Kurzgeschichte Science Fiction        
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Verschollen im Universum (Inspiriert durch das Weltraum-Simulationsspiel ogame)

© Esther Wäcken


Mächtig stolz war Falken gewesen, als er diesen Spionageauftrag bekam. Extra für diesen Erkundungsflug war ein verbesserter Typ des leichten Jägers entwickelt worden mit einer speziellen Tarntechnologie, die ihn für die feindliche Sensorphalanx praktisch unsichtbar machte, dazu ein brandneues Navigationssystem. Mit noch nicht mal ganz 15 Jahren war Falken, dessen vollständiger Kriegername "Falken the Warcraft" lautete, der jüngste Pilot der Allianz und bereits im Rang eines Lieutenant Colonel. Vorzeitig und mit Auszeichnung hatte er seinen Abschluss auf der intergalaktischen Hochschule gemacht und war gleich danach der Allianz der S.T.U.E.R.M.E.R beigetreten deren Namen für stark, treu, unbesiegt, einzigartig, rechtschaffend, mutig, ehrlich und risikobereit stand.
Vor langen Jahren hatte der weise Gründer der Allianz diese ins Leben gerufen um den Frieden im Universum zu bewahren und diplomatische Lösungen für alle Probleme zu finden. Ganz neue Möglichkeiten hatten sich ergeben, als die Vorfahren der heutigen Menschen begannen, den Weltraum zu besiedeln, immer neue Planeten zu kolonisieren. Zunächst war dies hauptsächlich wegen der begehrten Rohstoffe geschehen. Ein lohnender Planet wurde ausgesucht und erschlossen. Metall- und Kristallminen wurden ausgebaut. Deuteriumsynthetisierer entzogen dem Wasser den geringen Deuteriumanteil. Solar- und Fusionskraftwerke sorgten für die benötigte Energie. Und je nach dem, wie wirtschaftlich der Planet war, wurden auch Roboterfabriken, Raumschiffwerften und Forschungslabors gebaut. Terraformer sorgten dafür, dass mehr bebaubare Fläche zur Verfügung stand und die Allianzdepots versorgten befreundete Flotten mit Treibstoff.
Natürlich war es zuerst alles andere als einfach gewesen im Universum für ein friedliches Miteinander zu sorgen. Zu viele verschiedene Allianzen erhoben Anspruch auf die Kolonien im Weltall, jeder wollte die begehrten Ressourcen für seine Interessen sichern. Es kam zu mach bitterem, intergalaktischen Krieg. Doch in langen Verhandlungen wurden Bündnisse, Handelsabkommen und Nichtangriffspakts ausgehandelt. Seitdem herrschte friedliche Koexistenz im Universum und Falken hatte in seinem jungen Leben noch keinen Krieg kennen gelernt.
Geboren und aufgewachsen war Falken auf dem Planet des Friedens, einer der vielleicht schönsten Kolonien im Weltraum, auch der grüne Planet genannt. Fast die gesamte Oberfläche war mit Wald bedeckt und Utopia, die einzige, große Metropole auf dem Planeten, war eine reine Wohnkolonie mit allem erdenklichen technischen Komfort für die Angehörigen der Raumflotte, der Forschungszentren und des Ministeriums mit ihren Familien. Lange hatte Falken die Schönheit seines Heimatplaneten als selbstverständlich hingenommen. Bis er seinen Vater schließlich auf seinen diplomatischen Reisen durch das Universum begleitete. Reizvoll auf ihre Art waren viele Planeten aber auf keinem von ihnen hätte Falken sich vorstellen können, sein Leben zu verbringen. Eisplaneten gab es da mit Temperaturen nahe dem absoluten Gefrierpunkt ebenso wie heißeste Wüstenplaneten, auf welchen man ohne entsprechende Schutzausrüstung niemals hätte überleben können. Aber auch sie wurden als Rohstofflieferanten gebraucht.
Und welch fremdartigen Kulturen und Rassen Falken schon begegnet war! Da gab es hochintelligente, menschenähnliche Echsenwesen, unheimlich anmutende Insektoiden, absonderliche Mutanten und Hybridwesen dazu unzählige Androiden. Noch gut erinnerte Falken sich daran wie er mit 8 Jahren seinen Vater zu Verhandlungen nach Aldaris begleitet hatte. Die dort ansässigen Eldar waren ein sehr kriegerisches, hochgerüstetes Volk, welches von Diplomatie zunächst gar nichts wissen wollte. Die Verhandlungen zogen sich endlos hin und dem Achtjährigen wurde langweilig. So stahl er sich davon, um die Urwälder auf Aldaris zu erkunden, die an seine Heimatwelt erinnerten. Und prompt hatte er sich in dem unüberschaubaren Dickicht verlaufen. Was war er erschrocken als er sich plötzlich diesem Wesen gegenüber sah, das an einen aufrecht gehenden, 2 Meter großen Igel erinnerte. Mit den Stacheln auf seinem Rücken hätte dieses Geschöpf ihn mühelos von Kopf bis Fuß durchlöchern können. Es dauerte geraume Zeit bis es dem Igelwesen gelungen war, ihm in seiner seltsam fauchenden, knurrenden Sprache klar zu machen, dass es ihm nichts tun wollte, ihm im Gegenteil helfen wollte, den Rückweg wieder zu finden.
Doch die faszinierendste Begegnung war die mit einem vom Volk der Uralten gewesen. Viele Bezeichnungen gab es für dieses Volk im Universum; die Allerersten, die Weisen, selbst die Götterrasse wurden sie genannt. Die älteste Rasse überhaupt, die schon seit Millionen, vielleicht Milliarden von Jahren existierte. Und in dieser unendlich langen Zeit hatten sie Fähigkeiten und Wissen erworben, die das Begriffsvermögen einen gewöhnlichen Menschen bei weitem überstiegen. Jeder Einzelne von ihnen konnte mehrere tausend Jahre alt werden, einigen war es sogar gelungen, Unsterblichkeit zu erlangen. Dieses Wesen, das äußerlich von einem normal sterblichen Menschen nicht zu unterscheiden war, hatte eine solche Ausstrahlung, dass Falken ehrfürchtige Schauer über den Rücken gelaufen waren. Und er hatte sich gefühlt, als könne dieser Allererste bis in den hintersten Winkel seiner Seele eindringen.
Und jetzt stand er hier, kurz vor seinem Abflug. Der Hauptplanet der Mafia-Allianz war sein Ziel. Diese intergalaktische Mafia hatte es schon immer gegen und das Einzige, was sie je interessiert hatte, waren fette Raids. In letzter Zeit nahmen ihre Angriffe jedoch überhand. Die Mafia ging immer nach dem gleichen Schema vor. Sie suchten sich eine weit abgelegene Rohstoffkolonie aus, die sie mit ihren Langstreckenscannern ausspionierten. Die meist ohnehin nicht sehr weit ausgebauten Verteidigungsanlagen erledigten sie mit Interplanetarraketen. Dann kamen sie mit ihren Flotten um die Rohstoffe abzuernten und auf dem intergalaktischen Schwarzmarkt zu verschachern. Falkens Auftrag bestand darin, der S.T.U.E.R.M.E.R-Allianz einen genauen Bericht über die Verteidigungs- und Flottenstärke der Mafia zu liefern, damit diese zusammen mit ihren verbündeten Allianzen einen Angriff auf die Mafia koordinieren konnten um ihrem Treiben endlich Einhalt zu gebieten.
Nicht alle waren damit einverstanden gewesen, ausgerechnet dem jüngsten Piloten diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übertragen. Mit seine typisch jungendlichen, oft wurschtig-überheblichen Art hatte Falken sich nicht nur Freunde unter den älteren Mitgliedern der Allianz gemacht. Aber niemand konnte bestreiten, dass er als Pilot ein Naturtalent war und sicher später - gleich seinem Vater - einen guten Diplomaten abgeben würde.
Stolz und aufgeregt zugleich stand Falkon in seiner Fliegermontur - einem silbrig schimmernden Overall, der gleich einer 2. Haut anlag - bereit, um sich von seinen Angehörigen und Flottenkameraden zu verabschieden, letzte Instruktionen seiner Vorgesetzten entgegen zu nehmen.
Wie jedes Mal beim Start pumpte sein Herz einen mächtigen Adrenalinschub durch sein Blut während er die letzten notwendigen Checks vornahm, schließlich die Triebwerke des leichten Jägers zündete. Der Hyperraumsprung war für Falken schon Routine. Was sollte auch schief gehen, jetzt, mit dem neuen Navigationssystem und der Tarnvorrichtung? Sekundenschnell würde er am Ziel sein, seinen Auftrag ausführen und wäre auch schon wieder zurück.
Doch was war das? Dieser Teil des Universum, in den ihn sein Hyperraumsprung katapultiert hatte, kam Falken gänzlich unbekannt vor. Keine Spur von Piccaria, dem Hauptplaneten der Mafia. Er schaltete auf Langstreckenscan. Nichts! Kein Zeichen von Leben, Zivilisation! Der Abgleich mit den Sternenkartendateien aus seinem Computer brache keine Übereinstimmung mit irgendeinem System in seiner Nähe. Das Funkgerät gab nur statisches Rauschen und Knistern von sich. Verdammt! Wo war er hier gelandet?
Die unterschiedlichsten Gefühle wallten in Falken auf. Verwirrung und Wut. Wut auf diese neunmalklugen Wissenschaftler, die ein angeblich unfehlbares Navigationssystem entwickelten, welches ihn dann irgendwo im nirgendwo aussetzte. Besorgnis, weil seine "Mayday! Mayday! Mayday!" - Rufe ungehört verhallten. Hier schien es wirklich nichts und niemanden außer ihm zu geben. Falken zwang sich, logisch zu analysieren. Er war ohne Zweifel in einem noch unerforschten Teil des Universums gestrandet. Sorgsam überprüfte er seine Vorräte an Treibstoff, Nahrung und Sauerstoff, versuchte zu berechnen, wie lange diese noch ausreichen würden. Der Bordcomputer war genau so ratlos wie er selbst. Ohne exaktes Wissen darüber, wo sein augenblicklicher Standort war gab es auch keine Berechnung für einen möglichen Rückweg. Mehr und mehr kam Falken die Erkenntnis, dass schon ein Wunder geschehen musste, damit er aus dieser Situation wieder heil heraus kam. Vorsorglich schaltete er alle Systeme, die nicht unbedingt gebraucht wurde, ab um Energie zu sparen. Den Computer ließ er im automatischen Scan- und Notrufmodus laufen. Die Triebwerke schaltete er aus. Was nützte es, vorwärts zu fliegen, wenn man kein wirkliches Ziel hatte. Genau so gut konnte er sich einfach treiben lassen und auf das Beste hoffen.
Die Tage vergingen, einer so ergebnislos wie der voran gegangene. Obwohl Falken alles versuchte, seine Vorräte so gut wie möglich zu rationieren, gingen diese unaufhaltsam zu Ende. Immerhin war der leichte Jäger nicht dafür ausgerüstet, tagelang, gar wochenlang durchs All zu treiben. Falken blieb nichts anderes übrig, als sich in seinem Pilotensitz zurück zu lehnen und seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Wut und Besorgnis waren längst vergangen. Jetzt war da nur noch eine große Traurigkeit in Erkenntnis der Tatsache, dass er wohl ewig so weiter treiben würde, nie mehr nach Hause zurückkäme. Es stimmte tatsächlich, dass angesichts des sicheren Todes das gesamte Leben wie ein Film vor einem ablief. Seine Familie und Freunde, alle Menschen und sonstigen Wesen, denen er je begegnet war, sämtliche Planeten, auf denen er je gewesen war, zogen in einer Parade vor seinem geistigen Auge vorbei. Manche Erinnerungen ließen ihn schmunzeln, andere stimmten ihn traurig. Unmerklich wurde es kälter im Cockpit des Jägers, langsam wurde der Sauerstoffgehalt der Atemluft geringer und sein schmerzhaftes Magenknurren nahm Falken kaum noch bewusst wahr. Sein letzter bewusster Gedanke galt seiner Mutter. Deutlich meinte er, ihre Stimme zu hören, die ihm das alte Gedicht vom verschollenen Raumfahrer vortrug.
Im All, im tiefen, dunklen,
da bin ich ganz alleine.
Wenn alle Sterne funkeln,
dann flieg ich still und weine.
Vergebens ist mein sehnen.
Es fließen meine Tränen,
es fließen meine Tränen,
es fließen meine Tränen.
Bestimmt hatte seine Mutter nie geahnt, dass ihr eigener Sohn einmal dieser verschollene Raumfahrer sein könnte. Falken schloss die Augen, ließ sich in seinem Sitz zusammen sinken. Eine letzte, einsame Träne stahl sich unter seinen geschlossenen Augenlidern hervor um in eisiger Spur auf seiner Wange fest zu frieren. Auf ewig würde er so weiter treiben in der tiefen, unendlichen Kälte des Weltalls.
Die riesige, blau phosphoreszierende Kugel, die seinen Jäger mit einem Traktorstrahl in ihr Inneres zog, bemerkte Falken nicht mehr.



Eingereicht am 19. März 2006.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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