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Die Konferenz der Bratengeber
Eine Weihnachtsgeschichte von Anja Schwerdt
Ein grauer Novembertag. Regnerisch, kühl, unfreundlich. Passend zur Stimmung der Tiere, die an der Trauerfeier in Bauer Ottos Stall teilnahmen. Sie gedachten der vielen hübschen weißen Gänse, die auch in diesem Jahr wieder zu Sankt Martin Opfer geworden waren. Sie mussten sterben, um gefüllt mit Äpfeln und Zwiebeln, am Stück, als Brust oder Keule, mit Rotkohl und Knödeln verspeist zu werden. Nur weil Menschen diesen Tag traditionell mit dem Verzehr des Federviehs feiern. "Barbarisch, einfach barbarisch",
schluchzte das Karnickel. Und erinnerte an das Massensterben seiner Artgenossen zu Ostern.
Kurz und gut: Schweine, Karnickel, Hühner, Kühe und Enten weinten, schimpften und waren sehr traurig. Sie versuchten, Mama Gans und Papa Ganter zu trösten, die ihren gesamten Nachwuchs verloren hatten. Das machte allen Angst. Denn jahreszeitlich bedingt waren auch sie gefährdete Tierarten. Könnten sie doch schon bald als Weihnachts- oder Festtagsbraten auf den Tellern der Menschen landen.
"Rinderschmorbraten, stellt euch das nur einmal vor", sagte die Kuh leicht pikiert. "Wir geben den Bauern jeden Tag unsere Milch. Damit sollten sie zufrieden sein!" "Du hast ganz recht", gackerte das Huhn empört. "Laufend nehmen sie uns unsere Eier weg und setzen uns unter Legestress. Doch das ist wohl nicht genug! Ich habe gehört, dass sie uns die Köpfe abschneiden. Und unsere schönen Federn rupfen. Um uns danach ganz nackt auf einen Spieß zu stecken und zu grillen!" Dem
Karnickel wurde bei diesen Geschichten richtig übel. Wurde es doch erst kürzlich über Beize und Schmortopf aufgeklärt. Die anderen verdrehten nur gequält die Augen oder stöhnten leise vor sich hin.
"Wir müssen uns etwas einfallen lassen", quakte die Ente. "Es gibt wirklich genug andere gut schmeckende Dinge, die Menschen essen können! Mein Lieblingsessen ist beispielsweise Brot!" Darauf meldete das Kaninchen "Ich hab drei Leibgerichte, Möhren, Salat und Äpfel". Das Schwein grunzte: "Ich mag am liebsten Kartoffeln". Die Kuh leckte sich genüsslich das Maul und erwiderte: "Ich finde alles Grünzeug lecker". Das Huhn fand das zum Gackern und reimte: "Ich
ess viel Körner und krieg keine Hörner!"
"Ihr seid laut und albern", beschwerte sich Hofhund Kalle, der durch die Unterhaltung wach geworden war. "Wen interessiert schon, was ihr am liebsten esst?" Die Tiere wurden ganz still und dachten nach. Doch Gans und Ganter fingen bald an zu tuscheln. "Hört her. Wir haben eine Idee", riefen sie aufgeregt in die Runde. "Menschen essen uns. Also müsste ihnen unsere Nahrung eigentlich auch schmecken. Wenn wir heraus finden, wie man aus unseren Lieblingsessen ein leckeres Gericht
kochten kann... Fleischlos, schmackhaft und gut! Ein solches Rezept könnte sie vom typischen Weihnachtsbraten abbringen und uns retten!"
Anerkennender Beifall wurde laut. Die Idee fanden alle klasse. Vielleicht müsste so in diesem Jahr niemand dran glauben. Die anwesenden Tiere erklärten Hofhund Kalle einstimmig zum Experten für menschlichen Geschmack. Denn immerhin schlich er häufig in Bauer Ottos Küche, und bekam manchmal Essensreste. "Kartoffeln sind gut", bellte Kalle. "Damit kann man ganz viel machen. Grünzeug taugt für Salat. Aus Äpfeln kann man Kompott kochen, aus Karotten wird Rohkost."
Die Tiere diskutierten eine ganze Weile. Das Ergebnis war ein perfektes Weihnachtsessen, fanden sie:
Vorspeise: Grüner Salat mit gekeimten Körnern und Möhrenrohkost.
Hauptgericht: Kartoffelallerlei. Pommes, Rösti mit Käse überbacken, Ofenkartoffeln mit Quark, Pellkartoffeln mit Gorgonzolabutter, Kartoffelpuffer mit Apfelmus.
Nachtisch: Eisschaumcreme.
Sie waren sich einig: Das ist mindestens genau so gut und lecker wie ein Braten. Doch wie sollten sie die Menschen davon informieren? Bauer Otto verstand ihre Sprache nicht!
Hofhund Kalle hatte die rettende Idee: Ottos Sohn Ingo. Kalles bester Freund. Der sollte helfen. Die beiden waren schließlich jeden Tag zusammen und verstanden sich mittlerweile ohne Worte.
So erfuhr Ingo von der Idee und dem Vorhaben der Tiere. Er schrieb den Essensplan auf und legte den Zettel noch am selben Abend in die Küche.
Bauer Otto und Familie waren begeistert. "Abwechslungsreich, gesund und lecker! Das werden wir zu Weihnachten kochen." Ingo freute sich vor allem über die Pommes. Mit Ketchup und Majo waren sie sein erklärtes Lieblingsessen.
Als Bauer Ottos Stallbewohner von ihrem Erfolg hörten, waren sie stolz und erleichtert. So wurde es für alle im wahrsten Sinne des Wortes doch ein tierisch schönes Weihnachtsfest.
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