Der anonyme Weihnachtsbrief
© Elke Link
Draußen schneite es schon den ganzen Tag.
Und es war fast dunkel, als Amelie ihren Hund Alysha vor die Türe schickte.
Viel zu kalt war es, als dass Amelie es fertig gebracht hätte, mit nach draußen zu gehen. Viel lieber öffnete sie nur einen Spalt weit die schwere Haustüre, damit Alysha durchschlüpfen konnte.
"Komm schnell wieder", rief sie ihm zu.
Aber schon tat es ihr Leid, ihn alleine hinausgeschickt zu haben, wo er sich doch immer so freute, gemeinsam mit ihr im Neuschnee ein paar Kurven zu drehen. Sie beobachtete ihn, wie er noch mit anfänglicher Kraft und seiner Spürnase voraus, den Schnee aufwirbelte. Er lief ein paar Mal um den alten Apfelbaum herum, dessen Äste sich von der schweren Last des Schnees fast zum Boden neigten.
Dann sah sie ihn nicht mehr.
Amelie ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu holen.
Die alte Kaffeekanne stand schon seit dem Morgen auf dem Kamin, so dass der Kaffee noch immer warm war.
Mit der Tasse in der Hand stand Amelie vor der riesengroßen Terrassentür, die sie im Winter nicht mehr öffnen wollte. Amelie stellte dort alle großen Pflanzen hin, damit sie dort überwintern konnten.
Da war der große wuchtige Oleander, dessen Äste Amelie etwas gestutzt hatte.
Die Engelstrompete sah etwas bescheiden aus, weil im Winter nur der Stamm übrig blieb. Von zwei, drei Blumenkästen mit üppigen Geranien-Überresten konnte sie sich nicht trennen, so dass diese mit der Hoffnung auf Doch-Noch-Überleben auch hier ein Plätzchen gefunden hatten.
Wenn am Nachmittag die Spätsonne Licht auf das kleine Orangenbäumchen und die beiden Aloe-Pflanzen warf, konnte man glauben, irgendwo im Süden zu sein.
Dies war Amelies liebster Ort.