Ein Irrtum mit fatalen Folgen
© Michael Kautz
Es ist Montag, halb acht. Klaus Keimberg ist auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz. Seinen Job bei der Tageszeitung hat er schon seit 5 Jahren und seitdem hasst er das morgendliche Gedrängel auf dem Bahnhof und in der S-Bahn. Aber er hat keine andere Wahl. Parkplätze in der Großstadt sind rar und zumeist auch noch teuer.
So sitzt er heute, wie jeden Morgen, in der S-Bahn und überbrückt die knapp 30-minütige Fahrzeit mit der Lektüre eines Boulevard-Blattes. In großen Lettern wird schon auf dem Titelblatt angekündigt, dass es wieder am abendlichen Himmel zu seltsamen Leuchterscheinungen gekommen wäre. Klaus liest den Artikel auf Seite 3 zu diesem Aufmacher sofort. Er hat schon seit seinen Kindheitstagen ein großes Interesse an übersinnlichen
Phänomenen und Science Fiction. Enterprise, Star Wars, Invasion von der Wega,
Raumpatrouille Orion, Akte X, Alien, Klaus hat alle Filme und Serien meist mehrfach gesehen. Neben Bergen von Perry Rhodan Romanen und SF-Taschenbüchern hat er auch viele Bücher von Pseudowissenschaftlern wie zum Beispiel Erich von Däniken. Klaus ist überzeugt von dem Vorhandensein außerirdischer Intelligenz; auch UFOs sind nach seiner Meinung keine Hirngespinste, obwohl er selber noch nie eins zu sehen bekommen hat. Sein Kollege in der Firma hält ihn für einen Spinner und vermeidet es, private Gespräche auf UFOs und ähnlichen Quatsch kommen zu lassen. So hält es Klaus auch mit den Interessen seines Kollegen. Bodybuilding und Fitness-Studio, die Lieblingsthemen seines Kollegen, lassen ihn vollkommen kalt. Da widmet er sich lieber den Verschwörungstheorien, die besagen, dass es schon seit Jahrzehnten Kontakte zu Außerirdischen gäbe. Die großen Industriekonzerne der Welt hätten alle Fäden in den Händen und viele technologischen Neuerungen am Markt hätte ihren Ursprung in außerirdischer Technologie. Er selber ist der Meinung, dass die unglaubliche technische Entwicklung, die der Mensch in den letzten 120 Jahren mitgemacht hat, eine Entwicklung ist, die von außen gelenkt worden ist.
Seit 5 Monaten hat Klaus eine Freundin, mit der er zusammenlebt. Er hat sie auf einem Trekki-Treffen kennen gelernt. Mit ihr wollte er eigentlich am heutigen Abend einige UFO-Forscher aufsuchen, die mit allerlei Gerät den Leuchterscheinungen auf die Spur kommen wollten. Leider sollte alles ganz anders kommen.
Währenddessen in Schleswig-Holstein. Bauer Jensen bringt seine Kühe auf die nahe gelegene Weide. Seine Frau ist noch mit der Melkmaschine beschäftigt. Es ist ein hartes Brot, jeden Morgen um 5 raus, die Kühe aus dem Stall zum Melken und danach auf die Weide. Manchmal würden beide, Bauer Jensen und seine Frau, mit einem Menschen wie Klaus tauschen und lieber in einer überfüllten S-Bahn sitzen statt in einem stinkenden Stall. Aber irgendjemand muss die Arbeit ja machen. Bauer Jensen hat vor mehr als zwanzig Jahren den Hof von seinem verstorbenen Vater geerbt und seitdem gibt es für ihn eigentlich nichts anderes mehr. Abends gelegentlich mal ein Bier in der Dorfkneipe oder fernsehen mit seiner "Ollen" wie er liebevoll seine Frau manchmal nennt. Das ist sein Leben. Wenn er Klaus kennen würde und von seinem Hobby wüsste, dann würde er nur den Kopf schütteln und den Mund verziehen. Science Fiction, kompletter Blödsinn!
Klaus hat den Artikel in der Zeitung zu Ende gelesen. Er kann es bis zum Abend kaum noch aushalten. Endlich hat er die Chance, so denkt er, mit eigenen Augen das zu sehen, was er bisher nur aus einschlägiger Literatur kannte.
Seinen eigenen Gedanken nachhängend faltete er die Zeitung zusammen und sah aus dem Fenster der S-Bahn. Es sind noch drei Haltestellen.
Bauer Jensen hat die letzten Kühe zur Weide gebracht und geht zurück zum Haus. Einen ordentlichen Kaffee, den könnte er jetzt gebrauchen.
Die Leuchterscheinungen am Himmel hat er nicht bemerkt, da er sich bereits ungedreht hatte.
Drei leuchtende, tellergroße Scheiben hatten sich vor ungefähr 10 Minuten von einem hausgroßen Mutterschiff gelöst, welches in Warteposition hinter dem Mond stand. Um eine friedliche Kontaktaufnahme mit den Bewohnern der Erde nicht zu gefährden sind schon mehrfach unbemannte Sonden ausgeschickt worden. Nun soll der erste persönliche Kontakt hergestellt werden. Zu diesem Zweck flogen die drei leuchtenden Tellerscheiben mit jeweils einer 5-köpfigen Besatzung zur Erde.
Man wollte für den Anfang kein großes Aufsehen und vor allem keine Panik unter der Erdbevölkerung. Deshalb wurde entschieden, dass zuerst ein weniger stark besiedeltes Gebiet angeflogen werden soll. So kam es, dass die Weide von Bauer Jensen als Landeplatz gewählt wurde.
Mit den seltsamen Leuchterscheinungen zusammen entstand ein merkwürdiges Vibrieren in der Luft, welches durch den elektromagnetischen Antrieb der Tellerscheiben entstand Aber auch dieses hat Bauer Jensen nicht wahrgenommen, da er sich mittlerweile im Haus befand und sich eine große Tasse starken Kaffees einschüttete. Die Kühe hingegen wurden zunehmend unruhiger. Diese Unruhe war bis ins Haus zu hören. Bauer Jensen legte die Stirn in Falten und stellte den Kaffee wieder hin, ohne dass er davon getrunken hätte. Mit einem unguten Gefühl ging er vor das Haus und sah seine Frau aus dem Stall in seine Richtung rennen. Sie rief ihm zu, was das wohl für ein seltsames Geräusch gewesen wäre. Aber Bauer Jensen hörte nichts; die UFOs waren gelandet. Die Kühe hatten sich auch schon wieder beruhigt. Bauer Jensen zuckte mit den Schultern und meinte dass es wohl ein leichtes Erdbeben gewesen sein könnte. Tiere reagieren da besonders empfindsam. Seine Frau blickte skeptisch und war anderer Meinung. Aber woher kam diese Skepsis? Auch sie hatte am Vorabend in den Nachrichten von den Leuchterscheinungen gehört. Aber hier auf dem Land und zu sehen ist ja schließlich nichts. Die gelandeten Teller waren in der hohen Wiese kaum auszumachen.
Zwischenzeitlich war Klaus in seinem Büro angekommen. Kaffee hatte schon sein Kollege, der vor ihm ins Büro gekommen war gekocht. Er hasste es noch mehr als die Bahnfahrt, wenn sein Kollege vor ihm da war und den Kaffee aufsetzte. Dieses Gebräu verdiente einfach nicht den Namen Kaffee. Wenn Klaus ihn darauf ansprach, was er in letzter Zeit nicht mehr tat, weil es sinnlos war, bekam er nur zu hören, dass dies ein richtiger Männerkaffee sei. Auf solch ein Macho-Getue konnte Klaus gut verzichten, schon gar am Morgen. So kam es, dass Klaus mit einer Tasse übelstem Kaffee am Fenster stand und wieder versonnen aus der 8. Etage des Bürogebäudes nach draußen blickte.
Irgendwo im Großraumbüro lief ein Radio mit den halb-neun Nachrichten. Es wurde berichtet, dass weitere Leuchterscheinungen beobachtet wurden und ein staatliches Untersuchungskommando im Großraum Schleswig-Holstein ermittelte. Klaus hatte den Verdacht, dass man schon wesentlich mehr wusste, als man bekannt gab. Die Bevölkerung wurde mal wieder bewusst dumm gehalten.
Bauer Jensen widmete sich wieder seiner Tasse Kaffee und schaltete das Radio ein. Er hörte ebenfalls die Nachrichten mit den Meldungen über die neuerlichen, seltsamen Begebenheiten. Ein unbestimmter Verdacht kam in ihm auf und er ging wieder aus dem Haus. Aber alles war ruhig.
Eine der Tellerscheiben öffnete sich währenddessen. Es kamen fünf kleine Wesen heraus, die große Ähnlichkeit mit Heuschrecken hatten. Sie näherten sich von hinten einer Kuh, die von alledem aber nichts bemerkte. Die fünf Wesen mit den Facettenaugen stellten ein Gerät auf, welches ihre Sprache simultan auf Deutsch übersetzte und in der Lautstärke auf für Menschen hörbares Niveau brachte.
Bauer Jensen hörte aus der Entfernung die Stimmen, aber er konnte nur bruchstückhaft etwas verstehen. " ...keine Angst ...kommen ... Frieden ... andere Galax ... bitte ..."
Er sah in die Richtung der Stimmen und sah eine seiner Kühe, die gerade ihren Schwanz hob ...
Die fünf Wesen bemerkten noch wie aus dem "Erdbewohner" eine große Menge von braun-grünem Schlamm herausgequollen kam. Ehe sie sich in Sicherheit bringen konnten wurden sie allesamt davon begraben. Qualvoll war ihr Erstickungstod.
Die beiden anderen Scheiben, die etwas abseits gelandet waren vollführten einen sofortigen Alarmstart. Bauer Jensen hörte nun auch das Vibrieren der Luft und sah gleich darauf zwei Leuchterscheinungen aus seiner Weide in den Himmel steigen.
Fassungslos über einen barbarischen Akt wie diesen übermittelten die Insassen der beiden Scheiben noch während des Startvorganges einen Notruf an das Mutterschiff.
Bauer Jensen hat sein eigenes Ende wohl gar nicht mehr richtig wahrgenommen. Nachdem die beiden Leuchterscheinungen im Himmel verschwanden verging Schleswig-Holstein in einem riesigen Glutball, der sich rasend schnell ausbreitete.
Klaus stand noch immer am Fenster, den ekligen Kaffee in der linken Hand. In der Entfernung sah er noch die Feuerwalze, die den gesamten Horizont einnahm und mit unglaublicher Schnelligkeit näher kam ...
Die Heuschreckenwesen hatte in einer Eilentscheidung an Bord des Schiffes hinter dem Mond die Liquidation der Erde beschlossen. Eine Rasse, wie die Irdische, die auf friedliche Kontaktversuche derart reagiert, hat keinen Anspruch auf eine weitere Zukunft. Dieses sind die allgemeingültigen Regeln, denen sich alle Völker der galaktischen Förderation unterworfen haben.
Nach Erfahrungen der Förderation geht langfristig gesehen von Bewohnern wie der Erde eine latente Gefahr aus, die schon im Ansatz ausgemerzt werden muss um den Frieden und somit das eigene Überleben zu sichern.
In diesem Fall ein Irrtum mit fatalen Folgen für die Menschheit.
Eingereicht am 26. April 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
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