Stadt de Xyr (1)
© Franz Gruber
Das ist unglaublich, Reija wird mich für verrückt erklären wenn ich ihr das sage. "Orange, lokalisiere Reija", und unser überaus intelligenter und schneller Schiffscomputer antwortete sofort: "Sie ist im Meditationsgarten und hat ihr Com abgelegt". "Sende einen Zero 5, ihr Com soll leuchten wie ein Weihnachtsbaum und Krach machen wie ein neuvenezianischer Spatz beim Balztanz". "Keine Reaktion, soll ich sie über die Schiffslautsprecher rufen", fragte Orange. "Nein, ich gehe hin" und machte mich auf dem Weg zum Portal.
Diese Portale waren eine feine Sache, überall auf dem Schiff verteilt und in jedem Gang zu finden. Innerhalb eines Augenaufschlags konnte man so von einem zum anderen Ende des Schiffes gelangen. Auf meinem Ausbildungsschiff. Der "Nebular Star" gab es nur auf jeder Etage eins. Gut, das war mit 1200 m Durchmesser und einer annähernd kugeligen Gestalt auch nicht besonders groß aber durch die verwinkelten Gänge von Vorne nach Hinten zu gelangen war 'ne ganz schöne Lauferei. Durch die Gravitationseinheit im Zentrum dieser Kugel hatte man fast die Schwerkraft wie auf der Erde aber eben auch einen zwiebelähnlichen Aufbau der kaum gerade Gänge ermöglichte, Auf der "Sunfire" wäre man zu Fuß Stunden unterwegs. Bei ihrer Fertigstellung vor 14 Monaten hatte sie die Maßstäbe ganz schön nach oben geschoben. 4738 m Durchmesser und nur 3000 m Höhe glich sie mehr einem unförmigen Kürbis als dem Prestigeobjekt der interstellaren Transport- und Forschungstechnik. Der Garten befindet sich ganz oben, sozusagen in der äußerste Zwiebelschale. Manche mieden ihn denn den Ort der Kontemplation trennte "nur" ein durchsichtiges Energiefeld vom lebensfeindlichen Universum. Reija lag in ihrem weiten safranfarbenen Overall im weichen Gras und ist offensichtlich eingenickt.
"Meditieren kann ganz schön anstrengend sein" sage ich zu ihr während ich mich setze. Sie blinzelt mich verträumt an. "Du wirst nicht glauben was ich eben entdeckt habe. Auf Planet L 798 Gamma 327 kann ich von hier aus Spuren einer Zivilisation erkennen. Eine gewaltige Stadt, den Daten nach hätten die Bewohner von New York und Brasilia bequem drin Platz. Ich weiß noch nicht ob ich die Daten falsch interpretiere oder die Sensoren nicht stimmen aber alles deutet darauf hin, dass sie in 1500 m Höhe in der Atmosphäre schwebt", erkläre ich ihr. "Hast du im MED wieder synthetische Drogen geklaut oder hat dich jetzt der Weltraumkoller", ihre ungläubige Reaktion. "Komm mit ins Labor, überzeug' dich und dann frag den Kapitain ob wir unsere Position ändern können oder erstmal Drohnen hin schicken sollen, du bist schließlich die Leiterin der Forschungsabteilung. Wo hast du eigentlich dein Com, hatte dich gerufen und dann sogar einen Zero 5 geschickt". Sie kramt in einer ihrer Taschen und holt eine kleine Dose raus, öffnet sie und klebt das Com an ihre Schläfe. Nach wenigen Sekunden hat sich das Com in ihr Gehirnmuster eingeloggt und eine kleine grüne Diode leuchtet. "Wollte nicht gestört werden, musste nachdenken", äußert sie betrübt. "Wieder Sorgen wegen Alegs", frage ich. Sie nickt und wir machen uns auf den Weg.
Zurück im Labor gibt sie Orange die Anweisung alle Daten zu Gamma 327 als Holo auf dem Table darzustellen. Ist mir immer noch ein Rätsel wie die Dinger funktionieren. Ein leises Zischen und ein Schleier aus Nanoteilchen steigt aus vielen kleinen Düsen auf und formt einen Planeten und eine Art Bildschirm auf dem die Daten angezeigt werden die sich nicht grafisch darstellen lassen. Größe, Temperatur, Sonnenumlauf, Rotation, Zusammensetzung der Atmosphäre und eine Warnung, dass einige Daten vor Ort genauer überprüft werden müssen, da der Pacograph auf diese Entfernung nur Gase erfassen kann die einen Anteil von mindestens 20 % haben.
"Erdähnlich, wenn auch etwas größer, drei große Kontinente mit dichter Vegetation überzogen und von Wasser umgeben, die Fauna kann auf diese Entfernung auch nicht untersucht werden" murmelt sie. Da die Stadt, ein großer kreisförmiger und fleckiger Klecks über einem der Meere. Doppelsonnen, er ist etwas weiter von seinen Sonnen entfernt als die Erde und zwei Monde. Temperaturgefälle vom Äquator 30 Grad bis zu den Polen 5 Grad auf der Tagseite, wüsste gerne wer da das Wetter macht. Sie greift sich einen Datenhandschuh und zoomt den Bereich auf maximale Größe. Sie wird zwar größer aber Details sind noch immer nicht zu erkennen. Den Strukturen nach ist es ein künstliches Gebilde und es bewegt sich, zwar langsam aber stetig.
Über ihr Com ruft sie Kapitain Pera und schildert ihm die Sache, ich schalte mich in das Gespräch ein. "Dr. Dumond braucht noch ein paar Tage mit dieser Sonne hier, er hat eine uns unbekannte Materie entdeckt. Ich gebe ihm noch fünf Tage und bis dahin erwarte ich von euch genauere Daten. Das Astrolab Diamond ist verfügbar, mit dem Nullzeitantrieb seid ihr schneller dort als ich der Sunfire den Befehl zum Ortswechsel geben kann."spricht er und verabschiedet sich.
Die Diamond nicht ganz so gut ausgestattet wie unser Labor hier aber wir brauchen nicht warten. "Kümmere dich darum das Teil startklar zu kriegen, ich transferiere die Ausrüstung und frage Ivana und Eryg ob sie mitkommen möchten. Ein paar Hiwis brauchen wir auch noch, 'n Techniker, einen aus dem MED. Ich poste unseren Ausflug im Board mal sehen ob noch jemand Interesse hat. Abflug in drei Stunden." sagt sie als wollte sie nur zu McFly Fritten und 'n Burger holen. Die Schiffs-KI der Sunrise hat während unseres Com-Gesprächs alle für sie wichtigen Informationen ausgelesen und alles veranlasst. Zugangsberechtigungen, Befehle an zuarbeitende stellen, Standardausrüstung - um den Rest würde sich Reija kümmern - und die ersten Robos waren auch schon an der Diamond beschäftigt.
Robos, manchmal waren sie auch eine Plage und es gab Unmengen davon, menschenähnliche als persönliche Diener, spezialisierte in allen Formen und Größen für die Wartung der Technik, zum Sauber machen, Minenrobos und natürlich in der Produktionsetage die Hersteller der ganzen Güter die man anfordern konnte. Einem Forschungsroboter war es gar gelungen diesen Nullzeitantrieb zu entwickeln. Die Anekdote besagt, dass er gerade die kompletten vedischen Schriften implementiert bekam und daraufhin das Brahma-Schema skizzierte das die Grundlage für diesen Antrieb ist. Vielen nennen ihn deshalb auch Brahma-Antrieb. Früher hatte man mit allen möglichen Antrieben experimentiert. Die letzten Ionenantriebe erreichten fast halbe Lichtgeschwindigkeit und wurden lange Zeit für Reisen innerhalb des Sonnensystems verwendet. Selbst Antimaterie getriebene Schiffe in da Vinci-Feldern brauchten bei 150-facher Lichtgeschwindigkeit noch viel zu lange um Ziele außerhalb der Milchstraße zu erreichen. Der Brahma-Antrieb benötigt gar keine Zeit, das Schiff dematerialisiert sich an einem Ort und an einem anderen materialisisert es sich wieder. Es hatte allerdings ein paar Jahrhunderte gedauert bis dies kontrolliert und gefahrlos möglich wurde. Einige tausend unbemannte Schiffe waren in Sonnen verglüht, an Planeten zerschellt und in Asteroidengürtel zermalmt worden bis man alle Gefahren beseitigt hatte. Per Nullzeitsprung gehen jetzt jeden Tag tausende von Sonden auf die Reise und materialisieren sich in unbekanntem Gebiet, scannen es und schicken dann die Daten in die Sternendatenbank die, die Karten für die Schiffe aktualisiert.
"Hi", höre ich eine Stimme hinter mir als ich den Antigravschlitten mit meinen persönlichen Sachen in die Diamond schiebe. Eryg lächelt mich freudestrahlend an als ich mich umdrehe. Groß, blond und sehr attraktiv und er zeigt noch immer gerne seine Muskeln in ärmellosen T-Shirts und der Rock aus leuchtend blauer Seide betont seine schmale Hüfte. Wie immer nimmt er mich in den Arm als hätte er mich seit zehn Jahren nicht gesehen. Wir hatten wohl erst letzte Woche zusammen Go gespielt aber seine Herzlichkeit kommt tief aus seinem innersten. "Wir haben nicht vor Löcher in den Planeten zu bohren oder hoffst du als Philosoph dort intelligentes Leben zu finden", frage ich ihn spöttisch. "Weder noch, die Geobots kommen ohne mich besser zurecht und die Philosophie überlasse ich lieber Kindern, deren Geist ist noch nicht so verfälscht. Mir war nur nach etwas Abwechslung und als Reija sagte dass, du auch mit dabei bist gab's kein halten mehr. Gibt's von dem Planeten irgendwelche Emissionen oder andere Zeichen von Aktivität?" entgegnet er. "Können wir nicht feststellen denn wir sind 200000 Lichtjahre entfernt. Als das Gebiet initialisiert wurde, hat die Sonde der Sternendatenbank allerdings nichts berichtet." Da sehe ich Reija und Ivana plaudernd und Antigravschlitten schiebend auf uns zu kommen. Ivana in der Robe ihrer Sternenpriesterinnenschaft. Sie grüßt freundlich und wirft mir ein Küsschen zu und quasselt mit Reija weiter während sie die breite Rampe in den Lagerraum hinauf schieben.
"Orange, wann können wir starten?" Ein holografischer Nebel baut sich vor mir auf und bildet dann das an menschliche Schönheit angepasste Bild unserer Ki heraus und sie sagt: "In zehn Minuten, die Rampen müssen noch geschlossen werden. Bitte denkt daran, dass wir sobald wir die Hülle der Sunrise verlassen keine künstliche Schwerkraft mehr haben. Der Nullzeitantrieb ist bereit, alle künstlichen Wesen wurden registriert und haben ihre Aufgaben übernommen, die anderen sieben Menschen befinden sich auf dem Weg zur Brücke. Starterlaubnis durch die Transportsubroutine erteilt. In drei Minuten erreichen wir die Sicherheitsentfernung zu Sunrise". " Bei unserer Rückkehr werden wir 30 Minuten mit maximaler Geschwindigkeit des Proionenantriebs fliegen müssen. Schwerelosigkeit behagt mir gar nicht und bestimmt ist dieser künstliche Fraß in den Schlauchbeuteln auch noch nicht besser geworden", sagt Eryg und verzieht das Gesicht. Die anderen versammeln sich um das Hologramm und begrüßen sich soweit noch nicht erfolgt. Schon ertönt die Stimme von Orange: "Countdown zum Sprung 5 - 4 - 3 - 2 - 1 - wir sind da". Die Forschungsbots eilen in hektischer Betriebsamkeit an die ihnen zugewiesenen Terminals zu. Die blinkenden Dioden ihres Netzwerkstatus zeigen an, dass Daten ausgetauscht und Befehle gegeben werden. Das Bild von Orange löst sich auf und macht Platz für eine Darstellung des Planeten. Details werden sichtbar, es gibt auch noch kleinere Städte die über den Landmassen schweben. Ich aktiviere die Gedankenverbindung meines Coms und schon projiziert Orange die Antworten auf meine gedachten Fragen direkt in mein Gehirn.
Entfernung zum Planeten: 2 Millionen km
Ausstrahlung von Energie, Radar, Funk oder anderes: keine Bewegt sich da unten irgendwas: Nur die künstlichen Städte, 24 Stück in verschiedenen Größen treiben mit 5 km/h über die Oberfläche. Objekte kleiner als 2000 m können auf diese Entfernung nicht festgestellt werden. "Dann wollen wir denen mal einen Blumenstrauß schicken", höre ich Reija sagen. "Erstkontaktsonde befindet sich auf dem Weg zum Zielobjekt und trifft dort in 4 Stunden ein", der lapidare Kommentar von Orange. Mittels Gedankenimpuls gebe ich Befehl an die Schiffssteuerung mit 200000 km/h auf den Planeten zu zu steuern. Wenn die sich dort gestört fühlen würden sie wohl zuerst die Sonde pulverisieren. Diese Erstkontaktsonde ist ein Sammelsurium von Informationen in unterschiedlichen Medien gespeichert. Optische auf Folien, mathematische im Binärsystem, elektronische in Speicherkristallen, audio-visuelle in automatisch startenden Wiedergabegeräten und ein paar Sachen von unseren außerirdischen Freunden. Dazu Sendeeinrichtungen für alle Frequenzen, Funk, Infrarot, das gesamte Schall- und Lichtspektrum. In den Jahrtausenden der Raumfahrt sind wir erst in den letzten 800 Jahren auf nur drei intelligente Lebensformen gestoßen. Die Schemen auf B 419 Beta 97 etwa auf der Entwicklungsstufe der Menschen im 27. Jahrhundert, Wasserwesen auf Darea, intelligent aber ohne jede Technik und die Harai sogar in unserer Milchstraße. Wenn auch am anderen Ende. Bei den Harai gibt's keine Technik in unserem Sinne, alles ist organisch sogar die Raumschiffe. Wenn ich die Dinger sehe muss ich immer an unsere unterseeischen Schwämme denken. Und alle haben mit geholfen den Blumenstrauß zu entwickeln. Allmählich kommen genauere Daten rein. Etwas mehr Sauerstoff in der Atmosphäre als auf der Erde, sonst keine (für uns) giftigen Gase, dort gibt es auch Kontinentalplatten die sich bewegen, allerdings langsamer als unsere. Das gesamte Festland ist lückenlos von Vegetation bedeckt, selbst in den höchsten Bergen die allerdings auch nur 3500 m Hoch sind. Die Ozeane sind auch nicht tiefer als 7000 m und haben einen niedrigeren Salzgehalt als nd Seen sind nicht auszumachen aber Regenwolken ziehen überall umher. Die Pflanzen dort scheinen mit Wasser besser umgehen zu können als unsere. Wir hätten einen Botaniker mitnehmen sollen, der Botanikbot wird für einen ersten Überblick genügen.
"Die Sonde hat ihre Umlaufbahn in 400 km Höhe erreicht und sendet alles aus was möglich ist. Bisher keine Reaktionen von der Oberfläche. Nicht einmal die fliegenden Städte produzieren irgendein Energiemuster oder eine andere Emission. Landungsbots werden ausgesetzt und beginnen Anflug. Landung in etwa sechs Stunden." die knappe Information von Orange. Nach dem Abendessen sehe ich mir die zusammen gefassten Daten der Forschungsbots an. Nichts was auf Aktivität hindeuten würde, wie ein großer verlassener Garten. Noch der Befehl an Orange in 1000 km Abstand zu stoppen und umrunden damit die Bots möglichst viele Daten sammeln können.
Eingereicht am 02. Juli 2005.
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