Auf dem Weg in ein schönes Hundeleben …
© Elke Link
Ich bin ein kleines weißes Bündel Hund.
Ein paar lange Haare habe ich schon, aber auch noch viel mehr ziemlich kurze.
Meine Haarpracht wird sich erst noch entwickeln, denn ich bin noch ganz klein.
Gerade erst auf die Welt gekommen.
Und meine Mama hat nicht nur mich, sondern noch Alfi, Amy, Adolfo, Aron, Asterix und Angel zur Welt gebracht.
"Zur Welt gebracht" klingt gut - aber, was ist das WELT? - eigentlich haben wir alle, meine Brüder und meine Schwestern Angel und Amy von dieser ganzen WELT noch gar nichts gesehen.
Wir leben hier mit unserer Mama inmitten von ganz viel weichem Heu, und manchmal ist auch ein wenig Stroh dabei, was uns ziemlich oft in unseren Bauch piekst. Unser Bauch ist ja auch ziemlich nah am Boden, weil unsere Beinchen noch so kurz sind.
Dass das da Heu und Stroh ist, was uns da piekst, weiß ich von den Leuten, die täglich kommen, um uns zu bewundern. Sie erschrecken sich darüber, dass wir in Heu und Stroh wohnen! Sie rufen dann "ah" und "oh" und die Frauen hören gar nicht mehr auf zu grinsen. Sie wollen sich wohl von ihrer besten Seite zeigen. Und die Kinder, ach die Kinder, besonders die ganz kleinen, die krabbschen immerfort nur nach uns. Sie wollen uns ständig streicheln und graulen, und das mögen wir eigentlich gar nicht
so sehr.
Da war Stephie, ein ganz kleines Mädchen, welches ständig Asterix in die Augen fassen wollte. Aber Asterix konnte immer noch im letzten Moment abhauen. Die Mutter von Stephie hat es ganz genau gesehen, dass Stephie immer wieder in die Augen pieksen wollte. Aber sie hat überhaupt nichts dagegen getan. Sie mag wohl keine Hunde.
Ich bin dann zu meinen Geschwistern gelaufen und habe denen das erzählt. Sie bekamen alle eine schreckliche Wut, aber eigentlich war es nur Angst, und wir haben uns alle hinter unserer Mami versteckt. Keiner wollte mehr nach vorne, in die erste Reihe, kommen.
Bis dann Hartmut, unser Herrchen, energisch mit uns schimpfte.
Hartmut, unser Züchter, will uns nur loswerden. Wir fressen ihm womöglich viel zu viel. Wo wir doch alle so süß aussehen!! Schöner werden wir wohl nie, sagte uns unsere Mutter. Und wenn ich meine Geschwister anschaue, muss ich ihr Recht geben. Unser Fell ist tadellos und von Mama sauber geleckt. Und ein paar Löckchen kommen auch schon durch.
Und riechen tun wir auch so gut - ein wenig nach Heu - aber das ist doch normal. Und natürlich nach Milch, Milch von Mama. Mamas Milch läuft immer ein wenig daneben, wenn wir trinken. Ach, was schmeckt Mamas Milch so gut!
Nun ja, Hartmut hat mittlerweile erreicht, dass wir unser Versteck hinter Mama aufgegeben haben und in der ersten Reihe sitzen. Wir grinsen alle vor uns hin, weil Hartmut uns erzählt hat, dass wir nicht immer hier bei Mama bleiben können. Er hat uns überzeugt. Wir müssen unser eigenes Leben führen, und hier, vorne in der ersten Reihe, soll die Entscheidung fallen.
Die Entscheidung, ob wir in eine Familie kommen, wo wir mit im Bett schlafen dürfen, vom Tisch die leckersten Brocken abbekommen, oder ob wir unser Leben in einem Zwinger fristen müssen, mit abgekochten alten Knochen und Trockenfutter.
"Haaaach - das mit dem Bettchen klingt ja recht gut - aber Mama? Ohne Mama ist im Moment alles undenkbar. Ihr warmer Milchbusen, der sich so warm und kuschelig anfühlt, ohne ihn ist für mich ein Leben zurzeit noch undenkbar. Mir kommen die Tränen und es zerreißt mir das Herz. Aber - Aron mein großer Bruder redet ständig auf mich ein, mich zusammen zu reißen, keine "Memme" zu sein, der Realität ins Auge zu sehen.
Ach, ich will doch noch gar nicht erwachsen sein!
Also sitze ich hier in der ersten Reihe, schaue mir meine "Zukünftigen" genauestens an und präsentiere mich - gezwungenermaßen - in Bestform. Eigentlich hoffe ich jedes Mal, dass man sich für einen meiner Geschwister entscheidet, ich gucke auch immer zur Seite, mache eine tapsige Bewegung, damit sie meinen, mit mir wäre was nicht in Ordnung.
Aber - vielleicht wäre es besser, sich mitnehmen zu lassen, als jedes Mal diese Trauerzeremonie miterleben zu müssen, wenn einer der Geschwister abgeholt wird. Jedes mal bücken die Leute sich nach uns, und greifen sich einen von uns.
Und dann ein letzter Blick - und das war`s dann. Auf nimmer Wiedersehen.
Und dann das Geheule hinter Mamas Rücken. Kaum auszuhalten!
Ich würde Mama heiraten, wenn ich könnte!
Sie ist so schön, so wunderbar gemütlich, so gut, so stolz, sie riecht so gut. Sie ist der "Inbegriff" meines Lebens. Meinen Papa habe ich noch nie gesehen. Ich glaube, er war nur einmal kurz da, hat Mama geschwängert, und das war`s dann.
Mamas Augen sah man es 63 Tage an, dass dieser Moment gigantisch gewesen sein muss. Er muss wirklich beeindruckend gewesen sein, mein Vater.
Wie er hieß, steht auf meiner Geburtsurkunde. Ich war der 3. Welpe, der auf die Welt kam. Mama hatte ganz schön geschnauft und die Luft ging ihr fast aus, aber dann kam ICH. Und ich glaube, so wie ich mich sehe, bin ich doch was ziemlich Besonderes.
Ich habe schlohweiße Haare. Habe schwarze Knopf-Äuglein, eine große feuchte Nase, allerdings noch ein paar Milchzähnchen und ziemlich lange scharfe spitze Fingernägel, die sich aber noch abschleifen sollen (habe ich mir sagen lassen). Meine Beinchen sind gerade gewachsen und mein Schwänzchen steht kerzengerade nach oben. Nur wenn ich traurig bin, ziehe ich es ein (ob ich es will oder nicht!).
Ach ja, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt: Mein Name ist Adorno.
Adorno klingt eigentlich nicht so toll. Am liebsten haben Hunde Namen, die hinten mit "i" oder "y" enden, wie Charly, Micki, Lilly, Andy, Amy u. u. u.
Weil wir Hunde es gerne hören, wenn hinten ein "i" dran ist, das klingt so süß und lieb und verlockend.
Aber Adorno? Klingt irgendwie italienisch.
Das Komische an der ganzen Sache ist, dass die Leute immer lachen, wenn sie mich anschauen und gesagt bekommen, dass ich Adorno heiße.
Was wohl an Adorno so lustiges ist?
Nun gut, ist ja auch nicht so wichtig. Auf jeden Fall habe ich einen Namen, einen nicht nur lustigen, sondern einen "ernstzunehmenden".
Plötzlich richten sich alle Augen auf mich.
Ich versuche noch zu fliehen, aber jegliche Versuche scheitern an der Konsequenz meines womöglich neuen Besitzers. Sie haben irgendwie, einen Narren an mir gefressen. Obwohl ich ständig hinter meiner Mutter verschwand und hoffte, dass sie sich für einen meiner Geschwister interessierten, fanden sie mich immer wieder. Wahrscheinlich haben sie mich an meinem Muttermal hinter meinem linken Ohr erkannt.
Ich habe es bisher ständig versucht zu verbergen. Immer wenn mein Ohr sich mal - aus Versehen - nach vorne klappte, riss ich es sofort nach hinten.
Mein Muttermal - hinter meinem linken Ohr - das durfte keiner sehen! Das war mir und nur meine Mama wusste davon.
Aber womöglich haben sie es gesehen, das Muttermal, und haben mich wieder erkannt, obwohl ich mich doch so sehr bemühte, nicht aufzufallen.
Ich wollte mich verkrümeln, damit ich nicht weg musste - weg von Mama.
Eine Hand streckte sich nach mir aus, meine Nackenhaare sträubten sich, aber vergebens. Schon hatte man mich aus meiner wohligen Umgebung herausgehoben. Ich zitterte ein wenig, meine Äuglein machte ich erst mal überhaupt nicht auf. Ich hatte Angst, Angst vor dem Gesicht meines neuen Besitzers.
Bis ich dann diese Stimme hörte, diese sanften ersten Worte meines neuen Frauchens …
Wie es weitergeht wird man vielleicht in einem Hunderoman für Kinder lesen können.
Abwarten …
Eingereicht am 06. April 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.