Heilige Nacht in der City
© Ronald Henss
Die Spuren im Schnee sind schmutzig. Ein eiskalter Wind fegt durch die Straße. In einer windgeschützten Ecke löst sich ein dicker Tropfen von dem mächtigen Eiszapfen.
Über dem Lüftungsschacht ein Bündel aus Wolldecken, Zeitungen, Pappefetzen. Die verdreckten Haare des Bettlers sind an der vereisten Bierpfütze festgefroren. Der greise Schäferhund schaut mit müdem Blick.
Eine uralte Frau schlurft vorbei. Die zerschlissenen Lumpen fallen schlaff an ihrem klapprigen Gerippe herunter. Die Pantoffeln sind zerfetzt.
Die Fußgängerzone ist leergefegt. Die Festbeleuchtung schon lange erloschen. Nur ein paar Fenster senden einen Lichtergruß.
Eine Windbö wirbelt einen Fetzen Geschenkpapier über die zertrampelte Schneedecke. Dunkelrot mit goldenen Engeln. Durch die aufgerissene Wolkendecke funkelt ein heller Stern. Ein paar dicke Flocken wirbeln einen lautlosen Tanz.
In der Ferne grölt es "Stiiii-hii-llee Naaacht."
Ein Schaufenster zerbirst mit lautem Knall. Die goldgelockten Kaufhaus-Engel erwachen zum Leben. Barfuß rennen sie zum U-Bahn-Schacht.
Der Schäferhund blinzelt müde.
Die alte Frau schlurft zurück. In der zerbeulten Blechbüchse klappern ein paar Münzen. "Eine kleine Spende für den Osterhasen. Eine kleine Spende für den Osterhasen."
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