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Das kleine Haus.

Von Stefan Wichmann


Langsam fiel die Schneeflocke und traf den Mann, der da durch den dunklen Wald stapfte mitten in sein Gesicht. Er merkte es nicht einmal, denn er war in Eile. Die Geschenke für die Kinder müssen ausgeteilt werden, murmelte er leise vor sich hin und ausgerechnet heute bleibt mein Schlitten liegen.
Die Fußabdrücke des Mannes hinterließen tiefe Spuren, denn er hatte einen riesigen Sack geschultert. Die Nacht war dunkel und es war noch weit. Er stöhnte. Jetzt wäre er schon bei den ersten Kindern und könnte in die leuchtenden Augen schauen, mit den Kindern reden und Späße machen, oder sich einfach an den aufgeregten roten Ohren erfreuen, wenn die Kleinen die Geschenke auspackten. Er schüttelte den Kopf. Das war ihm noch nicht passiert. Mitten im Flug war ein Zügel entzwei gegangen, die Rentiere spürten den lockeren Zügel und taten was sie wollten! Das eine kratzte sich am Bauch, das andere quatschte mit dem Nebentier. Und das in voller Fahrt! Er hatte noch "Oooooohhhhhh" gerufen, doch dadurch blieb der Schlitten ja nicht oben! Sicher hatten die Rentiere die Landung perfekt gemeistert, jedoch nicht da, wo er gerne gelandet wäre! Rentiere lieben den Wald und mögen nicht die hell erleuchtete Stadt mit den qualmigen Schornsteinen, den lauten Autos und vor allem der lauten Musik, die anheimelnde Stimmung verbreiten soll. Durch die ungünstige Landebahn war nun eine Kufe so locker, dass er unmöglich weiterfahren konnte! Den Zügel hatte er schon neu verknotet, was ihm fehlte war ein guter Nagel. Er blieb stehen. Ja. Anheimelnd war es hier, da hatten die Rentiere eigentlich recht gehabt. Der Mond schien, die Schneeflocken fielen, es herrschte eine Ruhe ohnegleichen. Keine Musik, kein Stimmungsmacher, der irgend etwas erzählt. Ja nicht einmal das leiseste menschliche Geräusch war zu hören.
Der Weihnachtsmann setzte sich in den Schnee. Dann stellte er den Sack neben sich, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf uns legte sich einfach hin. Hier war kein Haus in der Nähe, bei dem er um Hilfe bitten könnte. Was konnte er besseres tun, als noch einmal zu überlegen, wie er am schnellsten zu den Kindern kommt?
Langsam kam er ins Rutschen. Er stemmte seine Stiefel in den Schnee, doch da war nur Eis! Er stützte sich auf die Ellenbogen, drehte sich auf seinen dicken Bauch und griff nach dem schweren Sack. Der würde ihm Halt geben! Leider war dies ein Trugschluss, denn der Weihnachtsmann war bei weitem schwerer als der Sack und so riss sein Gewicht den Sack einfach mit. Er schlitterte den Berg hinab, sah sich ab und zu nach unten um und hielt krampfhaft den Sack fest. Es machte eigentlich Spaß, doch wusste er nicht so recht, wohin ihn dieser Weg führen würde. Die Schlitterpartie dauerte auch gar nicht so lang.
Hinter einer seichten Kurve wurde der Weg holperig und er ließ den Sack los, um sich auf seinen Hosenboden zu drehen. Da sah er es! Ein kleines Haus! Schneebedeckt, mit hell erleuchteten Fenstern und qualmendem Schornstein. Ein wunderbarer Anblick! Während er in einer Schneewehe stoppte, kegelte der Sack direkt auf das Haus zu und blieb an dem Gartenzaun hängen. Durch die Wucht purzelten zwei Geschenke aus dem Sack und schlugen gegen die Tür.
Der Weihnachtsmann hatte sich gerade abgestaubt, da riss ein Junge die Tür auf, hopste vor Freude in die Luft und rief: "Ich hab es doch gewusst! Seht ihr? Der Weihnachtsmann kennt auch dieses Haus!"
Die Eltern schauten verblüfft auf den Mann, der vor Ihnen stand. Rote Kapuze, weißer Bart, Sack über der Schulter. Ein Weihnachtsmann! Der Junge hatte die beiden Geschenke schon aufgehoben und lief in das Wohnzimmer.
"Woher haben Sie gewusst, wo wir wohnen?", fragte der Vater. "Das Haus stand viele Jahre her, oder sind Sie etwa all die Jahre hier vorbei gekommen?"
Doch der Weihnachtsmann zeigte auf den Jungen und wurde erst einmal in das Zimmer gebeten. Und während sich der Junge über die Geschenke freute und darüber, das seine innere Stimme recht gehabt hatte, heute Abend den Weihnachtsmann zu sehen, erzählte der Weihnachtsmann seine Geschichte. So stiegen beide Männer kurze Zeit später zu dem Schlitten hinauf und reparierten die Kufe. Und als der Weihnachtsmann losfuhr, um auch die anderen Kinder zu besuchen, da wusste er, das dies wieder ein schöner Weihnachtsabend ist mit Menschen, die sich freuen, die lachen und die helfen.


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