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Die vier Heiligen Drei Könige

© Torsten Houben


Am 6. Januar, wenn das Jahr noch neu ist und die Welt immer noch dem Zauber der Weihnacht erlegen ist, machen sich freiwillige Kinder zu wohltätigem Zweck auf den Weg. In kleinen Gruppen ziehen sie - hübsch als Heilige Könige verkleidet - von Haus zu Haus, sagen Gedichte auf oder singen und sammeln Spenden für wohltätige Zwecke.
Es klingelte auch an meiner Haustür. Ich öffnete und sah vier Knaben. Das Gesicht des einen war schwarz geschminkt, wie es sich für einen Melchior gehört. Der zweite hatte sich einen grauen Spitzbart angeklebt und stellte sich als Balthasar vor. Caspar, der dritte König, sagte ebenfalls brav seinen Vers auf und die aus goldfarbener Folie gebastelte Krone blinkte in der Wintersonne. Der vierte Junge schwieg die ganze Zeit über. Ja es schien sogar, als ob er sich schäme. Dabei war sein Kostüm der schönste der kleinen Königsgesellschaft. Ich kannte zwar den Brauch, dass ein viertes Kind als Träger des Sterns von Bethlehem die Heiligen Drei Könige begleitete, doch dieser Junge trug ebenfalls das Gewand eines Königs und eine Krone. Sein angeklebter Schnurrbart war nach oben gezwirbelt und sorgte dafür, dass das sommersprossige Gesicht des Kindes wie das eines kleinen Hercule Poirot aussah.
"Welcher König bist du denn? Ich denke es gibt nur drei?", fragte ich den Schnauzbart.
Der Junge antwortete nicht und starrte weiter seine Schuhspitzen an.
"Der wollte nicht den Stern tragen und unbedingt auch König sein. Der stellt gar nix vor, weil es keinen vierten König gibt, aber das kapiert der nicht", plapperte Balthasar drauflos.
"Kleine Petze, was?", dachte ich, als der vierte König begann zu weinen.
"Na? Tränen am Dreikönigstag? Kommt mal rein ihr Vier. Habt ihr Lust auf einen heißen Kakao?"
Die Jungen stimmten zu und bald saßen die kleinen Majestäten auf meinem Sofa.
"Also?", fragte ich, nachdem vor jedem der vier Heiligen Drei Könige ein großer Becher heiße Schokolade stand. "Warum seid ihr vier Könige?"
Der vierte König - mittlerweile hatte er aufgehört zu schluchzen - begann: "Meine Mutter hat mir für diesen Tag extra dieses schöne Kostüm genäht. Ich war so stolz darauf und dann hat man mir nur die Rolle des Sternenträgers gegeben. Ich wollte aber viel lieber König sein."
"Und da bist du einfach als vierter König mitgegangen?"
"Nein", petzte Caspar. "Er war Sternträger. Ganz normal in Straßenkleidung und mit einem großen Alufolien-Stern auf einem Besenstiel."
"Ja, so ist Sebastian losgezogen, aber er hatte das Königskostüm in einer Tasche dabei und hat sich unterwegs umgezogen."
"Ja hinter einem Busch. Voll peinlich", bestätigte Melchior, der tatsächlich Jonas hieß, wie ich inzwischen erfahren hatte.
"Und der Stern?", fragte ich.
"Weggeworfen", gab Sebastian alias König Vier zu.
"Wie dumm. Wenn ich in meiner Kindheit die Chance bekommen hätte Sternträger zu sein, wäre ich sehr stolz gewesen. Das ist doch die wichtigste Aufgabe."
Ungläubig sahen die Kinder mich an.
"Na denkt doch mal nach, was wohl aus Caspar, Melchior und Balthasar ohne den Stern von Bethlehem geworden wäre. In einem fremden Land unterwegs. Auf der Suche nach einem ganz bestimmten Baby. Wie hätten sie das denn finden sollen?"
"Aber die waren doch weise die Heiligen Könige."
"Weise aus dem Morgenland", rief Sebastian, der aufzutauen schien.
"Natürlich waren sie das. Aber auch weise Menschen brauchen manchmal Hilfe. Da kam der Stern gerade recht. Sie folgten ihm und den Rest kennt ihr ja."
"Logo", sagte Melchior-Jonas.
"Schade", ließ Sebastian hören. "Jetzt ist mein Stern weg."
"Ja, wirklich schade. Vier Könige sind noch lange nicht so schön wie drei Könige und ein Stern. Aber ich glaube ich habe noch Goldfolie. Und einen Besenstiel."
Nun ich gebe zu, meine Bastelkünste halten sich sehr in Grenzen, doch ich wollte den Kindern helfen und so baute ich aus Folie, Pappe und Besenstiel einen neuen Stern von Bethlehem.
Sebastian hatte sich im Bad wieder seine Alltagskleidung angezogen und konnte es kaum mehr erwarten seine drei Kollegen zu führen. Stolz marschierte er voran und er war es auch, der an der nächsten Türe klingelte. Dabei drehte er sich noch einmal zu mir um und winkte fröhlich.
"So", dachte ich bei mir, "die Weihnachtsgeschichte wäre für dieses Jahr wieder zurechtgerückt." Vier Heilige Drei Könige? Nein, das ging nun wirklich nicht.



Eingereicht am 12. Dezember 2004.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

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