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Last Minute

Von Katja Krächan


,Es war ein trüber, verregneter Tag. Riesige Pfützen hatten sich auf der unebenen Straße gebildet und der im Wetterbericht angekündigte kurze Schauer dauerte nun schon seit Stunden an. Nicht einmal Tom, der Gärtner von gegenüber, der üblicherweise bei jeder Witterung draußen anzutreffen war, wagte sich heute auf die Straße...' Höhnisch grinsend stellte Jonas das Buch zurück ins Regal des Kaufhauses. Blöder Anfang für ein Buch, wie er fand. Noch vor einer Woche hätte er sich über die treffende Beschreibung der aktuellen Wetterverhältnisse amüsiert, aber seit zwei Tagen herrschte eine klirrende Kälte, die jeden Regentropfen sofort in Eis verwandelt hätte.
Das war auch der Grund, warum er heute, nicht wie üblich auf dem Parkplatz, sondern hier im Laden auf Herrn Storkes Ankunft wartete.
Schon seit Wochen beobachtete er den alten Mann, der täglich hier auftauchte. Ein verrückter alter Kauz; vermutlich traute er nicht einmal sich selbst über den Weg. Das störte Jonas aber ganz und gar nicht. Schon gar nicht heute, am 23. Dezember. Einen Tag vor Weihnachten, Heilig Abend oder wie auch immer man das nennen wollte.
Ein knapper Blick auf die Uhr bestätigte seinem Zeitgefühl, dass es noch gut eine halbe Stunde dauern konnte, bis Storkes endlich hier auftauchte. Er beschloss, sich so lange auf eine Bank vor die Kassen zu setzen und dort zu warten. Storkes würde daran vorbei gehen müssen, wenn er den Laden betrat. Blieb nur zu hoffen, dass das weihnachtliche Gedränge nicht noch schlimmer werden würde.
Jonas' Blick schweifte durch die gläserne Schiebetür auf den Parkplatz. Der Boden sah zwar trocken, aber ungewöhnlich hell aus und wies hier und da, wo sich kleine Risse fanden, weiße Ränder auf. Der junge Mann mochte diese kalte Jahreszeit nicht. Er war eben ein Wärme liebender Mensch.
Das erinnerte ihn unmittelbar an das Weihnachtsfest 1994. Damals war er gerade 14 gewesen und es war das letzte wirklich reizvolle Weihnachten für ihn gewesen. Obwohl... nein. Mit genau jenem Fest hatte Weihnachten eigentlich seinen Reiz verloren.
Wie gestern erinnerte er sich daran: Seine Eltern stritten sich. Die Mutter war gerade mit dem Aufräumen fertig geworden, als sie meinte: "So, ich gehe jetzt noch duschen. Danach gibt es gleich Essen und dann können wir bescheren. Verpackst du dann schon mal die restlichen Geschenke?"
Sein Vater war wenig begeistert gewesen, aber er hatte sich ans Verpacken gemacht.
Es hatte keine fünf Minuten gedauert, bis ein entsetztes Quieken aus dem Bad gedrungen war, gefolgt von einem Ruf nach dem Vater.
Das Wasser war eiskalt gewesen und hatte sich einfach nicht aufwärmen wollen. Was für ein Ärger! Ausgerechnet jetzt war das Heizöl aufgebraucht...
Und das wäre noch gar nicht so schlimm gewesen, wäre nicht beim Abendessen, seinem Vater das Missgeschick passiert, den Braten fallen zu lassen. Quasi als Weihnachtsgeschenk für den Hund, dem das Fleisch geradezu in die Pfoten gefallen war. Die Soße dazu hatte einen riesigen dunklen Fleck auf dem beigen Teppich hinterlassen, den man heute noch sieht!
Durch diese Pechsträhne war das Fest der Liebe schnell in ein Fest des Streits umgeschlagen. Verraucht war der Familienstolz, der auf dem Zufall beruhte, dass nicht nur Jonas Mutter Maria und sein Vater Josef hieß, sondern auch darauf, dass er, Jonas, ausgerechnet am 24. Dezember Geburtstag hatte. Sein besonderer Tag war einfach ein ganz normaler Tag geworden, wie jeder andere zerstrittene Tag auch.
Vergeblich hatte er auf den mahnenden Spruch der Mutter gewartet, der ihn an all den anderen Tagen im Jahr nervte, weil er ihm den Eindruck vermittelt, ein kleiner Junge zu sein und noch keine 14: "Josef, der Junge..."
Heute nicht.
Herrn Storkes silbergrauer blank polierter Stolz, der im Vorbeifahren die eisige Wintersonne reflektierte, zog nun Jonas Aufmerksamkeit auf sich. "Jetzt schon?", schoss es Jonas durch den Kopf. Das änderte seinen ganzen Plan. Ein neuerlicher Blick auf die Uhr, ließ ihn erkennen, dass sie oder zumindest ihre Batterie, wohl den Geist aufgegeben hatte.
Er wollte warten, bis der alte Mann in den Menschenmengen des Einkaufscenters verschwunden war, dann konnte es los gehen. Sicher würde Storkes heute auch nicht nur die üblichen Kleinigkeiten an Lebensmitteln einkaufen. Das ein oder andere Geschenk würde wahrscheinlich auch noch dabei sein, so dass er länger beschäftigt wäre.
Es dauerte nicht lange, bis Storkes durch den Haupteingang gewatschelt kam. Tatsächlich war der Gang des älteren Mannes dem einer Ente erstaunlich ähnlich.
Als Jonas sicher war, dass Storkes lange beschäftigt sein würde, machte er sich auf den Weg.
Storkes Anwesen lag 15 Kilometer entfernt und damit ein gutes Stück außerhalb der Stadt. Eine einsame Villa abseits des letzten Vorort-Hauses. Denn der Alte war nicht nur misstrauisch, sondern zog auch die Abgeschiedenheit der Geselligkeit unter Nachbarn vor.
Tatsächlich fand man das Häuschen nur, wenn man überhaupt wusste, dass es existierte oder wo es eben war.
Und Jonas wusste es eben. Trotz der Abgeschiedenheit parkte er seinen alten Escort Kombi nicht direkt am Tor, sondern gute 200 Meter weiter am Waldeingang. Sollte tatsächlich jemand das Auto sehen, würde er es für das eines Spaziergängers halten.
Jonas' Augen streiften einmal komplett durch den Wagen. Ja - er hatte an alles gedacht. Ein gepackter Koffer mit leichter Sommerkleidung wartete bereits in einem Schließfach am Bahnhof darauf abgeholt zu werden und auf dem Rücksitz lag eine Reisetasche, in die er das Geld umfüllen würde, sobald er genug Strecke zwischen sich und das Anwesen gebracht hätte... Dafür musste er es aber erst einmal haben. Ein siegessicheres Lächeln huschte über sein Gesicht.
Storkes, ehemaliger erfolgreicher Bauunternehmer, Millionen schwer... aber alt und misstrauisch. Niemals, NIEMALS hätte er sein Geld einer Bank anvertraut. Nicht aus Geiz, sondern aus Angst die Kontrolle darüber zu verlieren. Es war sein Geld und niemand sonst hatte Hand daran zu legen. "Dumm", murmelte Jonas in Gedanken in seinen nicht vorhandenen Bart und öffnete das Handschuhfach, um einen Teil seiner Ausrüstung herauszunehmen. Eine Dose Fettcreme und eine Tüte mit Salmiak getränkten Lappen darin.
Dann ging er los. Unterwegs zog er bereits die Faschingsmaske aus der Manteltasche. Storkes Anwesen wurde von etlichen Kameras überwacht. Zwar wusste Jonas, wie er diese abschalten konnte, dafür musste er aber erst mal rein kommen. Das Schwierigste würden erst einmal die abgerichteten Dobermänner werden. Drei waren es - und wie er es erwartet hatte, standen sie bereits knurrend und Zähne fletschend am Tor.
"Hier!", knurrte Jonas die Tiere an und hielt ihnen die stinkenden Tücher entgegen. Sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Salmiak roch schon für Menschen unangenehm, aber für die empfindlichen Hundenasen war dieser Geruch so intensiv, dass die Dobermänner mit eingezogenen Schwänzen davon jagten. "Mistviecher!", grinste Jonas dem beseitigten Hindernis nach. Er hatte die Wirkung nicht so gut eingeschätzt, obwohl sein Vater, der von Berufswegen viel mit Salmiak hantiert hatte, ihm oft genug erzählt hatte, dass er auf diese Weise schon so manchen Hund in die Flucht geschlagen hatte.
Für alle Fälle verstaute er die Lappen in der linken Manteltasche und tätschelte kurz den Reisepass in der rechten. "Bald!", dachte er sich. "Bald bekommst du deinen Stempel und dann geht's in die Sonne." Der Gedanke daran erfüllte ihn mit Freude.
Mit einem leisen Grummeln schob er seine Urlaubspläne energisch beiseite. NOCH hatte er nicht einen Cent in den Fingern und diese Angelegenheit erforderte nun seine ganze Konzentration.
Ungelenk kletterte er über das große Eisentor, das die Einfahrt versperrte und landete sicher auf beiden Beinen auf der anderen Seite.
Von den Hunden war keine Spur mehr zu sehen. Trotzdem sah Jonas sich durch die winzigen Sichtschlitze seiner Maske misstrauisch um, während er seine Handschuhe auszog und in die Manteltasche steckte. Er wählte einen kleinen Umweg über die Auffahrt zur Garage und von hier zur Hintertür, wo er ohne Umschweife seine Werkzeugtasche fallen ließ. Bevor er am Schloss herum hantierte, cremte er sich die Hände sorgfältig mit der mitgebrachten Fettcreme ein, die garantierte, dass er keine brauchbaren Fingerabdrücke hinterlassen würde. Die Tür stellte sich als widerspenstiger heraus, als er vermutet hatte. Dafür war sie aber immer noch relativ schnell geknackt. Jonas schüttelte den Kopf. Wie konnte ein Mann nur so misstrauisch sein und sein ganzes Geld für einen Einbrecher so leicht zugänglich deponieren?
Nun gut - noch war er nicht am Tresor, aber in Anbetracht dessen, dass er bisher nicht mehr als zehn Minuten gebraucht hatte, ins Haus zu kommen, war er optimistisch.
Er stieß die Tür sanft auf und sah sich in einem schlichten Vorzimmer. Hell marmorierte Fliesen passten zum beigen Rauputz an der Wand. Zur Rechten war eine kleine Kommode, mit einem kleinen Schälchen für Schlüssel darauf und einer Briefablage. Darüber hing ein großer Spiegel, in dem man die auf der anderen Seite liegende Garderobe sehen konnte, an der ein schwarzer Mantel und eine braune Jacke hingen. Auf beiden Seiten führten jeweils hinter der Kommode und der Garderobe Türen in benachbarte Zimmer, geradeaus befanden sich Treppen zum Keller und ins oberste Geschoss.
Direkt neben dem Spiegel befand sich das Panel für die Überwachungskameras. Zwei Tastendrücke und sie waren ausgeschaltet. Erleichtert nahm Jonas die Maske ab, unter der er allmählich schon keine Luft mehr bekommen hatte.
Er warf nur einen kurzen Blick in die Nebenräume - die leere Küche und das ebenso verwaiste Esszimmer. Auf dem Tisch stand bereits ein Teller und Besteck bereit. In einer Ecke neben einem gemütlich aussehenden Sessel stand ein kleiner künstlicher Weihnachtsbaum, welcher sicher keine 50 Zentimeter maß.
Ein ironisches Lächeln umspielte seine Lippen, als er beim Anblick des Tellers und des Baumes unwillkürlich an das vergangene Weihnachtsfest zu Hause denken musste.
Nachdem er sich zwei Jahre lang um die Weihnachtsstreitereien hatte drücken können, war es ihm im vergangenen Jahr nicht mehr gelungen. Immerhin hatte er sich durchsetzen können, was das Essen betraf und seine Eltern hatten eingewilligt, dass es ein Fondue geben sollte.
Hätte er damals gewusst, was für ein Spektakel das wieder geben würde, hätte er vermutlich eher für eine Pizza plädiert, bei der man nichts falsch machen konnte.
Aber wie er seitdem wusste, konnte auch bei einem Fondue einiges schief gehen. Z. B. hatte sein Vater den Spiritus über den gesamten Tisch verteilt. Und obwohl er das bemerkt hatte, hatte er es nicht weggewischt, sondern einfach das Stövchen unter dem Fondue-Topf angezündet. Nur durch Jonas geistesgegenwärtige Reaktion, war das Schlimmste verhindert worden und der Tisch nicht in Flammen aufgegangen. Dennoch hatte es einen höchst unweihnachtlichen Streit gegeben. Besonders als dann die Mutter sich über den seltsamen Geschmack ihres Essens beklagte, der schließlich auch dazu führte, dass sie ins Krankenhaus musste. Sie hielt ihrem Mann noch heute bei jeder Mahlzeit vor, dass es schließlich seine Schuld gewesen sei, dass sie den Spiritus auch auf ihrem Teller gehabt hatte und dass er sie vermutlich hatte vergiften wollen.
So was würde Herrn Storkes sicher nicht passieren. Der feierte Weihnachten vermutlich alleine und ein Ein-Mann-Fondue war ihm sicher zu aufwändig. Außerdem war er, wie Jonas fand, nicht der Fondue-Typ.
Mit diesem Gedanken hatte er auch schon das Schlafzimmer im oberen Stock erreicht. Er war erstaunt, dass dieser Raum ebenso einfach eingerichtet war, wie die anderen, die er bisher entdeckt hatte. Außerdem schien das Haus von außen wesentlich imposanter als von innen und auch um einiges größer.
Systematisch untersuchte er die Bilder, um einen dahinter versteckten Tresor zu finden. Das war allerdings eine Fehlanzeige. Auch in den anderen Räumen hier oben, dem Badezimmer oder dem Arbeitszimmer war nichts zu finden. Ebenso wenig unten im Ess- oder dem Vorzimmer.
Dann musste wohl etwas im Keller sein. Dieser erwies sich als wesentlich größer, als vermutet, da er nicht nur einen großen Vorratsraum hatte, sondern auch einen Hobbyraum mit mehreren Werkbänken und er führte eine weitere Treppe hinauf, die ihn in den anderen Teil des Hauses führte, der offensichtlich der publikumswirksamere war. Hier befand sich eine Bibliothek und ein riesiger Speisesaal, in dem gut und gerne 100 Leute Platz fanden. Hier war auch der Haupteingang, den er bei seinem ,Einstieg' bewusst gemieden hatte.
Trotzdem - ein Tresor war nirgends zu finden.
Er musste etwas übersehen haben. Grübelnd machte er sich zurück in den separierten Wohnteil des Hauses und schlenderte, mit den Augen alle Wände genauestens abtastend, wieder in das oberste Stockwerk. Sein Instinkt sagte ihm, dass sich hier im Schlafzimmer irgendwo das Geld befinden musste und der hatte ihn noch nie im Stich gelassen.
Wenn nicht hinter den Bildern, dann woanders. Nach einer guten Weile widmete er sich schließlich dem Schrank und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Der Raum wirkte kleiner, als man von außen vermutete. Und der Grund dafür war der, dass sich hinter dem Schrank noch ein weiterer kleiner Raum befand. Zwischen säuberlich aufgehängten Hosen und Hemden hindurch, betrat er einen engen dunklen Raum. Er musste erst die Wände entlang tasten, bis er einen Lichtschalter fand.
Ja, hier war er goldrichtig! Oder viel mehr - geldrichtig!
Für den Tresor brauchte er nicht lange. Innerhalb von fünf Minuten hatte er die Tür geöffnet und vor ihm lagen bündelweise Geldscheine. Bis auf ein Bündel räumte er alles in die mitgebrachte Tasche, löschte das Licht in der kleinen Kammer und trat den Rückzug an.
Bevor er das Haus verließ warf er noch einen letzten Blick zurück. Dann öffnete er die Tür und trat hinaus. Für einen Augenblick blieb er stehen wie angewurzelt. Das konnte ja wohl nicht wahr sein! Es hatte offensichtlich zu schneien begonnen und die gesamte Auffahrt war bereits völlig weiß. Unten am Tor rannten die Hunde auf und ab und kamen schließlich Richtung Haustür gerannt, als sie bemerkten, dass sich hier jemand befand. Doch sobald sie Jonas eindeutig erkannt hatten, machten sie sich auch schon aus dem Staub. Die Lappen mussten einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.
Jonas verzog verächtlich die Mundwinkel. Das bisschen Schnee würde ihn jetzt nicht aufhalten. Die Spuren, die er hinterlassen würde, würde er einfach mit der Tasche verwischen.
Auf den ersten zehn Metern klappte das auch ganz gut, aber die leicht abfallende Auffahrt war nicht nur schneebedeckt sondern auch unangenehm rutschig und so war außer einer langen Schleifspur, mitten auf dem Weg auch der deutliche Abdruck seines Hinterteils zu erkennen, welchen er einer unerwarteten Schneebö zu verdanken hatte, die ihn aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.
Fluchend richtete der junge Mann sich wieder auf und griff dabei nach Maske, Tüchern und Handschuhen, die ihm bei dem kleinen Unglücksfall aus den Taschen gepoltert waren.
Zwei Schritte weiter kam er erneut ins Wanken, als er amüsiert den hinterlassenen EINdruck begutachtete. Nein - dieser Eindruck würde gewiss niemanden auf seine Spur bringen.
Auf der Straße vor dem Tor, war noch nicht so viel Schnee liegen geblieben, wie Jonas erleichtert feststellte, so brauchte er keine großen Umwege zu seinem Auto in Kauf zu nehmen, damit seine Spur nicht verfolgt werden konnte.
Glücklich über den positiven Ausgang seines Feldzuges warf er der Geldasche einen liebevollen Blick zu. Nun konnte sein Urlaub beginnen. Jetzt war er schon so gut wie im Urlaub. Er musste nur noch zum Bahnhof und dann mit dem Zug zum Flughafen.
Etwa auf halber Strecke hielt er bei einer kleinen Tankstelle kurz an und lud seine Beute in die zweite Reisetasche um. Außerdem ging es von hier aus mit dem Bus weiter, weil er das Auto ungern mit zum Bahnhof nehmen wollte.
Mit einem breiten Lächeln betrat er eine dreiviertel Stunde später die Bahnhofsvorhalle. Ob Storkes den Einbruch schon bemerkt hatte?
Wenn ja, würde es hier vermutlich von Sicherheitspersonal nur so wimmeln. Er beschleunigte seinen Schritt und steuerte zielsicher auf die Schließfächer zu, wo bereits sein Koffer auf ihn wartete.
Gerade als er das Fach wieder schließen wollte, hörte er eine schneidende Stimme hinter sich, die ihn dazu veranlasste, die Tür des Schließfachs erschrocken und daher heftig zuzuknallen.
"Herr Jonas Engel?", fragte die tiefe Stimme laut und weit hörbar hinter ihm. Im Umdrehen, verschloss er hastig die Tür und musterte sein Gegenüber. Ein Bär von einem Polizisten hatte sich vor ihm aufgebaut.
"Ja?", fragte er zaghaft.
"Sie sind verhaftet. Wegen Einbruch und Diebstahl.", meinte der Beamte ungerührt und förderte ein Paar Handschellen zu Tage. Sein Kollege, der neben ihm stand, grinste nur blöd.
"Das muss eine Verwechslung sein", stammelte Jonas und blickte vom Einen zum Anderen.
"Unwahrscheinlich", kommentierte nun der schmächtigere der beiden. "Oder haben Sie eine gute Erklärung dafür, wie Ihr Reisepass in die Auffahrt von Herrn Storkes kam?" Er hielt Jonas den Pass unter die Nase und grinste noch breiter.
"Mist", entfuhr es dem Ertappten. Der Pass musste mit der Maske und den Tüchern aus seiner Tasche gefallen sein, ohne dass er es bemerkte hatte.
"Wo ist das Geld?", wollte wieder der Bär wissen.
"Da drin", grinste Jonas ihn breit an und blickte zwischen den Polizisten hindurch, wo er den kopfschüttelnden Storkes entdeckt hatte.
"Das ist schon in Ordnung." Der Alte schob die Polizisten zur Seite. "Sieht aus als hätten Sie gewonnen, Engel. Ich erwarte einen umfassenden Bericht und Vorschläge zur Verbesserung meiner Alarmanlage, sobald Sie aus dem Urlaub zurück sind."
Jonas nickte. "Ich hätte da schon einige hervorragende Ideen." Er reichte seinem Auftraggeber den Schlüssel des Schließfachs. "Die Videobänder habe ich ebenfalls in die Tasche getan. Sie sollten Sie bis zur Analyse aufbewahren."
Storkes lächelte. "Selbstverständlich." Er kramte kurz in der Innentasche seines Mantels und förderte dann ein Bündel Geldscheine zu Tage, das er an Jonas weiterreichte. "Das war gute Arbeit."
Zufrieden lehnte Jonas sich in seinem Sitz zurück. Jetzt konnte Weihnachten kommen. Fern der üblichen Feiertagsreibereien würde dieses Fest endlich wieder seine ursprüngliche Bedeutung entfalten können, wenn er mit seiner Eli ein friedvolles Fest der Liebe verbringen würde und ihr Dank des gerade verdienten Geldes endlich den Antrag machen konnte, wie er es schon lange plante. Und vor allem ohne die Streitereien, die ihm sonst das Fest so vermiest hatten.
,Fröhliche Weihnachten', murmelte er leise und lächelte, als der Zug anrollte.


Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.


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