...und den Weihnachtsmann gibt´s doch!!!
Eine wahre Weihnachtsgeschichte von Joachim Huber
An diesem Dezembermorgen war es sehr kalt. Über Nacht war der erste Schnee gefallen.
Die junge Frau, die frühmorgens mit ihrem kleinen Sohn Frank durch die überfüllten Geschäfte hastete, hatte es eilig. Sie wollte nur eine Kleinigkeit einkaufen und wollte dem vorweihnachtlichen Trubel so schnell wie möglich wieder entkommen.
"Guck mal, Mami, so ein Auto möchte ich vom Weihnachtsmann!" Frank war am Schaufenster eines großen Kaufhauses stehen geblieben und drückte nun seine Nase an der Scheibe platt. Sie betrachtete nachdenklich die ausgestellten Spielsachen. Frank zeigte auf eine der großen Packungen. Er hatte schon oft davon erzählt, wenn er vom Spielen nach Hause kam.
Der Flitzer war feuerrot, über und über mit Werbeaufklebern bedeckt und sah genauso aus wie seine großen Vorbilder im Fernsehen. Franks Mutter entdeckte das Preisschild und stellte fest, dass der Weihnachtsmann dieses Auto nicht bringen würde.
"Hm, ich werde mit ihm darüber reden", murmelte sie, schaute sich um und bemerkte, dass ihr Sohn gar nicht mehr neben ihr stand. Sie sah ihn gerade noch im Haupteingang des großen Kaufhauses verschwinden, vor dessen Schaufenster sie eben noch gestanden hatten.
Plötzlich war Frank mittendrin im Trubel, der im Kaufhaus herrschte. Er wurde angerempelt, fiel beinahe und wurde weiter geschoben. Schließlich landete er in der Spielwarenabteilung und vergaß, dass sich seine Mutter sicher Sorgen um ihn machen würde.
Er kannte jeden Teddybär, jedes Auto, jede Figur hier im Regal. Und doch zog es ihn immer wieder hierher. Aber dann faszinierte ihn etwas anderes.
Der Fahrstuhl! Noch nie war er damit gefahren. Seine Mutter hatte es ihm verboten. Sie selbst fuhr auch nie, weil sie Angst davor hatte. Frank stand davor und beobachtete das Licht, das über der Tür von einer Zahl zur anderen sprang. Wenn es stehen blieb, öffneten sich die Stahltüren und spuckten eine Handvoll Leute aus. Nachdem sich die Türen wieder geschlossen hatten, sprang das Licht weiter.
Drei Minuten später war der Fahrstuhl wieder da und diesmal verließen alle Leute die Kabine. Frank nahm all seinen Mut zusammen und sprang hinein. Er wusste selbst nicht, warum, aber dies war eine einmalige Gelegenheit, das Ding einmal auszuprobieren. Er drückte auf den obersten Knopf, den er gerade noch erreichen konnte.
Die Tür schloss sich. Er war allein.
*
Das Licht über ihm wanderte nach oben. Als es die letzte Zahl erreicht hatte, gab es einen Ruck. Doch der Fahrstuhl hielt nicht! Frank hatte das Gefühl, immer höher hinauf zu fahren, aber das Rütteln und Ächzen der Stahlseile fehlte. Er bekam es mit der Angst zu tun. Doch da hielt der Fahrstuhl auch schon.
Die Tür öffnete sich, aber Frank sah nicht das, was er erwartet hatte. Kein Stockwerk eines Kaufhauses mit endlos langen Regalen, auf denen sich Edelstahltöpfe, Stoffballen, Tennisbälle oder Farbfernsehgeräte türmten.
Statt dessen kroch dichter, weißer Nebel in die Fahrgastzelle hinein. Es roch nach Weihnachtsplätzchen, Tannenreisig und Kerzenwachs.
Frank spitzte die Ohren. Ganz in der Ferne hörte er etwas! Als es näher kam, erkannte er das Geräusch. Es war das Klingeln von vielen kleinen Glöckchen, die sich rhythmisch näherten. Der Weihnachtsmann und sein Schlitten!
Schon von weitem erkannte Frank ihn. Sein schlohweißer Bart flog im Wind und sein roter Rock leuchtete wie das Rennauto im Schaufenster. Er stoppte den Schlitten und sah Frank erstaunt an.
"Na, junger Mann, wo kommst du denn her?", fragte er und zog die Augenbrauen hoch. Seine Stimme war tief, aber freundlich.
"Ich bin Mami weggelaufen", antwortete Frank, "und obwohl sie es mir verboten hat, bin ich mit dem Fahrstuhl gefahren."
"Soso", machte der Weihnachtsmann und legte seine Stirn in Falten. Erst sah es so aus, als wäre er böse, aber dann schien er eine Idee zu haben.
"Komm, steig auf!", rief er Frank zu und der kletterte neben ihn auf den Sitz.
"Hü!", befahl der Weihnachtsmann und die sechs Rentiere setzten sich augenblicklich in Bewegung. Der Schlitten fuhr die Straße entlang und erreichte wenig später eine Stadt. Aber keine gewöhnliche! Es war die Stadt, wo all die vielen tausend Weihnachtsgeschenke gemacht wurden, die sich die Kinder auf der Erde zu Weihnachten wünschten.
An der schier endlos scheinenden Straße reihten sich Schreinereien, Bücherläden, Spielwaren- und Musikgeschäfte aneinander. Viele kleine Engelchen mir weißen Gewändern und goldenen Flügeln arbeiteten fieberhaft, damit die Geschenke auch ja alle am 24. Dezember unter den Weihnachtsbäumen liegen würden.
Frank konnte sich gar nicht satt sehen. Einmal beugte er sich so weit aus dem Schlitten, dass er beinahe hinausgefallen wäre, wenn der Weihnachtsmann nicht aufgepasst hätte.
Sie verließen die Stadt wieder und nach einiger Zeit kam ein kleiner Hügel in Sicht, auf dem ein riesiges Fernrohr stand. Der Schlitten hielt am Fuß des Hügels, der Weihnachtsmann sprang ab und half Frank herunter. Er nahm die Hand des Jungen und stieg mit ihm die steilen Stufen zum Fernrohr hinauf.
"Jetzt wollen wir mal deine Mutter suchen", schlug er vor und als sie oben angekommen waren, guckte er durchs Fernrohr und rückte so lange daran herum, bis er die Erde im Visier hatte. Dann hob er Frank hoch, damit der ebenfalls durchschauen konnte. "So, wenn du deine Mutter gefunden hast, dann sag Bescheid", meinte er und drehte an einem Rad am Fernrohr.
Frank sah, wie die Erde immer näher kam, bis sie sein ganzes Blickfeld ausfüllte. Er erkannte Europa, dann Deutschland und seine Stadt, in der er zuhause war. Das Kaufhaus, wo er seiner Mutter weggelaufen war, wuchs und wuchs.
Endlich erspähte er seine Mutter, die aufgeregt auf einen Herrn in dunklen Anzug einredete. Der erwiderte etwas, lächelte und verschwand. Seine Mutter sah sich ängstlich um. Dann folgte sie dem Mann.
"Mami, Mami, ich bin hier!"m rief Frank und winkte. "Sie kann dich nicht hören", sagte der Weihnachtsmann und ließ ihn runter. "Deine Mutter macht sich große Sorgen um dich, mein Junge", meinte er, "deshalb muss ich dich schnellstens zurück bringen!"
Sie liefen zurück zum Schlitten und sausten die Strasse entlang, durch die Stadt, bis sie wieder beim Fahrstuhl ankamen. Diesmal sprang Frank alleine aus dem Schlitten und drückte den Knopf neben der Fahrstuhltür. Dann drehte er sich um und sah den Weihnachtsmann an.
"Weihnachtsmann", sagte er, "hat meine Mutter schon mit dir über meinen Wunsch gesprochen?"
"Nein", erwiderte der, "was wünschst du dir denn?"
"Ein tolles, rotes Rennauto!", rief Frank und zeigte mit den Händen, wie groß es sein sollte.
"Hm, warte mal", brummte der Weihnachtsmann, ging zum Schlitten und begann in den vielen kleinen und großen Päckchen zu kramen, die hinter dem Fahrersitz lagen.
"Ah, da ist es!", lächelte er zufrieden, langte nach einem der Päckchen und kam damit zurück. Er beugte sich zu Frank hinunter und sagte: "Wenn du mir versprichst, es erst Heiligabend zu öffnen, darfst du es jetzt schon mitnehmen!"
"Ich versprech's!", murmelte Frank und drückte dem Weihnachtsmann schnell einen Kuss auf die Backe. Der lächelte und wurde sogar ein bisschen verlegen.
Es rumpelte hinter Frank und der Fahrstuhl öffnete sich. Frank trat ein und drehte sich um. Bevor sich die Tür schloss, winkte er noch ein letztes Mal.
*
Die Zahlen über der Tür blinkten nacheinander auf, bis das Licht auf "E" stehen blieb und sich die Tür öffnete. Etwa zwei Dutzend Leute standen davor und redeten mit Händen und Füssen auf den Herrn im dunklen Anzug ein.
Frank presste das Geschenk an sich und drängte sich durch die Menge. Er hörte jemanden "Na endlich" und "Wurde ja auch Zeit" aus der Menge rufen, bevor sich der Haufen durch die enge Tür in den Aufzug drängelte.
"Frank!" Mutter hatte ihn entdeckt und stürzte auf ihn zu. Sie drückte ihn an sich und küsste ihn auf die Stirn.
"Wo warst du denn?", wollte sie wissen. "Ich bin mit dem Fahrstuhl zum Weihnachtsmann gefahren", strahlte Frank, "und guck mal, er hat mir das Rennauto geschenkt!" Er hielt das Paket hoch. An einer Ecke hing ein kleiner Zettel. Seine Mutter entfaltete ihn und da stand in einer schönen Handschrift:
Für Frank - vom Weihnachtsmann
*
Auf dem Heimweg erzählte Frank haarklein, was er mit dem Weihnachtsmann erlebt hatte. Seine Mutter glaubte nicht so recht daran. Aber andererseits war die Geschichte viel zu schön, um geflunkert zu sein. Und sie wusste, dass Frank sie nicht anlügen würde.
Jedenfalls war er glücklich- und sie auch. Und irgendwie freute sie sich jetzt richtig auf Weihnachten...
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