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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Feechen

© Gaby Schumacher

Teil I (Babyzeit)
Geboren wurde ich als eines von sechs Geschwistern in der Langenfelder Kiesgrube. Außer mir krabbelten noch vier Schwestern und ein Bruder um meine Mutter herum. Gut, dass sie genug Zitzen für alle hatte. Denn, hatten wir Hunger, schubsten und drängelten wir ausgesprochen unverschämt.
Meine ersten Tage nutzte ich dazu, mir den Geruch meiner Mutter bzw. der Geschwister ganz doll einzuprägen. Das war unheimlich wichtig, denn so konnte ich meine Familie am sichersten erkennen. Einige Tage drauf blinzelte ich zum ersten Male ins Tageslicht. Das machte mein Leben um einiges interessanter. Neugierig musterte ich mein Rudel. Wir glichen uns alle sehr. Deshalb ging ich davon aus, dass ich recht ähnlich aussah.
Die nachfolgenden Wochen wurden für mich winziges Hundebaby recht anstrengend. Wie könnte ich mich meinen Geschwistern verständlich machen, denen zeigen, was ich wollte bzw. auf keinen Fall wollte? Ich übte, den Anderen in den unterschiedlichsten Situationen meine Stimmung klar zu machen. Wedelte ich mit dem Schwanz, so war das Freude. Warf ich mich vor ihnen auf den Rücken, erkannte ich ihre Überlegenheit an. Das machte ich vorsichtshalber nicht zu oft, denn sonst hätte ich meine Stellung innerhalb des Rudels gefährdet. Auch, wie man wirkungsvoll Zähnchen fletschte, begriff ich rasch. Das konnte ich bei Zänkereien prima einsetzen. Nach Klärung der Sachlage vertrugen wir Hundekinder uns sofort wieder, viel rascher als der menschliche Nachwuchs, wie ich später noch oft beobachten sollte.
Inzwischen waren sechs Wochen vergangen. Aber wie Schäferhundkinder sahen wir immer noch nicht aus. Eher wie Stofftiere mit "eingebauter" Bewegungs- und Bellautomatik. Gebell...!? Also, zu unserer Schande muss ich gestehen, unsere Quietschversuche konnte man unmöglich so nennen. Es war die reinste Blamage!!
Wesensmäßig waren wir sehr unterschiedlich ausgefallen. Doch hatten von uns Sechsen fünf Geschwister etwas gemeinsam. Warum sollten wir uns viel bewegen, wenn wir einfach durch bloße Beobachtung fast genauso viel mitkriegen konnten?!
Übrigens heiße ich Fee v. d. Götscher Mühle, deutscher Schäferhundadel, bitte sehr! Die Namen meiner Geschwister habe ich zum Teil vergessen. Mein Bruder jedenfalls hieß "Fango" und mein lebhaftestes Schwesterchen, das mit seinem Temperament völlig aus der Art geschlagen war, wurde "Funny" gerufen. Funny war doch so doof, ganze Nachmittage lang um ein haariges, stacheliges Etwas zu balgen, das die Menschen "Besen" nannten. Wie konnte sie sich nur für eine so dämliche Beschäftigung begeistern lassen?
Mir gefiel da schon viel eher der große Teich, an den unser Zuhause angrenzte. Unter Mutters Aufsicht durften wir dort planschen. So wurde meine Liebe zum Wasser geweckt. Ich wurde zu einer ausgesprochenen Wassernärrin.
Am Schönsten waren die Tobereien mit den Geschwistern. Wir purzelten übereinander und jagten hintereinander her. Ich schnappte besonders gern nach den brüderlichen Schlappohren und zog meine Schwestern am Schwanz. Wozu sonst sollten unsere schönen Schwänzchen denn auch gut sein? Fango wehrte sich bei meinen Attacken leider oft sehr energisch und biss mich in die Beine oder auch ins Nackenfell. Das zwickte manchmal ganz ordentlich!
Meine Kleinstkindzeit war einfach wunderschön. Wir Babys tollten sorglos durch die ersten Wochen unseres Lebens.
Feechen, II Teil (Ein wichtiger Tag)
Auf dem großen Hof vor dem Haus unserer Ziehmama durften wir nach Herzenslust toben. Ich war sechs Wochen alt, da kam es eines Nachmittags zum entscheidenden Ereignis in meinem jungen Leben. Wir Geschwister tollten gerade übermütig durch die Gegend. Plötzlich stutzten wir, hoben schnuppernd unsere Näschen und stellten angespannt die Ohren auf. Soweit uns das schon möglich war, denn zu diesem Zeitpunkt zierten uns alle noch wenigstens ein Schlappöhrchen, wenn nicht sogar zwei. Ein komischer Krach war da zu hören, der schnell lauter wurde. Außerdem roch es so eigenartig. Neugierig geworden, guckten wir wie auf Kommando alle in ein und dieselbe Richtung. Was war denn das? Laut brummend bog da frech ein riesengroßer fremder roter Hund um die Ecke und stellte sich doch keck auf unseren Spielplatz. Wie sah der denn aus? Wir staunten Bauklötze. Anstatt Läufe zu haben wie jeder anständige Vierbeiner, rollte der auf Rädern einher. Und sein Duft war alles andere als dezent. Der stank ja mehr als unmöglich. Ganz anders als wir. Wie unsere Mama uns schnell zuflüsterte, war der auch gar kein Hund, sondern das, was die Zweibeiner "Auto" nannten. Und diese Dinger kriegten kein leckeres Eukanuba oder Pedigree Pal zu futtern, sondern gewöhnliches Benzin. Am liebsten hätten wir uns unsere empfindlichen Hundenasen zugehalten, doch wie bloß? Da wir das ja nun ´mal nicht konnten, versuchten wir notgedrungen diesen infamen Geruch zu überriechen. Aber...was wollte das Auto hier? Beunruhigt und ratlos beobachteten wir, wie er stoppte und dann zwei junge Frauen aus dem Rotfrack stiegen, ein paar Worte mit unserer Züchterin wechselten, um dann auf uns Babys los zu stürmen. Bedrohlich wirkten die ja nun gar nicht. Aber erst einmal abwarten, was folgte. Nach einem raschen Blick auf unsere Spielgruppe ging das begeisterte Gekreische der Beiden auch schon los: "Mein Gott, sind die süß!" Sie setzten sich auf eine Holzbank in der Nähe und beobachteten uns eine geraume Weile. Die blondere der zwei Frauen erkundigte sich, welches von uns denn am chon langsam in ihre Nähe getapst war, schnappte ich das per Zufall auf. Ich wunderte mich doch beträchtlich. Es hieß doch immer, wie intelligent diese Zweibeiner seien. Sogar noch intelligenter als wir. Obwohl wir doch zweifellos in der Beziehung zur Elite zu zählen waren. Doch wie konnten diese Wesen dann solch eine dämliche Frage stellen? Waren die am Ende doch nicht so schlau...? Beleidigt brummelte ich vor mich hin: "Wir sind ausgesprochen edler Abstammung. Und auf Grund unserer vornehmen Erziehung selbst als kleine Welpen von nur sechs Wochen den ganzen Tag lang immer nur lieb, ´wau!`" Leider war unsere Mutter manchmal da ganz anderer Ansicht, schnappte sich den jeweiligen Frechdachs im Nackenfell und schüttelte ihn kräftig durch. Bei solchen Strafaktionen ging sie sehr rabiat vor. Deshalb reichte uns diese Maßnahme zur Genüge. Sobald Mutter uns dann wieder los ließ, verkrümelten wir uns schnellstens ins sichere Körbchen, um uns von dem Schrecken erst einmal in Ruhe zu erholen.
In den nachfolgenden Minuten konnten wir zufrieden feststellen, dass unsere beiden Besucherinnen sich mit Vierbeinern anscheinend recht gut auskannten. Deren Streicheleinheiten waren einsame Spitze. Hach, hoffentlich machten die noch stundenlang so weiter, hmm! Während sie uns nach allen Regeln der Kunst abknuddelten, fragten sie, wie wir denn hießen. Besonders viel Aufmerksamkeit schenkten sie einem meiner Schwesterchen, dass unerlaubterweise langhaarig war und mit seinem Wuschelfell besonders niedlich aussah. "Die behalte ich!" erklärte unsere Ziehmama. Für einen Moment sahen die beiden Frauen ganz enttäuscht drein. Doch dann wandten sie sich wieder lachend uns übrigen Welpen zu. Amüsiert verfolgte die blonde Frau Funnys wildes Spiel mit dem Besen. Als sie aber von einen bereits überstandenen Leistenbruch meiner Schwester erfuhr, kümmerte sie sich nicht mehr um sie und wandte sich uns anderen Babys zu.
Ich hatte die Zeit genutzt, um mich langsam und vorsichtig an sie heran zu pirschen. "Hm, die riecht sympathisch!" sagte ich mir. "Die möchte ich näher kennen lernen. Toll, wie sanft sie mit mir redet!" Und doch hielt ich eine zweite Prüfung ihrer Schmusequalitäten für äußerst wichtig. Kurzentschlossen lehnte ich mich gegen ihr Bein und wartete sehnsüchtig. Abgesehen vom Fressen war mir Schmusen schon in diesem zarten Babyalten ungewöhnlich wichtig. Auf alles hätte ich verzichten können, nur darauf nicht. Das hätte ich am liebsten den ganzen lieben Tag lang gemacht. Na also: Wie erwartet, kraulte sie mich mit ganz viel Gefühl artgerecht hinter meinen Schlappöhrchen. Auch mein Bäuchlein wurde nicht vergessen. Froh schnüffelte ich an ihrer Hand und mochte sie auf Anhieb gut leiden. Ja, sie genoss die Schmuserei genauso wie ich selbst. Kurz darauf vernahmen meine Ohren den mir wichtigsten Satz an diesem Nachmittag: "Ich entscheide mich für Fee!" Sie sah mich bei diesen Worten so lieb an, dass mein Herz einen tüchtigen Sprung machte. Klar, dass ich nicht kostenlos abgegeben wurde. Die junge Frau leistete eine Anzahlung. Halb gehörte ich jetzt schon zu ihr. Doch ein paar Wochen sollte ich noch bei meiner Mutter bleiben. Also verabschiedete sie sich recht bald zärtlich von mir. "Schade!", seufzte ich, "ich hätte so gerne noch weiter geschmust! Wann werde ich sie wohl wiedersehen?" Nach genau zwei Wochen war es endlich soweit. Wiederum nachmittags erschien das bekannte rote Auto mit den beiden Frauen. Wir Rasselbande waren ein schönes Stück gewachsen, hatten uns ziemlich verändert und sahen endlich auch aus wie richtige kleine Schäferhunde. Fragend musterte uns die blonde Frau. "Wo ist denn Feechen?" Die Züchterin deutete auf mich. "Du siehst aber niedlich aus!" Gaby, denn so hieß sie, begrüßte mich ausgiebigst, streichelte dann aber meine Mutter und redete noch ein wenig tröstend auf sie ein: "Keine Angst, dein Töchterchen soll es sehr gut haben bei mir!" Mutter hatte ganz brav dabeigestanden, als die beiden Fremden sich mit uns beschäftigt hatten. Danach bezahlte Gaby mich. Von nun an gehörte ich ganz zu ihr, und sie wurde mein Frauchen. Gaby und ihre Bekannte stiegen wieder in das rote Auto. Mich setzte meine Ziehmama auf Gabys Schoss. Ein wenig verdattert und hilflos lag ich dort, wusste nicht, was das jetzt sollte und ängstigte mich auch ein wenig. Gaby redete während der Fahrt oft mit mir. Dabei fiel häufig der Name "Feechen". Feechen - das sollte ich ja wohl sein! In meinen Ohren klangen diese Laute sehr weich. Das gefiel mir und ich erklärte mich stolz einverstanden. Meine anfängliche Schüchternheit schwand, und ich begann mich auf Gabys Arm ausgesprochen wohl zu fühlen. Ich spürte einfach, in ihrer Gegenwart geschähe mir nichts Böses. Weil sie so lieb zu mir war, wurde es mir trotz der Trauer meiner Mutter und der Geschwister wegen sehr warm ums Babyherz! Frauchen meinte zu ihrer Bekannten: "Feechen soll meine Freundin werden!" Wir fuhren von Langenfeld in Richtung Düsseldorf. Anscheinend würde ich ein richtiges Großstadtkind! Doch wohnte Gaby samt Familie nicht im Stadtzentrum, sondern im südlichsten Vorort Düsseldorfs, nämlich in "Hellerhof". Aus dem Auto heraus sah ich eine Menge rot- und weißgeziegelte Einfamilienhäuser. Zwischen den Häusern waren Bäume, Büsche und ganz viele Blumen gepflanzt. Zu jedem Haus gehörte ein größerer bzw. kleinerer Garten. Wir stoppten vor einem schmalen Seitenweg, der an einem Bäumchen vorbei zu zwei größeren Reihenhäusern führte. Als wir ausgestiegen waren, lief ich ohne Zögern hinter meinem neuen Frauchen her. Während der Fahrt hatte sie mein Herz im Sturm erobert. Ich wollte immer an ihrer Seite sein! Vorbei am Nachbarhaus spazierten wir auf mein neues Revier zu.
Feechen, III Teil (Daheim)
Aufgeregt, aber gar nicht mehr schüchtern, um ehrlich zu sein, eigentlich schon recht kess, trippelte ich in diese mir total fremde Welt, die von nun an mein Revier wäre. Es roch so ganz anders als in meiner Babywelt bei unserer Ziehmama.
Mein Näschen zitterte aufgeregt hin und her. So viele anregende Gerüche! Zuerst wischte ich 'mal in den kleinen Abstellraum direkt hinter der Eingangstüre. Auf mehreren Regalen standen da ganz viele dieser komischen Dinger, die Zweibeiner immer draußen an ihren Füßen trugen. Doch bestimmt nur, damit so winzige Hundebabys wie ich unterwegs auf ihren Spaziergängen etwas zum Spielen und Reinbeißen hatten. Leider entpuppten sich dann unsere menschlichen Vorgesetzten als ausgesprochene Spaßverderber. Ob die einfach zu dumm waren, die Spielregeln zu verstehen? Na ja, ich könnte ja versuchen, meinem neuen Frauchen und ihrem Rudel das Ganze in ganz einfachem "Wau-wuff" nochmals zu erklären. Vielleicht kapierten sie es ja dann...?
Länger als zwei Minuten vermochten mich diese Überpfoten, die Menschen übrigens "Schuhe" nannten, nicht zu faszinieren. Die standen zu hoch. Zu blöd, da kam ich nicht dran.
So, die Vordiele hatte ich kontrolliert und nichts Besonderes gefunden. Weder zum Spielen noch zum Anknabbern. Die Glastür, die den kleinen Vorraum von der großen Diele trennte, stand halb offen, so dass ich Winzling mich da ohne große Mühe durch schlängeln konnte. Perplex blieb ich wie angewurzelt stehen: Das war ja zum Schwänzchenabwedeln! Vor mir standen doch tatsächlich zwei Hunde und starrten mich ebenso verblüfft an wie ich sie. Die gehörten doch garantiert hierher. Juhuuh, dann hätte ich ja sogar vierbeinige Spielkameraden. Beide waren größer und bestimmt auch älter als ich. Der eine sogar viel größer, sah aus wie ein richtiger Teddybär. Er hatte sanfte, dunkelbraune Augen und ein schickes hellbraunes Wuschelfell. Sein kleinerer Kamerad dagegen guckte recht lümmelig-keck in die Gegend. Dunkelbraune Augen und ein gleich dunkles elegantes Fellkleid. Beide gefielen mir auf Anhieb und ich ihnen wohl auch. Nach einer ausgiebigen Schnupperpasskontrolle begrüßten sie mich nämlich ausgesprochen freundlich. "Wer seid denn ihr?", war meine doch etwas verlegene Frage an sie. Wie sich dann herausstellte, hieß der ältere Hundejunge "Mato" und war schon ein ganzes Jahr alt. Sein kleinerer Freund wurde "Quinny" gerufen und zählte immerhin auch schon acht Monate. Da wäre ich also das Nesthäkchcn in meinem neuen Rudel. "Nicht schlecht!", dachte ich mir, "Nesthäkchen werden immer fein verwöhnt!" Ein nicht ganz unwichtiger Gedanke schoss mir durch den Kopf: "Ob wir drei uns wohl gut vertragen werden?" Eigentlich war ich mir nach diesem Empfang da ziemlich sicher. Na ja, das hatte noch etwas Zeit.
Jetzt hieß es für mich, erst einmal das ganze Haus gründlichst zu untersuchen, damit ich mich auch möglichst schnell zurechtfände. Ich fing da an, wo ich im Moment war, im Erdgeschoss. Neugierig düste ich ins sehr geräumige Wohnzimmer, an das sich über Eck ein Esszimmer anschloss. Danach trappste ich in die große Küche, in der ebenfalls eine Essecke stand. Mit einer für mich vielleicht bald ´mal ach so praktischen Eckbank. Wieso?
Tja, ich war doch ein so verfressenes Etwas und wenn ich ein ganz klein bisschen größer wäre, würde sich doch unter Umständen die Kraxelei da hinauf bestimmt lohnen. Denn von dort oben aus anschließend den Tisch leer zu fegen, wäre ein Kinderspiel. Aber noch war das Zukunftsmusik. Mit frechen Streichen wartete ich besser, bis die Menschen mich so richtig doll lieb gewonnen hatten. Also hortete ich solcherlei Ideen in meinem phantastischen Hundebabygedächtnis für spätere Zeiten. Doch ich merkte mir schon ´mal genau, wo der Herd, der Abfalleimer und der Kühlschrank zu finden waren. Mein Frauchen ahnte ja noch nicht, welch ein Fresssäckchen sie sich mit mir ins Haus geholt hatte. "Na ja, das mache ich ihr binnen der nächsten Tage unmissverständlich klar. Die wird sich noch wundern!"
Das Elternschlafzimmer durfte ich leider nicht unter die Lupe nehmen. Die Tür blieb zu. Ich fand noch ein Badezimmer und ein kleines Gäste-WC. Das Bad gefiel mir gut. Fix lugte ich durch den Türspalt, ob da auch eine Dusche vorhanden wäre. Ach, am liebsten hätte ich mich dann direkt ins nasse Vergnügen gestürzt. Doch auch das war verboten. "Darf man hier als Hund überhaupt irgendetwas!?", knatschte ich leise vor mich hin. Meine Hoffnung darauf(!) schwand mehr und mehr dahin.
Die nächste Etage war die Jugendetage. Da hinzukommen, erwies sich als relativ gefährlich, jedenfalls für einen solchen Winzling wie mich. Sehnsüchtig in die oberen Gefilde guckend, stand ich ziemlich ratlos vor der offenen Holztreppe, fiepte um Hilfe bittend mein neues Frauchen an. Sie verstand mich sofort, streichelte mich und half mir dann, Stufe für Stufe zu bezwingen. Es war gar nicht so einfach, mit vier so kurzen Beinchen und einem wohl gerundeten Babybauch da unbeschadet hoch zu klettern.
Stolz langte ich oben an, verschnaufte kurz und dann ging`s los ins Abenteuer. Was erwartete mich alles? Gespannt wie ein Flitzebogen düste ich durch die drei Kinderzimmer. Schon beim ersten Rundblick entschied ich, die müsste ich mir in den nächsten Tagen ´mal sehr viel gründlicher vornehmen. Dann trippelte ich auf vorsichtigen Pfötchen in Frauchens großzügig bemessenes Zimmer, das gleichzeitig auch Schlafraum für uns Vierbeiner war. Es roch ein wenig nach Wald, denn Frauchen liebte anscheinend Holzmöbel. Genau wie ich. Sie und ich würden gut zueinander passen, stand für mich fest.
Ich erschnüffelte noch ein Bad, ein zweites winziges Gäste-WC und einen kleinen Abstellraum, in dem ich eine Tüte mit Hundefutter entdeckte. Auch dies speicherte ich eiligst in meinem Gedächtnis.
In der oberen Diele stand in der einen Ecke vor Frauchens Zimmer eine schmale Couch. "Auf der könnte ich ja meinen Mittagsschlaf halten!" , überlegte ich. Die Jugendetage war damit auch erkundet. Die Hopserei treppab erforderte doch einigen Mut. Meine Beinchen zitterten und mir schwindelte, sah ich nach unten. "Ans Treppenlaufen gewöhnst du dich bestimmt fix, Feechen!", tröstete Frauchen. Und richtig, auf der zweiten Treppenhälfte klappte es viel besser, beinahe schon ohne Hilfe.
Mir entfuhr ein erleichtertes "Wau!" Endlich wieder auf sicherem Boden ohne Gucklöcher. "Keller" war eigentlich etwas mordsmäßig Interessantes! Himmel, war das aufregend! Zuerst besichtigte ich Papas großes Arbeitszimmer mit so einem komischen alten Kasten an der einen Wand. Der machte manchmal so komische Töne, weshalb ich noch zögernd neugierig näher schlich. Gefährlich hörte sich das wahrlich nicht an. Im Gegenteil. es klang sogar richtig fröhlich. Mein Misstrauen verflog und ich bot dem alten Kasten, einem Klavier, wie ich später erfuhr, seiner Freundlichkeit wegen meine Freundschaft an. Ein helles "Ping!" war die Antwort.
Auch die Waschküche eroberte mein kleines Hundeherz im Sturm. Da flogen massenhaft Läppchen aller Größen herum. Ob sie die netterweise für mich zum Spielen da hingelegt hatten?? Der Vorratskeller enttäuschte mich, weil ich selbst mit meinen ja fein scharfen Babyzähnen die Büchsen und Gläser auf den Regalen nicht aufknacken konnte. Und die grünen sowie auch die durchsichtigen Flaschen in den Kästen durften mir wirklich gestohlen bleiben. Welcher Hund trinkt schon gerne Sprudel? Dann war da noch so ein winziger Raum. Doch der war zu. Keine Ahnung, was da drin war.
Ich spurtete bereits schon wieder in Richtung der Treppe, da stutzte ich plötzlich, bremste ab wie ein Albatros bei seiner Landung. Das waren große Vögel, die beim Aufsetzen auf den Boden fast jedes Mal regelrecht hinknallten, hatte ich per Zufall aus einem Menschengespräch aufgeschnappt. Doch dafür war ich ja geschickt, hatte ja auch vier Beinchen, auf denen ich natürlich viel eher das Gleichgewicht halten konnte als jenes Federvieh auf seinen nur zwei Stelzen. Also, ich hätte doch tatsächlich fast eine Tür übersehen. Wie konnte ich nur? Frohlockend stellte ich fest, dass die nur angelehnt war, ich mich da prima durchquetschen konnte. Und staunte dann Bauklötze: Ein Raum so groß wie das Wohnzimmer und höchst interessant. Rechts hinter der Tür stand ein kleiner Computertisch. An den Wänden ringsum Regale mit massenhaft Raschelzeug. "Bücher", wie die Menschen das nannten. Auf der rechten Seite stand eine große Tischtennisplatte("Bällchenspiel!", ging mir sofort durch den Kopf.) und an der Wand dahinter ein Klettergerüst. Doch am allerbesten gefielen mir kleinem Hundekind dann die vier alten Matratzen, die da verstreut auf dem Boden lagen. Auf denen könnte ich herum hopsen wie auf einem Trampolin. Klasse!
Mit dem Ergebnis meines Erschnüffelrundganges eigentlich mehr als zufrieden, spazierte ich durch die Küche bis zur Balkontür und spähte nach draußen. Ich hatte spitz gekriegt, dass auch noch ein schöner Garten zum Grundstück gehörte. "In dem kann man bestimmt gut toben. Ja, ich habe schon den richtigen Riecher gehabt, als ich mir dieses Frauchen ausgeguckt habe!", bestätigte ich mir, streckte selbstbewusst mein schwarz glänzendes Näschen hoch in die Luft und war ganz stolz auf mich.
Feechen, Teil IV (Frauchens "Welpen")
War die Eroberung meines neuen Reviers doch schon recht abenteuerlich gewesen, so sollte es dann noch viel aufregender für mich werden. Ich wusste ja, dass Frauchen ja auch eine Familie hatte, also gab es da "Menschenwelpen". Auf die war ich sehr gespannt. Mein Herz klopfte rasend, als ich ihnen dann endlich vorgestellt wurde. Frauchen war anscheinend genauso stolz auf ihren Nachwuchs wie unsere Mutter auf uns Rasselbande. Aber im Unterschied zu meiner fünfköpfigen Geschwisterschar stand ich hier nur vier "Welpen" gegenüber.
"Wau, mit der Menschsprache muss ich mich erst auch noch richtig vertraut machen!", seufzte ich. Denn die nannten ihre Kleinen nicht "Welpen", sondern "Kinder". Ich prägte mir das seltsame Wort fest ein. Diese Laute würde ich wahrscheinlich noch sehr oft in meinem Leben hören. Sie zählten also unbedingt zum Pflichtwortschatz in "Menschlich". Mit gemischten Gefühlen stellte ich nach sorgsamen Anschnuppern fest: "Das sind alles Mädchen, kein einziger Bruder dabei!" Kurz dachte ich mit ein wenig Wehmut an Fango. Der hatte mich zwar so gerne geärgert, aber lieb hatte ich ihn trotzdem gehabt. Wo er jetzt wohl war, wie es ihm wohl ging...und auch meinen Schwestern?? Hastig verdrängte ich diesen traurigen Gedanken. Nein, ich sollte froh sein, sogar mehrere Spielkameraden auf einmal zu bekommen.
"Sieh ´mal, Feechen, das ist Sandra, da Nicki(richtig hieß sie Nicolette), das ist Tina und hier ist Katja." Unbekümmert wedelte ich mit meinem Schwänzchen. Das sollte heißen: "Ich fühl mich hier bei euch schon richtig wohl!" Um denen das wirklich deutlichst zu verklickern, schließlich sprachen die nicht "Hündisch", beließ ich es nicht etwa bei nur höflichen Schwänzchendrehen, um meine gute Erziehung zu beweisen, sondern betrieb außergewöhnlich intensives Wedeltrimmdichtraining und entschied: "Ein bisschen Ganzkörpergymnastik kann nicht schaden. Soll gut dafür sein, dass man groß und stark wird." Also schaukelte ich dann in den nächsten Minuten meinen kleinen Körper vor Freude wie wild hin und her. Dabei fiepte ich tüchtig vor mich hin.: "Ich mag euch schon jetzt unheimlich gern!!" Ob die das wohl schnallten? Blöd schienen die Vier nicht gerade zu sein. "Fast so intelligent wie wir Hunde!" sagte ich mir zufrieden. Denn ihre Streicheleinheiten waren erste Sahne. Prompt ernannte mein kleines Hundeherz sie zu meinen "Ersatzschwestern". Wir würden uns gut verstehen.
Sandra war 10 Jahre, Nicki 8 Jahre und die Wurfgeschwister .. ääh, wau, ich meine natürlich die Zwillinge Tina und Katja 6 Jahre alt. Die ähnelten sich aber nicht so wie wir Schäferhundgeschwister. Sie sahen total verschieden aus. Nur Sandra trug dunkles Fell auf dem Kopf. Die drei Anderen waren hell gekleidet. Waren die etwa nicht reinrassig? Auch egal, Hauptsache, sie wären lieb zu mir.
Ja, und das waren sie wirklich. Vom ersten Moment an ganz besonders Tina. Sie hörte gar nicht mehr auf, mich zu kraulen und erzählte mir dabei ganz viel. Schade, alles habe ich da noch nicht verstanden. Aber eines spürte ich sofort: Zwischen ihr und mir hatte es gewaltig gefunkt. Aus Dankbarkeit gab ich ihr ein Nasenküsschen. Wir wurden unzertrennlich!
Sandra, Nicki und Katja hielten sich ein wenig mehr zurück, denn ihr Papa schien sich nicht so sehr über mein auftauchen zu freuen. Naja, ich war ja auch bereits der dritte Vierbeiner in seinem Rudel. Doch Frauchen stand fest zu mir, obwohl ich ihr bis zu meinem 13. Lebensmonat so einige Probleme machte.
Feechen, Teil V Schlafgewohnheiten
Mir stand eine ganz wichtige Entscheidung bevor, fast zu schwierig für ein kleines Hundebaby wie mich. Zum Glück aber nur ´fast`.
In Frauchens Zimmer hatte ich ja bereits jene drei hübschen Weidenkörbe entdeckt. Und weshalb die da standen, war selbst mir klar. Ich müsste gottlob nicht in einer kalten Hundehütte irgendwo draußen oder auch nur auf einer dünnen Decke nächtigen, sondern schliefe ganz nah bei Frauchen wie Mato und Quinny auch. Klein-Quinnys Bettchen fand ich unter Frauchens Schreibtisch. Da konnte er träumen wie in einer richtigen Höhle. Matos Korb stand daneben vor dem Bücherregal und meiner lehnte schräg gegenüber von Frauchens Bett an der Wand. Selig stellte ich fest, dass mich sogar des Nachts höchstens ein einziger Meter von ihr trennte. Mein Herz machte einen ordentlichen Hopser vor Freude.
Neugierig unterzog ich unsere Kojen einer gründlichen Untersuchung. Waren sie auch gemütlich "eingerichtet? Als kleine blaublütige Prinzessin stellte ich da hohe Ansprüche. Was ich sah, stimmte mich mehr als zufrieden. Da lag nicht nur ein einziges verknautschtes Deckchen. Nein, mein Näschen konnte sich in drei lauschige große Decken bohren und...Ich war platt: Jeder von uns hatte doch tatsächlich ein süßes Kopfkissen in seinem Körbchen liegen. Donnerwetter, war das hier ein Service! Da war wirklich ein Riesenlob an Frauchen fällig. Begeistert ruderte ich mit dem Schwanz in der Luft herum, sauste zu meiner neuen Mama, sprang ungestüm an ihrem Bein hoch und leckte stürmisch ihre Hand.
"Na, Feechen, gefällt`s Dir bei uns?", sagte sie zärtlich zu mir und lachte. "Frauchen, das ist schon die zweite doofe Frage, seitdem wir uns kennen!" dachte ich dazu. Menschen waren eben keine Hunde. Da musste ich mit so was rechnen.
Aber es kam noch besser. Jeden Abend vor dem Schlafengehen besuchten uns Tina oder auch Katja und machten unsere Körbchen genau nach unseren Anweisungen für die Nacht fertig.
Wau, da war aber ein liebes Dankeschön von Quinny und mir an Mato angebracht. Der hatte die beiden nämlich zu seinen Kammerzofen erzogen. Sie erwiesen sich für Menschen als wirklich ausgesprochen lernfähig und erledigten ihre Aufgabe stets sehr gewissenhaft, super!
Unser vierbeiniger Boss schwärmte für Ordnung und erwartete eine total glatte Schlafdecke. Andernfalls nahm dieser Herr Hund doch nicht in seinem Körbchen Platz. Das wäre ja eine Zumutung gewesen. Mit vorwurfsvollem Blick rief er seine beiden Kammerzofen zur Ordnung. So ging das nicht! Hatten Tina oder Katja denn endlich dienstbeflissen alles zu seiner Zufriedenheit geordnet, gönnte Seine Majestät ihnen einen kurzen dankbaren Blick: "Ja, jetzt ist es recht!" Dann stieg Pascha Mato in genauso majestätischer Haltung hinein, ließ sich noch das Kopfkissen unter den Kopf schieben, seufzte einmal tief auf und schlief sofort ein.
Quinny dagegen gab keine Ruhe, bis das Innenleben seines Bettchens in Falten lag. Bei Nichtgefallen flehte er Tina mit einem extra innigen Dackelblick aus seinen riesigen Kulleraugen an: "So ist das noch nicht richtig. Da unten links fehlt noch eine Falte. Hilfst du mir?" Seine zweibeinige Freundin schmolz dahin wie Butter in der Sonne: " Mama, guck` doch ´mal. Ach, ist das nicht süß?" Frauchen grinste. Dann wandte Tina sich zu Quinny: "Quinny, noch einmal Bettchen machen?" Während ich beobachtete, wie meine Ersatzschwester dessen Koje neu "bezog", dachte ich: "Der hat den Bogen ´raus. Das muss ich mir abgucken!" Offensichtlich war dann endlich alles so, wie es sein sollte. Er sprang ins Körbchen, drehte sich ein paar Male um sich selbst und ließ sich, Kammerzofe Tina dankbar anschmalzend, vor Wonne aufseufzend zum Schlafen nieder. Nur das Kopfkissen konnte er auf den Tod nicht ausstehen und schubste es weg. Das blöde Ding fand er total überflüssig. Er zog es vor, seine Schnute unter die Decke zu stecken.
Ich schwärmte für ein möglichst weiches Lager. Ob Falten oder auch nicht, war mir piepegal. Eine Decke, noch eine Decke...und bitteschön auf jeden Fall dieses tolle Kissen. Es war Tinas Idee gewesen, uns die ehemaligen Babykopfkissen zu schenken. Ich fand das einfach famos. Jeden Abend vor dem Einschlafen schmuste sie ausgiebig mit mir und legte mir mein Kissen zurecht. Ich fühlte mich wie die berühmte Made im Speck und brummte vor Wohlbehagen laut vor mich hin. Dann schloss ich todmüde meine Augen und träumte vom hündischen Schlaraffenland mit Bäumen voller köstlicher Würste und Wiesen aus Kauknochen und anderem Schluckerzeug. Zu meinem Entzücken wuchsen da dann sogar wahre Büsche von meinem geliebten Mon cheri.
Feechen, Teil VI
Die ersten drei Tage mit meinem neuen Rudel waren einfach toll. Meine Familie war spitze, fand ich. Vor allem mein Frauchen. Mit meinen menschlichen Ersatzschwestern verstand ich mich prima. Mato, Quinny und ich waren zu einem lustigen Kleeblatt geworden. Ich schwebte auf Wolken.
Doch am vierten Tag wurde ich recht unsanft aus diesem Glückstaumel heraus gerissen. Eigentlich war es auch ein bisschen meine eigene Schuld, dass alles so kam, wie es dann kam. Wir vierbeinige Rasselbande tobten übermütig durch den schönen Garten, spielten Fangen und Wettrennen um Hoppels Weidenkätzchen und drehten dabei Runde um Runde um dieses gar nicht mehr so ganz winzige Bäumchen. Das hatte Hoppel da vor elf Jahren gepflanzt. Es war eigentlich gar kein Bäumchen mehr, sondern ein mächtig hoher Baum.
Wir flitzten wie die Verrückten herum. Ich legte ein dolles Tempo vor. Natürlich wollte ich meinen beiden neuen Freunden beweisen wollte, wie tüchtig ich schon wäre. "Wuff! Na, Kleines, kannste noch?", bellte mir Mato nach einiger Zeit entgegen. Um nichts in der Welt hätte ich zugegeben, dass ich inzwischen nur noch aus dem letzten Loch pfiff (keuch!), die lang andauernde Rennerei einfach noch viel zu anstrengend für meine kurzen Babybeine war. "Glaubt bloß nicht, ich mache schlapp!", quietschte ich zurück und versuchte wie zum Beweis doch tatsächlich noch einen Zahn zuzulegen. "Die ist klasse, nich Quinny?", wandte sich Mato an seinen kleinen Freund. Der aber wedelte nur hastig einmal kurz Zustimmung. Mehr dazu zu sagen, blieb ihm keine Zeit. Er war gerade eifrigst darum bemüht, eine neue persönliche Bestzeit aufzustellen.
"Wiff, Frauchen, bitte, bitte...ruf`` uns rein! Ich bin erledigt." Flehte ich insgeheim. Im selben Moment kam schon das ersehnte Kommando: "Mato, Quinny, Feechen...reinkommen!" Ob Frauchen hellhören konnte?? "Wau, das war aber auch höchste Eisenbahn!", fiepste ich ganz leise. Bloß nicht, dass meine beiden Kameraden das etwa mitkriegten. Erleichtert trippelte ich hinter den Anderen her in die Küche. Plötzlich fühlte ich mich total groggy und schnappte verzweifelt nach Luft. Kraftlos plumpste ich auf meinen Bauch. Wie schön, dass die Fliesen unter mir so kühl waren. Aber retten konnte mich das auch nicht mehr vor dem, was dann folgte.
Von einer Sekunde zur nächsten überfiel mich bleierne Müdigkeit. Ich fühlte mich unheimlich schlapp, rührte mich kein bisschen mehr und brachte es nicht einmal, auf Frauchens Streicheleinheiten zu reagieren. Alles verschwamm vor meinen Augen. Frauchen erschrak: "Was ist denn mit dir los?" Sie beugte sich über mich: "Mein Gott, deine Augen sind ja ganz weiß!" Ach, hätte ich ihr nur zuwinseln können, wie elend mir war. Doch selbst dafür ging es mir zu dreckig.
Alles Weitere kriegte ich nur wie durch einen Nebelschleier mit. Wie mein Näschen mir verriet, machte sich Frauchen große Sorgen um mich. "Mein Gott, hoffentlich warst du nicht schon krank, als sie dich mir verkauft haben!", schimpfte sie nervös. "Wie gut, dass ihre Bekannte heute da ist!", dachte ich. Die stand als seelische Stütze neben ihr, als sie sich dann telefonisch bei meiner Ziehmama erkundigte, wie es meinen Geschwistern ginge. Angeblich waren die alle gesund und topfit.
Doch ich, ich lag weiter da wie halbtot. Da das sich auch nicht änderte, fuhr Frauchen mit mir zur Tierklinik, wo sie Frau Dr.D. alles genau schilderte. Die Ärztin beobachtete mich eine kurze Weile. Aber ich muckste mich immer noch nicht. "Feechen sollte besser diese Nacht zur Untersuchung und Beobachtung hier bleiben. Soo kann ich gar nichts dazu sagen, was ihr fehlen könnte."
Wie? Ich sollte in dieser doofen Klinik allein zurück bleiben und Frauchen führe ohne mich wieder weg? Oh nein, das durfte doch nicht wahr sein! Das würde sie doch bestimmt nicht tun. Dazu hatte sie mich doch viel zu lieb. "Frauchen, bitte, lass mich nicht hier zurück. Ich hab` solche Angst ohne dich. Wer weiß, was die mit mir anstellen...!!?" Vor Verzweiflung brachte ich trotz meiner Schwäche sogar ein hilfloses kleines Wimmern zustande. Ob Frauchen das wenigstens mitgekriegte? Vielleicht hatte sie es ja doch tatsächlich gehört, aber manchmal sind selbst die liebsten Zweibeiner komisch. Anstatt ihren Gefühlen zu folgen, handeln die dann nach ihrem sogenannten Verstand. Falls Frauchen mein Winseln richtig gedeutet hatte, überhörte sie es da tunlichst. Ich kapierte das nicht, wollte es einfach nicht kapieren. Hatte sie mich denn überhaupt nicht lieb? Hatte ich mich so getäuscht?
Aber was war das denn? "Machen sie sich keine zu großen Sorgen. Ich kümmere mich persönlich um Feechen und werde öfter nach ihr sehen!" Wenn aber Frau Dr.D. so mit Frauchen sprach, hieß das, dass Frauchen wohl sehr traurig aussah, vielleicht sogar eine Träne meinetwegen verdrückte. Ach, Frauchen...! Dieser Gedanke tröstete mich ein wenig. Ich würde zwar bei dieser Ärztin bleiben, aber mein geliebtes Leittier hatte natüürlich(!) nie mit dem Gedanken gespielt, mich etwa im Stich zu lassen!! Wenn ich ihr doch ein kleines bisschen hätte zeigen können, wie erleichtert, ja stolz ich deswegen war. Doch mir blieb nur das warme Gefühl in meinem kleinen Babyherzen.
Frau Dr. D. sprach ganz lange ganz lieb mit Frauchen, erklärte ihr, was alles mit mir gemacht werden sollte. So nett, wie die zu Frauchen war, entschloss ich mich, trotz meiner Angst möglichst tapfer zu sein, ganz gleich, was auf mich zukäme. Hm, leicht würde das allerdings nicht, denn mittlerweile zitterte ich wie Espenlaub vor lauter Panik.
Die Ärztin rief zwei junge Mädchen, die mich dann vorsichtig hoch nahmen und die Treppe hinunter in den Keller trugen. Oh Gott, nein bitte nicht: Da standen doch tatsächlich Käfige an der Wand. Ganz kleine, etwas größere und auch ein paar ganz große. Ob die dann für Elefanten gedacht waren? Das konnte ich mir eigentlich nicht so recht vorstellen. Wie sollten die denn bitteschön die schmale Stiege hinunter gelangen? So kräftig waren die beiden Helferinnen doch auch nicht. Oder machte das dann der Direktor der Klinik? Den hatte ich auch kurz kennen gelernt. Ein Zweibeiner fast wie ein Baum, so groß.
Beruhigt stellte ich fest, dass Frauchen immer noch da war. Eigentlich wollte ich sie und vor allem mich selbst nicht blamieren und die Mitpatienten in den Käfigen wenigstens leise begrüßen, wie es sich gehört hätte. Doch erstens waren die alle mit ihrer eigenen Angst und ihren Schmerzen viel zu sehr beschäftigt, zweitens war ich viel zu erledigt und drittens konnte ich angstschlotterndes Etwas mittlerweile meine Gedanken schon gar nicht mehr richtig ordnen. Also ließ ich gute Erziehung gute Erziehung sein und hielt geknickt einfach die Schnute.(Blaublütige Prinzessinnen wie ich haben keine Schnauze!).
Ermattet schloss ich die Augen. "Haben sie eine weiche decke für Feechen? Ich möchte nicht, dass sie auf dem nackten Käfigboden liegt!", hörte ich Frauchen zu einem der Mädchen sagen. Die waren hier ja wirklich lieb. Ich hörte ein Klappern wie von einer Schranktüre. Da kam sie auch schon zurück und brachte eine kleine Hundedecke mit. Dann öffnete sie einen der großen Käfige, legte die Decke sorgfältig glatt gestrichen auf den Boden. Dann wurde ich ganz vorsichtig dadrauf gelegt. Fast hätte ich mich gefreut, so kuschelig war diese Unterlage. Aber auch zum Freuen langte es bei mir jetzt nicht mehr. Ich spürte Frauchens Blick auf mich gerichtet, da so hinter dem Käfiggitter. In diesem Moment wusste ich, der war genauso zum Heulen zumute wie mir. Ich unterdrückte ein hoch steigendes wimmern, um ihr den Abschied nicht noch schwerer zu machen. Aber das war ja gottlob auch noch Frau Dr. D., die mit beruhigenden Worten auf sie einsprach.
Ja, und dann kam der schreckliche Augenblick, dass sie ging. Mein Inneres schrie lautlos nach ihr. Doch es blieb dabei. Ohne sich nochmals nach mir umzusehen, verschwand Frauchen. Die Kellertüre schloss sich hinter ihnen. Es war totenstill. Ich war endgültig allein.
Was dann noch geschah, hat Frauchen mir dann später, als alles längst vorbei war, während einer Schmuseminute erzählt. Die Leute in der Klinik haben mich wohl von Kopf bis Pfote untersucht. Nichts. Ich war kerngesund. Es blieb ein Rätsel, was mit mir los war. Früh am nächsten Morgen klingelte bei Frauchen das Telefon: " Hallo, Frau Schumacher, sie können ganz unbesorgt sein. Ihrem Feechen geht es prima. Sie war ganz brav und wir haben schon einen schönen Spaziergang gemacht. Sie können sie gleich abholen, wenn sie zeit haben." Frauchen fiel ja fast der Hörer aus der Hand, so freute sie sich. "Wissen sie, gab sie zur Antwort, "ich habe auch gegrübelt, was eigentlich los ist. Könnte es sein, dass Feechen sich im Spiel einfach nur völlig verausgabt hat? Schließlich fordern Mato und Quinny sie ja sehr."
Frauchen ließ alles stehe und liegen. Meine Ersatzgeschwister fragten besorgt: "Mama, was ist denn nun mit Feechen?" "Nichts!", entgegente Frauchen strahlend. "Der kleine Fratz hat wahrscheinlich nur viel zu lange getobt. Ich fahr jetzt hin und hole sie ab!"
Es dauerte gar nicht so lange, bis Frauchen in der Praxis erschien. Sie war kurz vorm Heulen, so froh war sie. Allerdings schluckte sie tunlichst ihre Tränen runter, denn da saßen Menschen, die echt ernsten Kummer mit ihren Vierbeinern hatten. Sie setzte sich also ins Wartezimmer. Es vergingen ur Minuten, aber ihr erschienen sie wie Stunden. Dann endlich war es soweit. Die Tür des Wartezimemrs öffnete sich. Herein kam Frau Dr.D. mit mir an der Leine: "Guck`doch ´mal, Feechen, wer da ist....?!" Im ersten Moment schnallte ich es ja noch nicht. Verlegen gab ich ein kleines "Wiff" von mir, um der Höflichkeit genüge zu tun und wenigstens geantwortet zu haben.
Neugierig schnupperte ich. Es roch nach Vogel, Katze(knurr!!) und anderen Hunden, die mich fragend ansahen. Da fand ich meine Sprache wieder und bellte ihnen ein fröhliches "Wau" entgegen. Das sollte heißen: "Keine Angst, die sind hier alle furchtbar nett. Und wenn ihr Schmerzen habt, werdet ihr gestreichelt und getröstet." Ich bildete mir ein, nur, weil ich, das kleine Hundebaby, so etwas Kluges gesagt hatte, lägen sie direkt viel ruhiger da. Sogar auch der kleine Rauhhaardackel in der linken Ecke, der sich noch vor einer Sekunde unter dem Stuhl seines Besitzers fast halbtot gezittert hatte. Ich war sehr stolz auf mich.
Aber so ganz ohne triftigen Grund hatte mich doch Frau Dr.D. nicht hier hin gebracht. Ein zweites Mal unterzog ich den Raum einer Schnupperprüfung. Und dann fiel bei mir der Groschen. Ein ganz doll wichtiger Groschen war es, der da plumpste. Und dann plumpste noch etwas, nämlich ein riesiger Felsbrocken mir von der Seele. "Frauchen!!", war mein einziger Gedanke, Und noch einmal: "Mein Frauchen holt mich nach Hause. Wuwuwuuh!" Dies lang gezogene Heulen musst da einfach sein. Das konnte ich nicht unterdrücken. Wie verrückt schmiss ich mich in die Leine, auf Frauchen zu. Frau Dr. D. lachte und war ganz gerührt: "Mein Gott, Feechen kennt sie ja schon!" "Na klar, wau,!", war mein jubelnder Kommentar dazu."Wäre doch gelacht, wenn ich mein Frauchen nicht erkennen würde!" Wie ein Propeller sauste mein Schwänzchen durch die Luft vor Freude. Mein ganzer kleiner Körper krümmte sich zu einer einzigen großen Liebeserklärung, der ich mit einer blitzschnellen Vollwäsche mit der Zunge durch Frauchens Gesicht das I-Tüpfelchen aufsetzte. "Feechen, dass ich dich wiederhabe!", flüsterte mir Frauchen ins Ohr. Ich flüsterte per leisem Jaulen zurück: "Mich wirst du auch nicht so schnell wieder los!" Ich glaube fast, wir beide strahlten nur so um die Wette. Frauchen verabschiedete sich herzlich von meiner Ärztin und wir zogen gen Heimat.
Bester Laune zuhause angekommen, empfingen mich vier glückliche Ersatzschwestern und meine beiden garantiert ebenso frohe vierbeinigen Freunde Mato und Quinny. Jetzt waren sie es, die sich die Erleichterung von der Seele bellten. Wir machten alle eine ordentlichen Lärm. Als wir uns dann endlich beruhigt hatten, meinte Frauchen zu mir: "So, Kleines! Von nun an achte ich darauf, dass du noch nicht zu wild tobst!" Eigentlich fand ich das wieder ein bisschen doof. Aber sie hatte ja Recht.



Eingereicht am 13. Juni 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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