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Anna, Georg und das Christkind

© Alexandra Luff


Vor vielen, vielen Jahren lebten in einem kleinen Dorf zwei Geschwister mit ihren Eltern. Die Familie war arm, doch alle waren glücklich und zufrieden, da sie einander liebten. Der Name des Mädchens war Anna und ihr Bruder hieß Georg. Georg war etwas jünger als Anna, doch die Kinder liebten einander, als ob sie Zwillinge wären. Wollte man mit dem einen Kind wo hingehen, musste man auch das andere mitnehmen, sonst weinten die Kinder bitterlich, bis sie wieder beieinander waren.
Ihr Dorf war von einem großen dichten Wald umgeben.
Oft hatten die Eltern sie davor gewarnt in den Wald zu gehen, denn er war tief und leicht konnte man sich darin verlaufen. Anna und Georg hielten sich an die Weisungen ihrer Eltern, denn sie waren nicht nur äußerst liebenswerte Geschöpfe, sondern zudem auch noch sehr folgsam.
Die Weihnachtszeit kam heran und der Himmel ließ dicke Flocken fallen. Bald sah die Landschaft aus, als hätte man ein weißes Leintuch darüber gelegt. Die Mutter begann Plätzchen zu backen und bald roch das ganze Haus nach Zimt und Lebkuchen. Der Vater stellte am Weihnachtsmorgen einen Christbaum in der Guten Stube auf und Anna und Georg durften ihn schmücken. Sie nahmen ihre Aufgabe sehr ernst und gaben sich mit ihrer Arbeit nicht eher zufrieden, als bis auch der letzte Strohstern perfekt saß. Schließlich würde am Abend das Christkind kommen und vor diesem wollten sie sich nicht wegen eines schlecht geschmückten Baumes schämen müssen.
Die Kinder freuten sich sehr auf den Weihnachtsabend.
Doch am Nachmittag wurde der Vater plötzlich krank. Er legte sich in sein Bett und die Mutter kochte ihm einen Tee. Als sie ihm diesen jedoch bringen wollte, war der Vater bereits eingeschlafen.
Etwa eine Stunde später schlichen die Kinder ins Zimmer des geliebten Vaters, um nach ihm zu sehen. Er lag schweißgebadet und mit bleichem Gesicht auf seinem Kissen und ab und zu zuckte es in seinem Gesicht. Sein Atem war unregelmäßig und röchelnd. Mit einem Male begann er wirres Zeug zu stammeln. Die Kinder rannten erschrocken hinaus und schnell zur Mutter. Als diese ihren Mann so daliegen sah, begann sie zu weinen. Sie sank auf dem Stuhl neben ihm nieder, ergriff seine Hand und flüsterte leise und unter Tränen: "Bitte verlass und nicht!" Dann schluchzte sie laut los. Es mochten wohl einige Minuten vergangen sein, bis sie bemerkte, dass ihre Kinder hinter ihr im Raum standen.
Schnell wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, schickte die Kinder aus dem Zimmer und verbot ihnen das Zimmer wieder zu betreten. Dann ging die Mutter wieder zum Vater.
Unglücklich sah Anna Georg an: "Wird Papa sterben?"
"Er darf nicht sterben!", rief der Knabe verzweifelt und die Kinder fielen sich in die Arme und weinten bitterlich.
Plötzlich rief Anna: "Wir müssen Papa helfen! Wir müssen den Arzt holen!"
Anna wusste, dass nur der Arzt einen Kranken heilen konnte. Doch der einzige Arzt in der Umgebung wohnte im nächsten Dorf - hinter dem großen Wald.
"Aber Mama wird uns nicht alleine durch den Wald gehen lassen!", warf Georg mutlos ein.
"Dann werden wir es ihr nicht sagen!", bestimmte Anna.
Da Anna die Ältere war, gehorchte Georg.
Leise zogen sie sich ihre dünnen Jacken an und banden sich die Schals um den Hals, die ihre Mutter selbst gestrickt hatte. Die Mutter bemerkte nicht, dass die Kinder das Haus verließen. Es dämmerte bereits.
Die Kinder kämpften sich durch den hohen Schnee und erreichten bald den Wald. Hier war der Schnee nicht ganz so tief, aber dafür war es dunkler. Oft stolperten die Kinder über Wurzeln oder über heruntergefallene Äste. Sie hielten sich fest an ihren Händen. Bald war es so dunkel, dass sie kaum noch die Bäume um sich herum erkennen konnten, die zudem immer dichter wurden.
"Glaubst du, dass wir den richtigen Weg gehen? Ich habe das Gefühl, dass wir im Kreis laufen!", sagte Georg besorgt.
"Ich weiß es nicht", erwiderte Anna ängstlich.
Keiner wollte das aussprechen, was sie beide dachten: Sie hatten sich verlaufen. Ihre dünnen Jacken waren längst vom Schnee durchnässt und der beißend kalte Wind ließ sie erzittern. Verzweifelt versuchten sie einen Weg durch den dunklen Wald zu finden, doch sie mussten erkennen, dass es keine Hoffnung gab. Irgendwann sanken sie erschöpft auf den Boden und schliefen eng aneinandergeschmiegt ein.
Plötzlich wurden die Kinder von einer hellen, sanften Stimme geweckt: "Ihr müsst aufstehen! Ihr dürft jetzt nicht schlafen!" Verwundert standen Anna und Georg auf und rieben sich ungläubig die Augen. Vor ihnen stand ein kleines Kind mit goldenen Locken. Es strahlte sie mit seinen leuchtenden Augen an. Dieser Glanz schien das Kind ganz zu umgeben, denn nun konnten die Kinder den Wald um sich herum deutlich erkennen. "Eure Eltern machen sich große Sorgen um euch!", erzählte das strahlende Geschöpf mit seiner zarten Stimme. "Eurem Vater geht es wieder gut. In ein paar Tagen ist er wieder der Alte. Aber nun folgt mir!" Die leuchtende Gestalt drehte sich um und die Kinder folgten ihm sprachlos durch den Wald. Schon bald wurden die Bäume lichter und nach einiger Zeit erreichten sie den Waldesrand. "Ab hier findet ihr den Weg alleine. Fröhliche Weihnachten!"
Das strahlende Kind wollte sich gerade abwenden um zu gehen, als Anna ihre Sprache wiederfand: "Wer...wer bist du?", fragte sie stotternd.
"Ich?" Das strahlende Wesen sah sie lächelnd an: "Ich bin das Christkind!"
Verblüfft schauten sich Georg und Anna mit großen Augen an. Als sie sich wieder dem Christkind zuwenden wollten - war dieses verschwunden.
Schnell liefen die Kinder nach Hause, wo ihre Eltern sie überglücklich in die Arme schlossen.
Noch heute gibt es in diesem Wald einen Weg, den die Einheimischen "Christkindlesweg" nennen und noch heute hören die Kinder des Dorfes gespannt zu, wenn ihre Eltern ihnen von Anna, Georg und dem Christkind erzählen.



Eingereicht am 27. November 2004.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

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