Das Weihnachtskleid
© Regina Kaute
"Komm, steh jetzt auf, es ist bald Weihnachten und wir haben noch so viel zu tun", sagte die alte Dame und rüttelte den noch tief schlafenden Weihnachtsmann.
"Was aufstehen? Weihnachten? Ist denn schon wieder ein Jahr um?" Der Weihnachtsmann rekelte sich in seinen Kissen, gähnte in vollen Zügen, streckte sich und blinzelte die alte Frau an. "Schneit es denn schon und ist es richtig kalt da draußen?" fragte er. "Na ja, so richtig kalt ist es noch nicht, aber ich gehe nachher und werde mal tüchtig die Betten aufschütteln, dann schneit es auf der Erde und die Menschen wissen, das es nun nicht mehr so lange dauert, bis es Weihnachten ist."
"Na gut, Frau Holle, ich stehe ja schon auf." Langsam erhob er sich aus seinen Kissen und schlenderte in das Bad, um sich fit für die kommenden Anstrengungen zu machen. Danach ging er langsam auf den Schrank zu, denn ein richtiger Weihnachtsmann ist ja erst dann ein Weihnachtsmann, wenn er auch seinen roten Weihnachtsanzug an hat.
Der Schrank ging auf, der Weihnachtsmann griff hinein, schaute, aber was war das?
"Frau Holle, " rief er ganz erschrocken, strich sich aufgeregt mit seiner Hand über den langen weißen Bart. "Schau dir meinen Weihnachtsanzug an. Der ist ja ganz durchlöchert. Nein, so kann ich nicht zu den Kindern. Wie soll ich da Vorbild sein, alle werden über mich lachen."
Ganz geknickt setzte sich der traurige Weihnachtsmann auf den Stuhl und schaute die heraneilende Frau Holle mit fragenden Augen groß an.
Erschrocken hielt Frau Holle die Hand vor dem Mund. "Die Motten! Diese gefräßigen Biester, machen nicht einmal vor der Weihnachtsmanntracht halt."
"Was nun?" fragte der Weihnachtsmann. "Ohne meine Kleidung steige ich nicht in den Schlitten. "Hie, hie", krächste der Papagei von Frau Holle im Hintergrund. Wenn es kein Tier wäre, könnte man annehmen, das wäre Schadenfreude. Aber, wer weiß, im Himmel ist alles möglich.
"Ja, dann liegt es wohl auf der Hand, das ich einen Weihnachtsanzug brauche. Da du eine
erfahrene Frau bist, wirst du sicher wissen, wer uns kurzfristig helfen kann".
"Na ja", sagte Frau Holle, so einfach wird das nicht werden. "Wir brauchen neuen Stoff und den nicht zu wenig, denn deinen Bauch hast du während deines Schlafes nicht abgespeckt. Dann flinke und ordentliche Näher. Wir könnten auch die Hexe fragen, ob sie dir einen zaubert, aber zu der habe ich kein Vertrauen. Stell dir vor, du bist bei den Kindern und sie überlegt es sich anders, dann stehst du ohne nichts da. Da würdest du dich blamieren und die Kinder würden zweifeln, vielleicht lachen oder wären
enttäuscht von dir. Ich denke, wir werden die Goldmarie bitten, dir einen neuen Mantel zu nähen. Die ist fleißig. Wo sie bei mir war, hatte ich Zeit, mich ein bisschen auszuruhen. Leider wollte sie wieder auf die Erde zurück und hat dann dort ihr Glück gefunden. Jetzt hat sie auch Kinder, die auf dich warten. Nein, das ist keine gute Idee."
So grübelten sie hin und her, der Zeiger der großen Uhr tickte unaufhörlich, Tick, Tack, Tick, Tack. Der Papagei glotze die Beiden an, hob mal das eine, dann das andere Bein und fühlte sich auch sichtlich unwohl.
Auf einmal hob Frau Holle ihr Gesicht und strahlte. "Ich hab es. Wir fragen die Jungfrauen vom Sternbild Jungfrau, die kann mit den Ihren wunderbar nähen, wäre nur noch das Problem mit dem Stoff. Vielleicht der Nikolaus. Der ist ein vorausschauender Mann und hat immer irgendwelche Reserven. Ja, dann werde ich mal gleich losgehen, um alles zu besorgen", sprach´s und begab sich auf Organisation.
Voller Vertrauen zu Frau Holle nahm sich der Weihnachtsmann die vielen Briefe der Kinder vor, um deren Wünsche zu sortieren, entsprechend einzupacken und auf dem Schlitten zu verstauen. Die Renntiere waren gut genährt und voller Energie. Sie schienen sich zu freuen, endlich in Aktion treten zu können. Liebevoll blickten Sie den Weihnachtsmann an, der Sack für Sack auf den Schlitten hiefte. Alles lief reibungslos, ja, da blieb nur noch das Problem mit dem Weihnachtskleid. Würde Frau Holle Erfolg haben?
Der Nikolaus saß gerade gemütlich ein Pfeifchen rauchend in seinem Sessel, als es an der
Tür klopfte. Sein Hund, der es sich neben ihn bequem gemacht hatte, spitzte die Ohren,
setzte zum bellen an, war aber dann doch zu faul dazu. "Lauf und mach die Tür auf, Sir
Arnold", sagte er und stupste seinen Hund mit dem Fuß an. "Wirst mal nicht so faul sein!"
Langsam trabte Sir Arnold zur Tür und öffnete sie mit seiner Pfote. Freudig erregt wedelte er mit seinem Schwanz, als er Frau Holle erblickte. "Na, mein lieber Sir Arnold ! Hast das Tür aufmachen noch nicht verlernt." Den Hund über den Rücken streichelnd ging sie in die Stube und begrüßte den Nikolaus. "Na, da muss ja etwas Schlimmes passiert sein, wenn du hier im Winter vorbeischaust, wo doch eigentlich deine Betten geschüttelt werden müssen", sprach er, bat Frau Holle sich zu setzen und
blickte sie fragend an.
Sir Arnold schob sich zwischen die Beiden, in der Hoffnung, noch ein paar Streicheleinheiten zu erhaschen und legte sich hin. So erzählte Frau Holle das Geschehene in allen Einzelheiten.
"Mm…, mm…", überlegte der Nikolaus und erhob sich langsam von seinem Sessel. "Kommen Sie Frau Holle. Wollen doch mal sehen, was meine Geheimkammer so zu bieten hat."
Oh, vielleicht gibt es jetzt etwas zu fressen, dachte Sir Arnold, erhob sich und tappte hinter die Beiden her. Enttäuscht setzte er sich, als er die Beiden in die Geheimkammer verschwinden sah.
Viele schöne Dinge hatte der Nikolaus gesammelt und vor allen die vielen Süßigkeiten. Lecker und wunderschön verpackt warteten sie darauf, in geputzte Stiefel zu wandern, um Kinderherzen zu erfreuen. In einer Ecke lagen die Stoffe. Weiße, blaue, grüne, nur der Rote war nicht zu finden. " Na ja, könntest Du nicht auch den Blauen nehmen?" "Auf gar keinen Fall, aber hier der weiße, den könnte man rot färben. Wenn Du ihn entbehren kannst, lieber Nikolaus?" Der Nikolaus nahm gleich den Stoff aus
dem Regal und gab ihn Frau Holle. "Für glückliche Kinder mache ich doch alles", sagte er.
Frau Holle bedankte sich, verabschiedete sich, ohne natürlich nicht zu vergessen, Sir Arnold zu streicheln. Dann machte sie sich auf den Weg zum Sternbild der Jungfrau.
Die Jungfrauen waren entzückt, als Frau Holle zu ihnen kam und sie bat, die neue Weihnachtskleidung zu nähen. Endlich ist hier mal was los im Himmel, freuten sie sich und machten sich gleich an die Arbeit und ruck zuck war die schönste Weihnachtstracht genäht.
Frau Holle strahlte, die Jungfrauen kicherten, weil sie sich den Weihnachtsmann in der weißen Kleidung wie einen dicken Engel vorstellten. "Wartet ab", sagte Frau Holle. Das Rot nach dem Färben wird einmalig." In Gedanken ging sie schon ihre ganzen Rezepte durch.
Rosensaft, vermischt mit Kirschsaft,…ja, alles was rot war und dann als I-Tüpfelchen werde ich die Abendrotsonne fragen, ob sie etwas Abendrot entbehren kann.
Alles war vorbereitet, der Schlitten beladen mit wunderschönen Geschenken, nur der Weihnachtsmann wurde immer unruhiger. Die Christkinder waren auch schon da, halfen hier und da und natürlich übernahmen sie die Aufgabe und schüttelten die Betten von Frau Holle aus. Es sollte doch schön schneien auf der Erde, damit die Kufen des Schlittens auf den Schnee schnell dahin gleiten konnten.
Als Frau Holle kam, schauten alle erwartungsvoll auf das große Paket. "Oh, wie bin ich froh", lächelte der Weihnachtsmann. Doch als der noch weiße Mantel zum Vorschein kam, räusperte er sich und strich sich verlegen über den Bart. "Keine Angst Weihnachtsmann", dein Weihnachtskleid ist noch nicht fertig" und schon gab sie den Christkindern lachend Anweisungen, die Farben zu besorgen. "Und das zarte Weiß des Felles werden wir von den
Wolken erhalten. Das wird das schönste Weihnachtskleid, dass Du je besessen hast und damit nie wieder die Motten gefallen an deinem Mantel finden, werde ich einen weihnachtlichen Duftstoff integrieren."
Es wurde wirklich das schönste Weihnachtskleid, dass ihr euch vorstellen könnt und wenn der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten zu euch hinab kommt und vor euch mit seinen vielen Geschenken steht, dann könnt ihr diesen angenehmen weihnachtlichen Duft wahrnehmen, ein Duft nach Apfelsine, Zimt und Bratäpfeln.
Eingereicht am 05. März 2005.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.