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Das große Weihnachtskonzert.

Eine Weihnachtsgeschichte von Silke Hammer


Diese Geschichte begab sich im Jahre 2003. Genauer gesagt in der Vorweihnachtszeit, einer Zeit, in der sich alle (oder auch nur fast alle) auf Weihnachten freuen und sich vor lauter Freude in Vorbereitungen stürzen, die leicht zu einer großen Herausforderung heranwachsen und allen eine große Portion Disziplin, Rücksichtnahme und Geduld abverlangen. Eigentlich hätte sich diese Geschichte so oder ganz ähnlich in fast jedem anderen Jahr zutragen können.
Unsere Geschichte geschah in Frankfurt. Einer Stadt im Hessischen, wo sich einst vier Freunde trafen, in der Vorweihnachtszeit. Diese Geschichte hätte sich aber auch in fast jeder anderen Stadt so oder ganz ähnlich zutragen können. Aber geschah es denn wirklich so oder ganz ähnlich in Frankfurt? Nein, eigentlich nicht, denn es ereignete sich an einem Ort, der in Frankfurt hätte sein können oder aber auch an fast jedem anderen Ort.
Kommen wir nun zu unserer Geschichte, die sich so oder ganz ähnlich an irgendeinem Ort der Welt zu trug aber in Frankfurt begann:
"Ines!", rief die Mutter laut durch die Wohnung, "wie weit bist du? Wir müssen los, der Bus fährt bald!"
"Ja , Mama!", erwiderte Ines, "ich bin gleich fertig!"
Ines war ein kleines Mädchen, an die acht Jahre zählend, das mit seinen braunen Knopfaugen einem jeden das Herz aufgehen ließ. Sie war von sehr frohem Gemüt und in der Schule sehr ehrgeizig, ein Kind also, wie es sich jedes Elternpaar wünscht. Manchmal hatte sie es aber auch faustdick hinter den Ohren. Dann heckte sie Streiche aus und freute sich riesig darüber, dass niemand auf die Idee kam, sie steckte dahinter.
"Ines!", rief die Mutter erneut und diesmal mit Nachdruck, "beeil dich jetzt!"
Ines polterte kurz darauf mit ihren Winterstiefelchen und einem roten Wintermantel in den Flur, in dem die Mutter bereits gestriegelt und gebügelt stand und wartete.
"Aber, wieso hast du dir dein schönes Sonntagskleid angezogen, Ines? Wir gehen doch nur in die Stadt, um Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Hinterher wird es noch ganz schmutzig", sagte die Mutter.
"Isabell hat gesagt, ich soll es anziehen", antwortete Ines und blickte zu ihrer Mutter hoch. Sie konnte ihrer Tochter wirklich nicht böse sein.
"Ach Ines, was du immer träumst. Isabell hat es dir gesagt.....", sprach die Mutter und lächelte. Isabell war eine von Ines' Puppen. Sie besaß sie seit ihrem vierten Lebensjahr und hatte sie zu ihrer besten Freundin auserkoren, mit der sie viel erzählte und der sie alles anvertrauen konnte.
"Wir haben jetzt aber keine Zeit mehr, dir etwas anderes anzuziehen", fuhr die Mutter fort, "pass also gut auf, dass du es nicht dreckig machst!"
"Ja, das will ich tun", sagte Ines und freute sich darüber, dass sie ihr schönstes Kleid anbehalten durfte. So stand sie da mit dem schönen weißen Kleid, darunter weiße wollene Strumpfhosen, darüber ein rotes Wintermäntelchen mit Kapuze und dazu braune, gefütterte Winterstiefelchen.
Wenige Minuten später stiegen sie in den Bus, mit dem sie bis zur Konstablerwache fuhren, von wo aus sie ihren weihnachtlichen Einkaufsbummel starten wollten. Es kam, wie es in jedem Jahr aufs Neue kommen musste, in der Vorweihnachtszeit: In den Straßen und Gassen drängten sich die Menschen, sie eilten von einem Geschäft in das nächste; sie hasteten von einer Straßenseite auf die andere; sie rempelten und stießen sich gegenseitig, ohne sich zu entschuldigen. Hektik, Stress, Wut und gar Aggression waberten in der Luft über dem Menschenstrom. Viele blickten grimmig drein; andere keiften, wieder andere fluchten.
Die Stadt hatte keinen Weihnachtszauber, den sich doch so viele wünschten und sich jedes Jahr aufs Neue auf die Suche danach begaben. Doch sie fanden ihn nicht; wo sollten sie denn auch suchen?
Ines war traurig. Sie hatte ein wenig Angst vor den vielen Menschen. Besonders vor denen, die so rempelten und fluchten. Ihre Mutter schwamm mit in dem Strom und hielt die kleine Ines stets fest an der Hand. Einige Geschenke hatte die Mutter bereits eingekauft, als Ines sich sträubte, in dem Gedränge weiterzulaufen. Freute sie sich doch so sehr auf den Weihnachtsmarkt, wo sie Karussell fahren wollte, wie ihre Mutter ihr auch vorher versprochen hatte.
"Ja, Ines, du hast recht. Wir machen Schluss für heute und gehen jetzt auf den Weihnachtsmarkt", sagte die Mutter und fragte: "magst du eine Bratwurst haben?"
"Ja!", freute sich Ines, "und einen Kinderglühwein!"
Die Mutter beugte sich zu Ines hinunter und sagte: "Den kriegst du jetzt!"
Daraufhin drückte sie die kleine Ines ganz fest an sich.
Auf dem Weg zum Weihnachtsmarkt begegneten sie einer Freundin der Mutter, die sich ihnen beiden anschloss und mit ihnen einen Glühwein trinken wollte.
Zunächst wollten sie aber eine Bratwurst für Ines holen. Nach wenigen Minuten war die Wurst fertig und die Frau vom Bratwurststand reichte sie der Ines über den Tresen.
"Na, du bist ja eine richtige Prinzessin", sagte sie zu Ines, die daraufhin verlegen grinste. Ines blieb neben der Bratwurstbude stehen und aß in aller Ruhe die Wurst, wobei sie darauf bedacht war, ihr Lieblingskleid nicht zu bekleckern. Die Mutter und deren Freundin waren in ein Gespräch vertieft. Nachdem Ines die Wurst gegessen hatte, suchte sie einen Abfalleimer. Dieser befand sich hinter dem Bratwurststand. Ines entledigte sich des Abfalls, doch als sie sich wieder umdrehte, waren ihre Mutter und die Freundin verschwunden. Was Ines nicht wusste ist, dass sie nun hinter der Bude stand und sich in die falsche Richtung umdrehte. So kam es, dass sie die Orientierung verlor und ihre Mutter von dort nicht sehen konnte. Der Menschenstrom riss sie mit, immer weiter in den Weihnachtsmarkt hinein. Ines begann, zu weinen. Sie fürchtete sich. Überall blickte sie in grimmige Gesichter. Ines schluchzte laut auf und rief nach ihrer Mutter. Ziellos lief sie umher und weinte immer mehr. Herzergreifend winselte sie, doch niemand schenkte ihr Aufmerksamkeit.
Schließlich lief sie durch eine kleine Gasse. Ihre Augen waren rot und geschwollen vom Weinen, so erkannte sie die Baustelle nicht, auf die sie direkt zulief. Sie rannte an der Absperrung vorbei und stürzte in eine frisch ausgehobene, tiefe, dunkle Baugrube. Vor Schreck wurde sie mit einem Schlag ohnmächtig.
Als sie wieder zu sich kam, lag sie bäuchlings im tiefen Schnee. Sie weinte immer noch. Allmählich wurde ihr kalt in dem Schnee und sie drehte sich um, um in Erfahrung zu bringen, wo sie sich überhaupt befand.
Sie war allein. Sie war in einem Wald. Es hatte offensichtlich kurz zuvor stark geschneit. Der Waldweg war kaum auszumachen und die Tannen bogen sich unter der Last des Schnees bis fast auf den Boden. Weit und breit war niemand zu sehen. Kaum ein Geräusch war zu vernehmen. Vom Himmel tanzten kleine Schneeflocken langsam zu Boden. Ines bekam es mit der Angst zu tun. Wo war sie nur? Wo war ihre Mutter? Wo waren all die Menschen vom Weihnachtsmarkt?
"Mama!", rief sie nun ganz laut. Nichts! Keine Antwort. Der Schnee schluckte ihren Ruf.
"Maaaaaaamaaaaaaaaa!", schrie sie nun aus Leibeskräften. Wieder Nichts! Sie sah sich um. Kein Laut, keine Bewegung im Wald. Es waren auch keine Spuren im Schnee zu sehen.
"Maaaaaaamaaaaaaaaaaa!", schrie sie ein weiteres Mal. Plötzlich vernahm sie ein leises Kichern hinter einer schneebedeckten Tanne.
"Hallo! Ist da wer?", fragte sie ganz vorsichtig in Richtung Tanne.
Ein Mädchen, von nahezu gleicher Körpergröße und selben Alter, kroch unter der Tanne hervor. Sie trug eine schwarze Fell Mütze und eine dicke Winterjacke; ihre Wangen waren ganz rot von der Kälte.
"Was ist denn mit dir los?", fragte das Mädchen und kam auf Ines zu.
"Ich habe meine Mama verloren", antwortete Ines und schluchzte erneut auf.
"Weine nicht kleines Mädchen", sagte das andere kleine Mädchen, "du hast deine Mutter nicht verloren. Du trägst sie in deinem Herzen!"
"Aber jetzt bin ich allein", jammerte Ines.
"Du bist auch nicht allein", entgegnete das andere Mädchen und drehte sich zur Tanne, hinter der sie sich versteckte hatte. "Wir sind bei dir!"
Sie winkte zur Tanne und ein weiteres kleines Mädchen kam darunter hervorgekrochen.
"Ich heiße Hedigunde von Twiest und das ist Cäcilie von Gottinga", sagte sie und deute auf das kleine Mädchen, das große Mühe hatte mit ihren viel zu großen Stiefeln durch den Schnee zu laufen.
"Wie heißt du?", fragte Hedigunde.
"Ich heiße Ines!"
"Juhu!", jauchzte Hedigunde, "dann bist du Ines, die Prinzessin von Schwaben! Juhu.... Wir haben schon auf dich gewartet!" Vor lauter Freude warf Hedigunde Schnee in die Luft und sprang im Zickzack.
"Komm schon Cäcilie", befahl sie dem anderen kleinen Mädchen. "Das ist Ines, Prinzessin von Schwaben, wir haben sie endlich gefunden!"
Cäcilie erreichte endlich die beiden. Sie zog ihre zerschlissenen Handschuhe aus und umfasste mit ihren nackten, dünnen Händchen eines von Ines Handgelenken.
"Cäcilie kann nicht sprechen", erklärte Hedigunde.
"Aber sie hat doch gerade gesagt, dass ich ein hübsches Kleid habe", entgegnete Ines verwundert.
"Du hast ihre Gedanken gehört, als sie dich berührte. Das lässt sie manchmal zu."
Cäcilie stand grinsend daneben und ergriff Hedigundes Hand. "Ja, du hast recht, sie ist eine wunderschöne Prinzessin", sagte Hedigunde an Cäcilie gewandt.
"Wir sind Waldfeen, musst du wissen", erklärte Hedigunde weiter, "jede von uns hat eine besondere Gabe und Cäcilie ist die Gefühlszauberin!"
"Gefühlszauberin?", fragte Ines, "was ist denn das?"
"Cäcilie von Gottinga kann Empfindungen und Gefühle verändern. Das bedeutet, dass sie, wenn sie will, negative Gefühle oder auch Empfindungen in neutrale oder gute Gefühle verwandeln kann. Willst du mal sehen, wie das geht?"
"Ja!", sagte Ines und nickte erfreut.
"Ist dir noch kalt?", fragte daraufhin Hedigunde.
"Ja, und wie", antwortete Ines. Hedigunde gab Cäcilie ein Zeichen, woraufhin diese zu Ines ging, sich auf die Zehenspitzen stellte, - denn sie war etwa einen Kopf kleiner als sie - die Arme nach oben reckte und ihre zarten Hände wie ein Dach über Ines schwarzes Haar legte. Sie hatte blonde Haare, die ihr in großen Locken bis auf die Schultern fielen. Ihre blauen Augen funkelten, als würden unzählige winzige Sterne zum Himmel empor steigen wollen. Allmählich wurde Ines angenehm warm. Jetzt verstand sie, was es mit der Gefühlszauberin auf sich hatte. Mit einem Male war sie auch nicht mehr traurig darüber, dass sie sich nicht mehr bei ihrer Mutter auf dem Weihnachtsmarkt befand. Sie empfand sogar plötzlich so etwas wie eine Freundschaft zu Hedigunde und Cäcilie.
"Verstehst du es jetzt?", fragte Hedigunde. Ines nickte und Cäcilie strahlte zufrieden.
"Und welche Gabe hast du, Hedigunde?", hakte Ines nach.
"Das wirst du schon noch sehen. Aber nun müssen wir uns beeilen. Wir haben noch viel zu tun. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh wir darüber sind, dass du endlich da bist. Also... gehen wir!"
"Wieso habt ihr mich denn erwartet? Was müssen wir denn jetzt tun?", fragte Ines völlig verwirrt weiter.
"Wir müssen noch einige Vorbereitungen treffen für heute Abend, denn da findet das große Weihnachtskonzert statt", erklärte Hedigunde.
Cäcilie nahm Ines an die Hand und stapfte mit ihren viel zu großen Schuhen voraus durch den tiefen Schnee. So liefen sie eine Weile durch den verschneiten Wald.
Plötzlich erschien mit gewaltigem Getose ein stattlicher Keiler auf dem Weg und blieb vor den drei kleinen Wanderinnen stehen. Ines erschrak fürchterlich und stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus. Der Keiler grunzte und schnaubte aufgebracht.
"Na, du hast uns vielleicht erschreckt", sagte Hedigunde zum Keiler. "Was ist denn los?"
Der Keiler grunzte ein weiteres Mal laut auf und schien sichtlich wütend.
"Jetzt beruhige dich doch", sagte Hedigunde, "wir haben einen Gast: das ist Ines, Prinzessin von Schwaben. Da hätte ich schon ein bisschen mehr Benimm von dir erwartet."
Der Keiler verneigte sich daraufhin vor Ines und brummte etwas vor sich hin.
"Das ist Eberhard", sagte Hedigunde zu Ines. "Seine Triangel ist kaputt und er ist nun ganz aufgeregt, weil er doch beim Konzert heute Abend mitspielt und nun hat er die Befürchtung, dass bis dahin die Triangel nicht repariert ist."
"Du kannst mit dem Wildschwein sprechen?" fragte Ines erstaunt.
"Ja, ich kann mit allen Tieren sprechen", antwortete Hedigunde.
Währenddessen streichelte Cäcilie das Wildschwein, das sich langsam beruhigte.
"Wir müssen zur großen Waldlichtung", fuhr Hedigunde fort, "und nehmen Eberhard mit, dort lassen wir dann die Triangel reparieren."
Cäcilie gab dem Keiler ein Zeichen, woraufhin er sich in den Schnee legte und die drei Mädchen auf seinen Rücken klettern ließ. Auf diese Weise konnten sich die drei viel einfacher durch den verschneiten Wald bewegen und schon nach kurzer Zeit erreichten sie ihr Ziel, die große Waldlichtung. Dort angekommen wurden sie von einem anderen Mädchen begrüßt. Sie hatte lange, glatte Haare, die zu zwei Zöpfen geflochten waren. Das Mädchen war damit beschäftigt, einen riesigen Baumstamm auf die Lichtung zu ziehen. Die kleine Ines staunte nur so über soviel Kraft. Wie konnte nur ein einziges kleines Mädchen einen so großen Baumstamm ziehen? Auch sie musste eine Waldfee sein, wie die anderen beiden auch.
"Das ist Claudette zu Kelkheim, sie hat Bärenkräfte und kann alles reparieren", erklärte Hedigunde, als sie den verwunderten Blick Ines' sah. "Und das ist Ines, Prinzessin von Schwaben."
"Herzlich Willkommen", sagte Claudette und gab Ines die Hand, "willst du uns helfen? Wir müssen uns nämlich beeilen, die beiden Elfen kommen gleich mit den Gästen und es gibt noch viel zu tun."
Und so stürzten sich die vier Mädchen in die Arbeit. Claudette reparierte zuerst die Triangel, bevor sie die Bänke in einen Halbkreis vor die Bretterbühne schob. Cäcilie bemalte Holzsterne und -engel, die Claudette zuvor geschnitzt hatte und Hedigunde und Ines trommelten die Tiere des Waldes zusammen. Dann und wann, wenn eine von ihnen fröstelte, kam Cäcilie und legte ihr die Hände auf den Kopf damit ihr wieder warm wurde.
Nach und nach kamen die Tiere herbei und brachten ihre Instrumente mit. Hier und da musste Claudette noch mal etwas reparieren, während schon einige Tiere damit begannen, die Instrumente zu stimmen.
Hedigunde und Cäcilie schmückten einen großen Tisch ganz feierlich mit Tannenzapfen, dem bemalten Holzschmuck und Kerzen in den verschiedensten Größen.
Später sollten dort die Speisen für die Gäste stehen, hatte Hedigunde erklärt.
"Wer sind denn die Gästen?", fragte Ines.
"Das sind die Kinder aus dem Dorf", erwiderte Hedigunde.
"Und was wird gespielt?" wollte Ines wissen. Da drängte sich Cäcilie dazwischen und nahm beide an die Hand. Plötzlich hörte Ines Musik, die ihr bekannt vorkam.
"Nein, Cäcilie, wir spielen nicht die Moldau, das spielen wir an Pfingsten.
Heute gibt's - wie immer an Weihnachten - den Nussknacker", widersprach Hedigunde. Und schon stimmte Cäcilie in Gedanken die Melodie an, wobei ihre Augen wieder funkelten.
Sie waren noch in ihre Vorbereitungen vertieft, als schon von Weitem die Schellen der Kutschen zu vernehmen waren.
"Sie kommen, sie kommen", rief Claudette voller Freude.
Wenige Augenblicke später trafen zwei Rentierkutschen auf der Waldlichtung ein. Die beiden Elfen, Paulino vom Westerwalde und Stephano aus einem fernen Land, hatten die Kutschen gelenkt und halfen nun den Kindern beim Aussteigen.
Danach luden sie die Speisen ab. Der Metzger des Dorfes hatte ihnen die verschiedensten Würste mitgegeben und Braten und Speck noch dazu; die Bäckersfrau stiftete eigens für den Anlass Lebkuchen, Christstollen und allerlei anderes Weihnachtsgebäck.
Nach kurzer Zeit war der Tisch gedeckt und die Kinder des Dorfes hatten ihre Plätze auf den Bänken eingenommen. Paulino und Stephano zündeten die Kerzen und Fackeln an, die die Bühne erhellten.
Ines war ganz aufgeregt und saß bei ihren drei neuen Freundinnen in der ersten Reihe.
Endlich hatten auch die Tiere nach vielem Hin-und-her ihre Plätze auf der Bühne eingenommen. Da waren zum Beispiel die Rehe, mit ihren Geigen, oder der Hirsch am Kontrabass; die Eulen an den Querflöten; die Käuzchen an den Pikkoloflöten; die Wildschweine spielten die Trompeten und Hörner...oder Eberhard, der Keiler an der Triangel und am Tamburin, auch die Pauke war sein Instrument. Die Eichhörnchen hatten sogar ihre Winterruhe unterbrochen und waren gekommen, um zur Musik zu Tanzen. Auch die Igel hatten deswegen ihren Winterschlaf eingestellt. Kein Tier wollte das große Weihnachtskonzert verpassen. Zu guter Letzt kam der Uhu, der Dirigent, auf die Bühne und ließ sich mit tosendem Applaus feiern. Er verneigte sich zum Publikum, dann zu seinem Orchester und hob schließlich den Taktstock.
Das große Weihnachtskonzert konnte beginnen.
Wundervoll war es. Die Kinder starrten ganz gebannt auf die Bühne. Das Licht der Fackeln gab ihren Augen einen ganz besonderen Glanz. Sie strahlten und sie schunkelten zur Musik. Die Eichhörnchen tanzten mit den Igeln, denen Cäcilie des Öfteren Wärme spenden musste. Und so ging auch dieses Konzert zu Ende.
Während die Kinder das Büfett verputzten, fütterten Paulino und Stephano die Musiker mit Heu und Hafer. Kastanien und Bucheckern hatten sie ebenfalls mitgebracht in großen Körben und ein paar getrocknete Würmer für die Eulen und Käuzchen. So war an alle gedacht und jeder wurde satt.
Mittlerweile war es spät. Die Gäste waren bereits wieder auf dem Heimweg, die Tiere packten die Instrumente zusammen und die vier Mädchen erzählten noch vom Konzert.
"Das war wundervoll!" sagte Ines und gähnte, weil sie schon sehr müde war.
"Ja, das war es", stimmte Claudette zu.
"Wir müssen jetzt schlafen gehen", ließ Hedigunde verlauten, die auch gähnte.
"Aber wo schlafen wir denn?" fragte Ines.
"In der alten Bärenhöhle auf der anderen Seite der Lichtung unter den großen Tannen", entgegnete Claudette.
Cäcilie nahm erneut Ines' Hand und schritt voran - mit ihren viel zu großen Stiefelchen. Ines konnte wieder ihren Gedanken lauschen und wusste, dass nun der Abschied gekommen war. Aber sie war gar nicht traurig, denn Cäcilie hielt ihre Hand.
In der Höhle saßen sie noch eine Weile beieinander bevor sie sich schlafen legten.
"Werde ich euch wiedersehen", fragte Ines und war nun doch etwas bekümmert.
"Nein, aber du trägst uns in deinem Herzen", entgegnete Claudette und gab ihr einen winzigen hölzernen Nussknacker.
"Den habe ich für dich geschnitzt".
"Danke", sagte Ines und nahm ihn fest in ihre linke Hand. Sie hüllte sich in eine dicke Wolldecke und schloss auch bald darauf die Augen.
"Ines.....was machst du nur für Sachen!", hörte sie die Stimme ihrer Mutter.
Ines schlug die Augen auf und blickte in die überraschten Gesichter zweier Bauarbeiter.
"Was für ein reizender Besuch", sagte einer von ihnen und hob Ines aus der Baugrube. Die Mutter stand oben und nahm ihm Ines ab.
"Vielen Dank! Das ist ja noch mal gut gegangen! Schöne Weihnachten wünsche ich Ihnen", sagte die Mutter zu den beiden Männer.
"Keine Ursache...und besuch' uns doch mal wieder", erwiderte der andere und lachte freundlich.
Die Mutter kniete vor Ines und drückte ihr einen Kuss auf die Nase.
"Wir gehen jetzt nach Hause".
Ines nickte und spürte ein Gefühl des Glücks in sich aufsteigen. Sie weinte gar nicht mehr, sie hielt immer noch die linke Hand zu einer Faust geballt. Langsam öffnete sie die Hand und sah den kleinen, geschnitzten Nussknacker. Sie grinste breit.
"Weißt du, Mama", fing sie zu erzählen an.
"Ja, mein Kind, was denn?", fragte die Mutter liebevoll.
"Ich bin sehr froh darüber, dass ich heute mein Lieblingskleid getragen habe", sagte Ines voller Stolz und Glück.
"Aber warum denn? Es ist doch jetzt ganz schmutzig und dazu noch kaputt", erwiderte die Mutter ganz verwundert.
Ines lächelte und sagte: "Dafür war ich aber auf dem großen Weihnachtskonzert!"


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