Und deshalb beschloss sie, dass sie es später suchen würde.
Nachdem sie wieder zu Hause waren und zu Mittag gegessen hatten, verabschiedete sich Joyce Mutter von ihr, da sie noch Besorgungen machen musste und übergab Joni die Verantwortung auf Joyce aufzupassen. Joni war ein 19-jähriges Mädchen aus der Nachbarschaft, das öfter auf Joyce aufpasste, wenn ihre Eltern einmal nicht da waren. Joni war immer sehr zuverlässig und die Eltern konnten ihr vertrauen. Doch an diesem Tag, als sie alleine im Haus waren, weckte etwas Jonis Aufmerksamkeit so stark, dass sie nicht bemerkte, wie Joyce ihren Mantel nahm, sich die Mütze und die Handschuhe überzog und leise das Haus verließ. Sie kannte den Weg zu dem Marktplatz sehr gut und als sie dort angekommen war und in die Krippe blickte, war das Jesuskind immer noch nicht da. Sie beschloss, dass sie es suchen musste und überlegte, wo sie denn mit der Suche beginnen konnte.
Plötzlich fiel ihr Blick auf die Polizeistation, die einige Meter vom Marktplatz entfernt lag und sie sagte sich, dass man zur Polizei geht wenn man jemanden vermisst. Also machte sie sich auf den Weg, durch die Menschenmenge und hinüber zur Polizeistation. Sie stieg die Stufen empor und öffnete die Tür. Als erstes erblickte sie einen großen Weihnachtsbaum in der kleinen Empfangshalle, der mit bunten Kugeln behangen war. Während sie sich noch den schönen Baum anschaute, fragte plötzlich ein Mann hinter ihr, was sie denn hier machen würde? Joyce drehte sich um und sah den Mann an, der hinter einer Art Schalter stand. Sie ging auf ihn zu und sagte: "Ich suche das Jesuskind, weil es nicht in seiner Krippe liegt. Wissen sie wo es ist und helfen mir es zu finden, um es wieder zu seinen Eltern zurück zu bringen?" Der Polizist lachte leise und antwortete ihr daraufhin: "Es gibt keinen Jesus." "Natürlich gibt es Jesus", entgegnete Joyce. Doch der Polizist wehrte mit seiner Hand ab und schüttelte den Kopf und sagte: "Die Menschen haben sich diese schöne Geschichte für Weihnachten nur ausgedacht. Es gibt keinen Jesus, der am Weihnachtsabend in einem Stall geboren wurde und später allen Menschen half und Wunder vollbrachte. Niemand schafft es allen Menschen zu helfen und irgendwelche Wunder zu vollbringen." Joyce entgegnete ihm: "Aber gerade erst heute morgen habe ich ein Wunder gesehen. Denn die Sonne ist aufgegangen und hat langsam die Schneeglöckchen aus ihrem Schlaf geweckt. Ich habe gesehen, wie sie ihre Köpfe der Sonne entgegen gestreckt haben. Die Vögel haben angefangen zu singen und die Welt sah wunderschön aus. Dann hat meine Mama mir geholfen ein leckeres Frühstück fertig zu machen und das Geschenk für meinen Papa einzupacken. Das sind alles Wunder. Doch vielleicht sehen sie die nicht, weil sie immer in diesem Haus sind und keine Zeit haben, nach draußen zu gehen." Der Mann deutete auf die Tür und sagte, sie solle jetzt gehen und ihn in Ruhe lassen. Danach drehte er sich einfach um und verschwand in einem Raum.
Joyce begab sich zur Tür und verließ die Polizeistation wieder, in der man ihr nicht geholfen hatte das Jesuskind zu finden und sogar noch behauptet wurde, dass es Jesus gar nicht geben würde. Sie stand auf den Stufen und überlegte, was sie jetzt machen könne. Auf einmal wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als eine Frau mit vielen Tüten in den Händen sie fragte, warum sie denn so ganz alleine da stehen würde? Joyce entgegnete ihr: "Ich suche das Jesuskind, weil es nicht in seiner Krippe liegt." Die Frau schüttelte den Kopf und sagte: "Es gibt keinen Jesus. Vor sehr vielen Jahren wurde mal ein Kind namens Jesus geboren und er war Pastor und hatte in seinem Leben viel gepredigt. Doch schließlich gab es da einen bösen König, der Jesus verhaften und später töten ließ." Joyce fragte die Frau: "Warum hat der König das denn getan?" Die Frau antwortete: "Dem König gefiel es nicht, dass es einen Menschen gab, der mehr Einfluss auf die Menschen hatte als er. Der König wollte der klügste und erfolgreichste Mann auf der Welt sein und darum hat er Jesus töten lassen. Aus diesem Grund gibt es heute keinen Jesus mehr." Sie sah Joyce an und sagte: "Mach dich auf den Weg zu deinen Eltern, denn bald wird es die Bescherung geben." Die Frau wandte sich von ihr ab und begab sich wieder auf den Weg zu ihrem Haus.
Joyce konnte nicht verstehen, dass es Menschen gab, die nicht glauben wollten dass es Jesus gab. Anscheinend war sie auch die Einzige, die ihn vermisste und suchen wollte. Sie stieg die Treppen hinunter und entschloss sich, dass sie die Straße ein wenig entlang gehen könne. Vielleicht kam ihr noch eine Idee, wo sie das Jesuskind suchen konnte. Etwas niedergeschlagen stapfte sie durch den Schnee, als sie jemand fragte: "Warum siehst du denn so traurig aus?" Sie schaute zur Seite und entdeckte einen Bettler, der an einer Hauswand lehnte und sich die Hände an einem kleinen Feuer wärmte. Joyce sah ihn an und meinte: "Ich suche das Jesuskind, weil es nicht in der Krippe liegt, aber die Menschen sagen mir, dass es keinen Jesus gibt." Der alte Bettler lächelte sie an und sagte dann: "Die Menschen haben unrecht. Natürlich gibt es Jesus." Auf Joyces Gesicht stieg ein leichtes Lächeln auf. Doch sie war auch etwas verwirrt und als der Bettler ihren fragenden Blick sah, deutete er mit der Hand neben sich und sagte: "Setz dich zu mir und ich werde es die erklären." Joyce kam auf ihn zu und setzte sich dann neben ihn auf eine kleine Decke ans Feuer. Der Bettler begann zu erzählen: "Das Jesuskind liegt nicht in der Krippe, weil man es erst später, zu Beginn des Weihnachtsgottesdienstes, hineinlegen wird. Doch dieses Jesuskind ist nur eine Figur, die uns daran erinnern soll, was in der Weihnachtsnacht geschah. Den lebendigen Jesus kann man nur in seinem eigenen Herzen finden, der Natur und in anderen Menschen entdecken. Wenn man in seinem Herzen an Jesus glaubt und zu ihm spricht, dann spürt man seine Gegenwart und kann seine Hilfe im eigenen Leben erleben." Er zeigte auf die Menschenmenge, die sich auf dem Marktplatz schoben und sagte: "Die Menschen hetzen durch ihr Leben und vor allem an den Weihnachtstagen sind sie sehr beschäftigt. Dadurch haben sie keinen Blick mehr für die wesentlichen Dinge, die es um sie herum zu sehen gibt. Sie erkennen nicht, dass Jesus durch andere Menschen wirkt und ihnen durch ihre ermutigenden Worte oder praktische Hilfe, seine Liebe und Hilfe zeigt." Er deutete wieder auf die Menschen, die alle umherliefen und nach Geschenken für ihre Familie und Freunde suchten und sagte: "Sie denken, dass die Geschenke das Wichtigste sind. Doch in einigen Tagen beginnt der Alltag wieder, die Geschenke geraten in Vergessenheit und die Lichter werden wieder abgehängt. Auch dieses Jahr werden viele nicht das Wunder der Heiligen Nacht verstehen und erkennen, dass es um viel mehr geht, als um Geschenke und bunte Lichter am Tannenbaum." Er sah Joyce an und meinte: "Sieh mich an, ich lebe auf der Straße und habe nur diese eine Tasche bei mir, aber ich bin glücklich und zufrieden, weil ich Jesus in meinem Herzen trage, der mich mit seiner Liebe und seiner Freude erfüllt. Ich weiß, dass es für mich einmal etwas Schöneres geben wird als das hier und darauf freue ich mich. In mir lebt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Es gibt einige wenige Menschen, die das auch glauben und sie bringen mir jeden Tag etwas zu Essen und im Winter auch Kleidung und Decken. Sie kümmern sich um mich und ich muss mir um nichts Sorgen machen. Jesus ist immer bei mir und sorgt gut für mich." Joyce lächelte ihn an und sagte: "Ich wusste das es Jesus gibt und ich ihn finden werde. Er ist hier drin in meinem Herzen. Jetzt kann ich nach Hause gehen und es meiner Mutter erzählen und dann komme ich wieder zum Weihnachtsgottesdienst zurück und bringe dir ein Geschenk mit." Daraufhin stand sie auf und winkte dem Bettler zum Abschied zu. Der sah, wie sie die Straße hinunter lief, direkt nach Hause, wo sie in die Arme ihrer Mutter rannte, die sie gerade suchen gehen wollte. Sie berichtete ihr sofort, dass sie das Jesuskind gefunden hatte und sie jetzt zum Weihnachtsgottesdienst gehen müssen. Vorher holte sie allerdings noch einige Kleinigkeiten für den Bettler und packte sie in eine Weihnachtstüte. Sie ergriff die Hand ihrer Mutter und sie gingen zusammen auf den Marktplatz, auf dem der Weihnachtsgottesdienst schon begonnen hatte. Joyce drängelte sich bis vorne zum Stall hin durch und schaute in die Krippe. Ein besonderes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, denn das Jesuskind lag wieder in seiner Krippe.



Eingereicht am 11. September 2005.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

»»» Weitere Weihnachtsgeschichten «««
»»» Weitere Weihnachtsgeschichten «««

Weihnachts-Blogs
»»» Blog Weihnachtsgeschichten
»»» Blog Weihnachtsmarkt
»»» Blog Weihnachtsmuffel
»»» Blog Weihnachtsgedichte
»»» Blog Weihnachtsbuch
»»» Blog Wintergedichte
»»» Blog Wintergedichte
»»» Blog Weihnachtsgedichte 1
»»» Blog Weihnachtsgedichte 2

»»» Kurzgeschichten: Überblick, Gesamtverzeichnis «««
»»» HOME PAGE «««