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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

anfang - Prosaskizze

Von Benjamin Mertens


Voller Leben steht die Birke auf dem leeren Friedhof, ein Schauer von Liebe durchhaucht Johannes im Moment des Betrachtens, wie lebloses durch sein Betrachten lebend wird, zieht es ihm durch den Kopf. Es soll einmal einen Mönch gegeben haben, der jeden Tag um dieselbe Zeit einen alten, verdorrten Baum wässerte. Das tat er Jahr um Jahr und, man mag es nicht glauben wollen, doch geschah es so, dem Baum wuchsen Sprossen, er blühte auf.
Vielleicht mag es dieser Birke auch so gegangen sein, umringt von Grabsteinen, deren Aufschriften mit der Zeit verblassten, vielleicht hat ein Mensch beim sonntäglichen Besuch eines nebenstehenden Grabsteines, wenn auch nur unbewusst, so sei der Tat damit nicht weniger Geltung gegeben, einen Gedanken an diese Birke verschenkt.
J. schlurft in Gedanken verloren über den Gehweg, streicht mit der Hand über den rostigen Eisenzaun des Friedhofes, da durchzuckt es ihn heiß, Nacht umhüllt ihn, er verliert sein Bewusstsein und stürzt zu Boden.
Alles ist in Farben getaucht, aus dem Dunkel ersprießen Formen, eine Melodie füllt den ganzen, nicht enden wollenden Raum.
Eine Ebene wird sichtbar, Wüstenlandschaft.
J. steht auf beiden Beinen, schaut sich um, blinzelt der zu starken Helligkeit der Sonne wegen. Nichts ist zu sehen, wenn man Nichts sehen könnte, so sieht J. in diesem Moment Nichts, Nichts außer ockernem Sand und gleißendem Licht. Ein ständiges glitzerndes, funkelndes Lichtspiel. Die Melodie von vorher ist verstummt, ein langer, dumpfer Schrei durchfährt J.'s Glieder, rauscht an ihm vorbei, wie ein schwer beladener Lastwagen.
Das Licht ist nun erträglicher geworden in der wüsten Ebene. "Ich verstehe nicht", hört er sich sagen. Er sieht, wie ein Schatten davonhuscht, aus seinem Blickfeld verschwindet. J. fällt auf seine Knie und stützt den Kopf mit seinen Händen, eine untragbare Traurigkeit erfasst ihn und er beginnt zu weinen. Er weint aus Angst, aus Liebe, aus Mitleid, er weint als ob er die Welt beweinte. Eine Ewigkeit scheint vergangen als er sich wieder auf dem Boden kniend, den Kopf mit seinen Händen vor der Berührung der heißen Wüste abhaltend, wiederfindet.
Vor ihm ist ein Spross aus dem Wüstensand emporgewachsen, ein kleiner grüner Halm.
Ein Taumel wirft ihn erneut in die Nacht, er fällt, beginnt um sich zu treten, sich gegen etwas zu wehren, dass nicht da ist. Nach einer Weile macht Erschöpfung sich breit und er kauert sich zusammen als ob er schlafe, die Knie an den Bauch herangezogen, die Arme vor dem Kopf verschränkt.
Als ein Lichtstrahl konzentrisch das Dunkel erhellt, wird J. sich seiner Glieder wieder bewusst.
"Wo war ich?", J. zieht sich an dem Friedhofszaun empor und rückt sich seine Kleider zurecht, als ob er beobachtet würde. Doch auf der Straße ist niemand zu sehen, keine Menschenseele weit und breit, nicht einmal Autos fahren die Straße entlang.
Er beginnt zu laufen, beschleunigt seinen Schritt, nur endlich jemanden zu sehen, der außer ihm noch in der Welt ist. Er dreht sich um, schaut nach vorn, er beginnt zu rennen.
An einer Straßenecke stehengeblieben, erkennt er in einiger Entfernung einen Menschen. Er bewegt sich auf ihn zu. Der Mensch beugt sich nach unten, als ob ihm etwas im Nacken sitze, ihn zu Boden drücken würde. J. bleibt stehen, beobachtet die Person, versucht zu erkennen, ob etwas auf dem Boden zu sehen sei, ob die Person etwas suche.
Er vermag nun ein verwaschenes Gesicht wahrzunehmen, die Entfernung ist zu groß, J. nähert sich weiter. "Suchen Sie etwas?", J. scheint fast zu flüstern. Der Mensch schreckt auf, als habe jemand nach ihm gerufen, sieht sich um und erkennt Johannes.
"Nein nein, ich suche nicht, es war nur.. diese Hitze... ich weiß nicht was mit mir geschah, doch dann kamen sie. Es war unerträglich, als ob ich alles aufzufangen verdammt war, was an Qual, Leid und Wehmut aus der Welt dringt. Es ging durch mich, ich konnte es nicht halten, es warf mich nieder."



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