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Himmlische Erfindungen

© Sabine Ludwigs


Vor einigen Jahren, es ist noch gar nicht so lange her, gab es noch keine Inlineskates, Gameboys, Wasserskier oder Snowboards. Und doch freuten sich die Kinder genauso sehr auf Weihnachten, wie es die Kinder heute tun. Sie schrieben auf ihre Wunschzettel:
Liebes Christkind,
ich bin immer brav gewesen und ich wünsche mir ein Paar Skier!
Oder eine Barbie, Schlittschuhe und manchmal auch einen Schlitten. Es gab viele tolle Spielsachen, da war für jeden das passende Geschenk dabei!
Noch eines war zu jener Zeit nicht anders als heute: Es dauerte immer so lange, bis der Weihnachtsabend endlich da war. Die Kinder warteten damals ebenso ungeduldig auf das Christkind wie in unseren Tagen auch. Aber alles Warten hat irgendwann einmal ein Ende.
Kaum hatte Petrus die Himmelspforte geöffnet, kamen auch schon die Engel herbei. Ihre Wangen waren gerötet vor Aufregung. Einige zogen große Schlitten hinter sich her, die voll beladen waren mit den schönsten Weihnachtspäckchen in allen Farben und Größen.
Der alte Petrus stellte sich vor die Engelsschar und rief: "Ihr Lieben, es ist wieder so weit: der Heilige Abend ist da. Ihr wart sehr fleißig und hattet alles zur rechten Zeit fertig. Ich bin mächtig stolz auf meine Engelchen! Nun aber hinunter mit euch, zu den Menschenkindern. Verteilt eure Gaben sorgfältig! Los geht's!"
So purzelten die Engelchen lachend durch das Himmelstor nach unten oder rodelten auf ihren Schlitten geschickt über die Wolken zur Erde.
Ein weihnachtlicher Wohlgeruch nach Plätzchen, Kerzen und Weihrauch lag in der Luft. Auch der Duft von Tannen breitete sich aus.
Die Kerzen an den Weihnachtsbäumen brannten, der Engelschor sang "Oh du Fröhliche ..." und Petrus ließ es schneien. Frieden erfüllte die Welt. Das Christkind schaute glücklich dem weihnachtlichen Treiben zu.
Die Kinder konnten vor Aufregung nicht stillsitzen. Sie standen vor den Weihnachtszimmern und lauschten auf das silberne Glöckchen, das mit seinem Läuten verkündete: Kommt herein. Das Christkind war da! Die Engel sputeten sich. Schnell flogen sie von Haus zu Haus und legten Geschenke unter die Weihnachtsbäume.
Endlich, als alle Kinder beschenkt und sämtliche Pakete abgeliefert waren, kehrten die Engel müde zurück in den Himmel. Von ihren Wolkenbetten aus sahen sie gerne noch eine Weile dem bunten Treiben auf der Erde zu. Wie schön die Kinder Weihnachtslieder sangen! Wie eifrig sie ihre Päckchen auspackten, und was für eine Freude überall herrschte!
Überall?
Da weinten doch zwei Kinder!
Petrus holte sein großes Fernrohr hervor und sah zu den beiden hinunter. Dann ging er, so schnell er konnte, in die Engel-Notfallzentrale.
Die Engel Ambriel und Muriel hatten Notdienst und sahen erstaunt auf, als Petrus hereingestürmt kam.
"Wir haben einen Notfall!", rief Petrus. "Zwei Jungen sitzen unter dem Christbaum und weinen. Und das am Heiligen Abend! Das ist eine Katastrophe."
"Was ist denn passiert?", fragte Ambriel verwundert.
"Ich weiß es nicht", antwortete Petrus aufgebracht. "Die Jungen sagen ja kein Wort, sondern weinen nur. Ich fürchte, einer von euch muss sich auf den Weg machen und nach dem Rechten sehen."
"Gut", sagte Muriel. "Ich werde fliegen. Gib mir die Adressen und es kann sofort losgehen."
Petrus gab ihm zwei große silberne Karten, auf denen stand, wo die Kinder wohnten. Ein Junge lebte in den verschneiten Bergen. Der andere in Florida in Amerika, wo die Leute bei herrlichstem Sonnenwetter Weihnachten feiern. Denn so ist das in Florida: dort scheint immer die Sonne.
Der Engel Muriel packte also die riesige Notfalltasche und flog zuerst nach Florida, zu Tom. Der Junge war nach draußen gegangen und saß vor dem Haus am Strand. Die Tränen strömen über sein Gesicht. Neben ihm lag ein langes Weihnachtspaket. Der Engel flog sacht zum dem Kind.
"Warum weinst du denn am Weihnachtsabend?", fragte Muriel freundlich.
Tom sah den Engel an und sagte: "Ach, lieber Engel, sieh nur, was das Christkind mir zu Weihnachten geschenkt hat. Bestimmt hat es meinen Wunschzettel nicht bekommen."
Der Engel Muriel warf einen Blick in das Paket und fand darin ein Paar schöner Skier.
"Gefallen sie dir nicht?", wollte der Engel verwundert wissen. "Sie sind doch ganz wunderbar!"
Tom zeigte auf den Strand, die Boote und das Wasser. "Sie sind wirklich schön, aber ich lebe am Meer! Hier bei uns schneit es nie, wann soll ich da Ski fahren? Ich hatte mir ein Surfbrett gewünscht. Da muss ein Irrtum passiert sein."
Muriel versteckte die Skistöcke hinter seinem Rücken. "Nein, das ist kein Irrtum, sondern eine neue Erfindung der Engel. Es sind ... Wasserskier", erklärte er nach kurzem Zögern.
"Wasserskier? Davon habe ich noch nie gehört." Tom wischte sich die Tränen ab und fragte neugierig: "Wie funktionieren sie denn?"
Der Engel kramte aus der riesigen Notfalltasche ein langes Seil hervor und verstaute die Skistöcke in der Tasche. "Ganz einfach. Komm mit zum Bootssteg", sagte Muriel. "Wir leihen uns eines der Motorboote aus." Er knotete das eine Ende des Seiles am hinteren Teil eines Bootes fest.
"Zieh die Skier an, drücke die Beine stramm durch und halte dich gut an dem Seil fest. Ich werde jetzt mit dem Boot losfahren und dich auf dem Wasser hinterher ziehen."
Tom sah den Engel Muriel zweifelnd an.
"Nun mach schon", drängte der Engel. "Du wirst sehen. Es ist einfach himmlisch. Jawohl!"
Gehorsam zog Tom die Skier an und nahm das andere Ende des Seiles fest in die Hände. Muriel startete das Boot, dann ging es los! Er zog den Jungen über das Wasser, der laut lachend auf seinen Wasserskiern stand. Der Engel hatte ganz recht! Es war so herrlich durch das Mondlicht über das Wasser zu sausen! Tom wollte gar nicht mehr aufhören!
Doch schließlich fuhr der Engel Muriel ans Ufer. Als sie an Land waren, nahm der Junge seine Skier samt Strick und bedankte sich bei dem Engel: "Danke! Das ist das schönste Weihnachtsgeschenk, das ich je bekommen habe. Gut, dass du mir gezeigt hast, wie man damit umgeht."
Der Engel lächelte nur und Tom rannte überglücklich zu seinen Eltern.
"So, das erste Problem ist gelöst", dachte Muriel. Dann flog er weiter, zum nächsten Notfall.
Der andere Junge, Andreas, wohnte in einem tief verschneiten Bergdorf.
Als der Engel endlich an seinem Haus ankam, stand der Junge schluchzend am Fenster.
Der Engel klopfte behutsam an die Scheibe. Erstaunt öffnete Andreas das Fenster. Muriel fragte freundlich "Warum weinst du am Heiligen Abend?"
"Das Christkind hat mich bestimmt nicht gern! Es hat mir ein ganz falsches Geschenk gebracht. Ich habe mir neue Skier gewünscht. Bekommen habe ich aber ein Surfbrett zum Wellenreiten. Dabei wohne ich in den Bergen, und nicht am Meer", antwortete Andreas niedergeschlagen.
Muriel sah erst das Surfbrett und dann den Jungen an.
"Hör auf zu weinen. Das ist kein Irrtum, sondern die neueste Erfindung aus der himmlischen Werkstatt. Sie heißt ... sie heißt Snowboard. Und jetzt komm heraus, damit ich dir zeigen kann, wie man damit umgeht."
Anstatt durch die Haustür zu gehen, kletterte Andreas eilig aus dem Fenster. Dann stellte sich der Engel auf das Wellenbrett und Hui! ging es die schneebedeckten Abhänge hinunter. Was machte es für einen Spaß, so über den Schnee zu flitzen! Schnell hatte Muriel herausgefunden, wie er das Brett mit den Beinen lenken konnte. Was für ein Vergnügen!
Schließlich gab er dem Jungen das Snowboard. Andreas hatte gut aufgepasst. Er glitt einen Abhang hinunter, fiel einmal hin, stand wieder auf und fuhr jauchzend weiter!
Zum Schluss holte Muriel ihn vom Schneehang, um ihn heimzuschicken. Andreas bedankte sich bei dem Engel: "Vielen Dank, lieber Engel. Das ist ein wunderbares Geschenk!"
Muriel nickte schmunzelnd: "Schon gut", sagte er. "Nun geh rein zu deinen Eltern und wärme dich auf."
Der Junge rannte selig ins Haus.
"So, Auftrag erledigt", flüsterte Muriel zufrieden vor sich hin. Der Engel griff sich die Notfalltasche, dann flog er direkt zurück in den Himmel.
Dort wartete Petrus schon auf ihn und das Christkind stand neben ihm!
"Was hast du dir dabei gedacht, du Schlingel? Wasserskier! Snowboard! Wer hat je solchen Unsinn gehört, Muriel! Alle Kinder werden die armen Jungen auslachen", schimpfte Petrus mit erhobenem Zeigefinger.
"Das glaube ich nicht", widersprach Muriel. "Ich schätze, wir werden nächstes Jahr eine Menge Wunschzettel bekommen, auf denen als sehnlichster Wunsch Wasserskier oder ein Snowboard stehen."
Der Petrus schüttelte skeptisch den Kopf, aber das Christkind musste lachen. "Komm einmal her, Muriel. Wieso denkst du das", wollte es wissen.
"Weil es riesigen Spaß macht, damit zu fahren! Es müssen noch ein paar kleine Verbesserungen vorgenommen werden, aber ich wette, wir werden von nun an jedes Jahr Wasserskier und Snowboards verschenken."
Und obwohl der alte Petrus das nicht glaubte, geschah es genauso, wie der Engel Muriel es vorhergesagt hatte.
Und so ist es bis zum heutigen Tag geblieben.
Was Muriel, der Erfinder der Wasserskier und Snowboards, sich wohl nächstes Jahr ausdenken wird?



Eingereicht am 19. November 2004.
Herzlichen Dank an den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

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