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Einsam am Heiligen Abend

Eine Weihnachtsgeschichte von Max Pfundtner


Es war eine sternklare Nacht wie er sie noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Der Himmel war übersät mit Sternen - Millionen von Lichtpunkten, so wie an der Fassade des großem Kaufhauses zur Weihnachtszeit, als er mit seinem Vater die Mutter im Krankenhaus besuchte.
Das war vor zwei Jahren, doch nun ist die Mutter irgendwo dort oben im Himmel, irgendwo dort oben in diesem unendlich scheinenden Lichtermeer.
Zwei Jahre ist es nun her, als sie den Kampf gegen den Krebs verloren hatte.
Viel ist in der Zwischenzeit passiert, dachte er, ohne den Blick vom Himmel zu nehmen, von diesem Himmel der ihm so vertaut erschien und doch so fremd und unwirklich war.
Dieser Himmel ist so unendlich weit weg, hier in Afghanistan. Er hatte sich für 8 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet. So weit weg von allem was ihm so vertraut war, die kleine Landwirtschaft, die sein Vater betreibt, die drei kleinen Geschwister, die noch zu Hause sind, die Freunde, das kleine Dorf, aus dem er kommt.
Und heute ist Heilig Abend, er schaut auf die Uhr - es ist 18:00 Uhr, er ist eingeteilt zur Wache im Lager in Kabul - ausgerechnet heute am Heiligen Abend.
Er denkt an zu Hause, an die Geschwister und den Vater. 18:00Uhr - jetzt kommt der Vater bestimmt aus dem Stall ins Haus, so wie es früher war, als die Mutter noch lebte. Um 18:00 Uhr warteten wir alle auf den Vater, die Mutter hatte das Essen bereitet und die Geschwister warteten mit leuchtenden Augen voller Ungeduld, bis das Licht im Stall erlosch und der Vater über den Hof ins Haus ging.
Leise Musik reißt ihn aus seinen Gedanken, sie kommt aus den Unterkunftsräumen der Soldaten, die gerade mit der Weihnachtsfeier beginnen. Am Himmel hört man in der Ferne das monotone Geräusch eines vorbeifliegenden Hubschraubers.
Er schaut wieder zur Uhr 18:30 Uhr, nun sitzen sie zu Hause bestimmt schon alle beim Abendessen in der großen Stube. Nur ich nicht - "ich sitze hier in diesem von der Welt vergessenen Land."
Von Ferne sieht er einen Konvoi der Amerikaner am Lager vorbeifahren, und er wird erneut aus seinen Gedanken gerissen, doch jeder Blick zur Uhr erinnert ihn erneut an seine Familie und an den Heiligen Abend zu Hause auf dem kleinen Bauernhof.
Er fühlt sich einsam, so unendlich einsam, in einem fremden Land.
Nur der unendliche Himmel über ihm gibt ihm Trost, denn er fühlt, dass seine Mutter bei ihm ist, dort oben in diesem Sternenmeer.


Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.


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