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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"
Fabelhaft
© Christoph J. Hagspiel
Schwarz, glänzend, kalt. Schwarz, glänzend und kalt blickten die Augen des Raben, der in den Zweigen eines großen Baumes saß, auf den struppigen grauen Fuchs herab. Dieser sah gierig hinauf. Wie sollte es ihm gelingen, zu dem Raben zu gelangen? Wie zu dem saftigen gelben Stückchen Käse, das dieser fest im Schnabel hielt? Das Wasser lief dem kümmerlichen Fuchs im Maul zusammen bei dem Anblick dieses Festmahls, das der Rabe eisern umklammert hatte. Hinaufgelangen konnte er nicht, erklettern konnte er nicht den
Baum. Doch da verfiel der schlaue Fuchs auf eine List.
Herr T. war kleiner als die meisten Menschen. An Körpergröße übertraf er kaum jemanden. So hatte er sich früh daran gewöhnt, dass man auf ihn hernieder blickte. Doch weil der Herrscher über Himmel und Erde gütig und gerecht ist, hatte er Herrn T. das, was er ihm an Länge vorenthalten hatte, an anderer Stelle reichlich eingeschenkt und für einen redlichen Ausgleich gesorgt. So war der Kopf des kleinen Herrn T. manch Fingerbreit zu groß geraten und aus dem runden ballonartigen Gesicht ragte noch ein wenig zierliches
Gebilde von Nase heraus, das selbst mit größtem Wohlwollen nur als monströs bezeichnet werden konnte. An Wohlgestalt und Schönheit mangelte es dem kleinen Herrn T. also nicht zu knapp und dieser Mangel wurde auch nicht durch das schüttere graue Haar wettgemacht, das im Lauf der vielen Lebensjahre immer weiter auf der hohen Stirn zurückgewichen war, gerade so, als hätten die Haare eines Tags beschlossen, vor dem zu fliehen, was bei Herrn T. unter dem Namen Nase das Gesicht verunstaltete. Nach vielen vergeblichen
Versuchen, das wertvolle auf dem Kopf Verbliebene kunstvoll so in Wellen zu formieren, dass es nach einem vollen Haarschopf aussah, hatte Herr T. die Bemühungen eingestellt, so dass dort, wo bei glücklicheren Menschen eine Frisur zu finden ist, bei Herrn T. nur ein paar zerzauste graue Strähnen darauf warteten, ihren früh abhanden gekommenen Gefährten zu folgen. Wenn der kleine Herr T. durch die Straßen seiner Heimatstadt, die er in 45 Jahren nicht verlassen hatte, schlich, sah er nur tief gesenkte Köpfe sich
entgegenkommen, denn ein jeder, der ihn zu Gesicht bekam, musste zunächst den Blick nach unten neigen, um ihn, den Kleinen, überhaupt ins Blickfeld zu bekommen. Und hatte er ihn dann erblickt und war dem Geist dann mühsam klar geworden, dass diese Hässlichkeit kein Trugbild war, dann wanderte das Auge beschämt zu Boden, da Höflichkeit und guter Anstand es gebieten, solch Ausmaß an Unansehnlichkeit zu ignorieren.
Selbst das, was sich in B-Stadt unter größter Übertreibung Zeitung nannte - in Wirklichkeit nur eine lose Sammlung kaum bedruckter Blätter, bei der ohne die häufigen Todes- und Konkursanzeigen kaum genug Informationen zusammenkommen wären, um damit eine Briefmarke zu bedrucken -, hatte aus Rücksicht auf die Leserschaft auf den Abdruck eines Bildes von Herrn T. verzichtet, als sie die beiden kleinen Artikel veröffentlicht hatte, die der kleine Herr T. in einer Klarsichthülle in einem schmalen Ordner abgeheftet
hatte. Dort war berichtet worden von dem Aufstieg des Herrn T zum stellvertretenden Leiter der Stadtbücherei in B. Zwar hatte den ersten Leiter der Bibliothek noch nie ein Mensch gesehen, so dass Herr T. nach seinem - auf Tischdecke und Wandschmuck fein gehäkelten - Wahlspruch "Sei stets mehr, als du scheinst!" trotz des "Vize"-Titels allein die ganze Arbeit leisten musste. Doch war dies für unsern kleinen Freund nicht Last, nur Freude. Denn das, was wahre Frohnaturen Liebe nennen, galt bei
Herrn T. nicht Menschen oder Tieren, sondern allein den Büchern. Hätte Herr T. Freunde gehabt, so würden sie ihn wohl als belesen und gebildet bezeichnet haben. Auf seinem Nachttisch lag stets eine Auswahl feinsinniger Werke von höchster Qualität und Weisheit zur täglichen Lektüre bereit. Herr T. konsumierte diese Perlen der Literatur in gleicher Weise, wie andere der Sucht nach Tabak oder Alkohol frönen. Er inhalierte gleichsam Bücher schneller, als die Seele folgen konnte. Als ständiger Begleiter aber diente
Herrn T. ein kleines Büchlein eines Meisters namens La Fontaine, der unserm kleinen Helden im Geiste Lehrer, Freund und Bruder war. Moral und Tugend waren Herrn T's Führer durch die Mühsale des Lebens, nicht äußerlicher Schein und plumper tumber Spaß. Herr T. lachte selten und weinte nie. Er war vernünftig, ernsthaft, klug.
Eines Tages nun begab es sich, dass der kleine Herr T. bei der Arbeit an seinem schmalen kleinen Tischchen saß und tief versunken war in eine Sammlung lehrreicher Fabeln, als plötzlich, unerwartet, ungeahnt ein einziger Blick durch seine müden Augen das Leben des Herrn T. in eine heftige und nie gekannte Unordnung stürzte. Oh, lieber kleiner Freund! Hättest Du nur deine Augen weiter gesenkt gehalten und nicht aufgesehen in das Licht, das dich so grell und unbarmherzig blenden sollte. Oh hättest du dich doch erinnert
an die oft gelesenen Worte des Dädalus. Oh, wärst du doch bei deinen vertrauten Begleitern aus Papier geblieben und hättest nicht die Hand ausgestreckt nach dem Feuer, das dich doch verbrennen musste. Aber nein, du musstest aufblicken und hinübersehen, nicht ahnend, dass deine Welt danach nicht mehr dieselbe sein würde. Der kleine Herr T. erblickte die Sonne. Er sah das Licht, er spürte die Wärme, er fühlte das Leben.
Das Mädchen, das er sah, war so makellos und strahlend, dass Helena selbst verschämt, das Haupt gesenkt, zur Seite getreten wäre, um Platz zu machen dieser Schönen. Ihr Haar war golden, hell, fast gelb und fiel in langen weichen Wellen auf ihre nackten Schultern. Niemals würde Herr T. seine Augen von diesem Haar abgewendet haben, wenn nicht die dunklen braunen Augen dieser Aphrodite, die süße zierliche Nase und die vollen roten Lippen seinen Blick in ihren Bann geschlagen hätten. "Vollkommen" ist zu
wenig, um sie zu beschreiben, "göttlich" wird ihr nicht gerecht.
Der kleine Herr T. war wie erstarrt. Zuletzt Lots Frau mag sich durch einen Blick die Wirkung eingehandelt haben, die nun Herrn T. in diesem Augenblick ereilte. Erstarrt auf ewig und doch dauerte es kaum mehr als einen Wimpernschlag. Nur kurz hatte die blonde Schöne ihm ins Auge geblickt und ihn verhext, verwandelt in ein lebend Wesen. In seiner Brust, da tobte es an einer Stelle, mal heiß, mal kalt, die unser kleiner Freund zuvor noch nie gespürt. Mit offnem Mund und ohne Atem fixierte Herr T. das junge Mädchen.
Sie aber, nachdem sie sich von dem Verzauberten abgewendet hatte, stand nun vor einem Plakat, das an der Wand der Bücherei befestigt war und las sehr interessiert, was dort geschrieben war.
Herr T. aber hatte in dem Moment, in dem er die Einzigartige erblickt hatte, eine Erkenntnis gewonnen, die unumstößlich tief in ihm verankert war, nicht auslöschbar bis zu dem Tag des letzten Gerichts: "Die oder Keine. Sie muss ich haben, oder streben. Dies Mädchen muss ich für mich selbst gewinnen und hab ich ihre Gunst erlangt, so werde ich der Glücklichste der Menschen sein.".
Doch nur Sekunden währte dieser Zustand ungetrübter und glückseliger Liebe. Nur für Momente war das Herz des kleinen Herrn T. allein mit Wonne ausgefüllt. Kurz nach dem Einbruch dieses reinen Glücks ins Leben unsres kleinen Freundes schon musste er den Bruder, Feind und Weggefährten der Liebe kennen lernen. Wie einen Blitz ins Herz traf ihn die Eifersucht.
Siebenunddreißig Minuten. Solange hatte es - wie jeden Morgen - gedauert, bis der junge Lucello auf seinem Kopf mit Hilfe von Wasser, Haaröl, Spiegel und Kamm ein Kunstwerk geschaffen hatte, das - jedenfalls in seinen Augen - nicht seinesgleichen hatte auf der Welt. Die tiefschwarzen Haare waren zurückgekämmt und glatt. Das glänzende Schwarz der Frisur wurde allein durch das schwarze Glänzen der Augen Lucellos übertroffen. Unwiderstehlich sah er aus und unbesiegbar, ohne Schwäche. Der junge Mann, im Alter gleich
der blonden Schönen, trat zu ihr hin, die immer noch das Poster an der Wand betrachtete, legte ohne Rücksicht auf die sich geziemende demutsvolle Ehrfurcht ungalant den Arm um sie und - welch ein Frevel - küsste sie auf beide Wangen, gerade so, als sei sie einfach nur ein junges Mädchen und nicht das goldene Licht im grauen Leben des Herrn T.
Schon an der Art, wie seine Erkorene sich diese Behandlung gefallen ließ, konnte der vor Eifersucht wie gelähmte Herr T. erkennen, dass sie mit dem geputzten Laffen wohl auf vertrautem Fuße stand. Er nannte sie bei ihrem Namen, Cacia, und wie Gesang der Nachtigall hätte es in den Ohren des kleinen Herrn T. geklungen, ihren wundervollen, anbetungswürdigen Namen erklingen zu hören, wäre er nicht aus diesem unwürdigen Mund gekommen. Sodann ergoss sich aus der Kehle des eitlen Gecken ein Schwall an Nichtigkeiten
und Geplapper, wie sie der kleine Herr T. täglich bei den jungen Männern, die es wagten, in seiner Bücherei zu sprechen, hören und ertragen musste und für die Verachtung noch eine viel zu milde Behandlung ist. Zumeist gelang es ihm, sie nicht einmal zu ignorieren. Als ob sie eine fremde Sprache sprächen, verstand der kleine Herr T. kaum je die Hälfte der Worte, die die Jugend aus den Texten ihrer unverständlichen Musik nachplapperte und die auch in dem Geschwätz des jungen Mannes nicht zu knapp bemessen waren.
Doch soviel konnte unser kleiner Freund dem Wortschwall doch entnehmen, dass sein geliebtes Wesen so etwas wie die Freundin des geleckten Laffen war.
Wo tief in unserm kleinen Freund soeben noch ein Jubeln und Frohlocken war, da machte sich nun mit der gleichen Wucht die üble Brut der Eifersucht breit. Der schwarze Pfau hatte sie, die Liebliche und Reine, in seinen Fängen und wollte der kleine Herr T. sie haben, so musste er sie ihm entreißen. Ach, Amor, warum kannst du unserm kleinen Freund nicht deine Wonnen schenken, ohne dass du ihm solche Hürden baust, die er doch nie erklimmen kann. Wie soll der kleine hässliche Herr T., groß an Verstand und groß an
Nase, mit schüttrem Haar und reich an Alter den jungen Mann ausstechen in den Augen der Geliebten. Wie den beseitigen, der einzig ihm im Wege steht?
Und da verfiel Herr T. auf eine List.
Mit Klugheit musst du den besiegen, der dir an Jugend und an Körperkraft voraus, so sagte sich Herr T. gewitzt. Schmeichle der Eitelkeit des jungen Pfauen. Lass ihn sich selbst zu dem Gespött der schönen Freundin machen. Wenn er durch eignes Tun ihren Respekt und ihre Achtung eingebüßt, wenn sie ihn sieht in seiner Albernheit und Schwäche, dann werde ich an ihrer Seite stehn, dann werde ich sie trösten und so ihre Lieb für mich gewinnen, dann wird sie mir zufallen und gehören.
Die Mittel seines schlauen Planes standen schon bereit. Auf dem Plakat, vor dem die Schöne mit dem Unwürdigen gestanden hatte, war zu lesen, was Herr T. listig zu nutzen wusste. "Karaoke-Wettbewerb" war dort in großen Lettern aufgemalt und unserm kleinen Freund, so sehr er auch die sonderbare Unterhaltung junger Leute sonst verachtete, war wohl bekannt, dass es sich dabei um eine Art Sangeswettstreit handelte. So lobte auch die Aufschrift einen Preis für den aus, der als Sieger diese Meisterschaft bestreiten
sollte.
Nun, in der Zwischenzeit hatte die blonde Perle, deren Anblick sich tief ins Herz des grauen T. gegraben hatte, die Bücherei verlassen, doch nicht ohne dass der unverschämte junge Geck sich glatt erdreistet hätte, ihr die Wange abzuküssen, was unsern kleinen Freund natürlich nicht zu knapp in gerechten Zorn versetzte. Herr T. jedoch, wie könnte es wohl anders sein, hatte in ungezählten Werken großer Meister gelesen, wie sich einem dummen Gegner verschlagen eine Falle stellen lässt. So rief er also seinen Feind
zu sich, der widerwillig und doch auch mit etwas Neugier diesem Rufe Folge leistete. Dann warf der listige Herr T. den Köder aus, der ihn zum Sieg und zum Triumphe führen sollte. Er legte dem an Geistesstärke Unterlegnen dar, wie er den Unterhaltungen der jungen Leute in der Bücherei entnommen habe, dass Cacia, die schöne Freundin, tief enttäuscht sei von ihm, dem jungen Verehrer. Dass sie erwäge, sich einem anderen bestimmten Manne zuzuwenden, der ihrer würdiger und liebenswerter sei, weil dieser schon in jungen
Jahren Erfolge im Gesang und auf der Bühne feiern konnte. Sie sei so eingenommen von der Vorstellung, die Freundin eines Sangeskünstlers zu werden, dass sie sich bald fortwenden wolle von dem Jüngling, der sich heute noch ihr Freund nennen dürfe. Nun wisse er, Herr T., aus sicherer Quelle, dass die Herzensdame an dem Abend bei dem Sangeswettbewerb schon ihren künftigen Liebhaber in Ausübung seiner Kunst bewundern wolle. So sei es wohl der richtige Weg für den jungen Mann, dass er sich selbst an diesem Wettbewerb
beteilige und ihr auf diese Weise seine Lieb bezeuge.
Auch wenn der junge Lucello das Kauderwelsch des kleinen Herrn T., der sich bemühte, möglichst gut die ihm verhasste Sprache der Jugend zu kopieren, kaum verstand, tat das Gerede doch die Wirkung, Zweifel in das Herz des jungen Freundes der blonden Schönen zu säen. Jeder Blick und jedes Wort seiner Geliebten rückblickend nun mit neuem Maße messend, kam er schnell zu der Erkenntnis, dass er um Gunst und Neigung seiner Freundin, die ihm bis dahin nur als Selbstverständlichkeit erschien, nun kämpfen müsse, um sie
zu behalten. So glitt der Plan des listigen Herrn T. sanft wie auf Schienen hin. War er doch sicher, dass der junge Mann sich abends auf der Bühne nur zum Gespött machen konnte. Dass er versagen musste, sich Hohn und Spott entgegensehen und die Liebste so verlieren würde. Erfolg in der Sangeskunst, das wusste der gebildete Herr T. genau, ist nur den Wenigsten nach langer Übung vorbehalten und wer sich ungeübt und ungeschult einer der Künste dreist zu widmen versucht, der kann dem Scheitern nicht entgehn. Leicht
hatte sich der einfältige Feind auf die Fährte begeben, die der gewitzte T. ihm schlau gelegt hatte. Nun galt es nur zu warten, bis der Geck sich selbst in seine Falle stürzen würde und bis Herrn T. die Blüte und die Frucht des Planes in den Schoß gefallen wäre.
Am Abend also, den der frisch verliebte T. in freudiger Erwartung herbeigesehnt hatte, denn Hass und Rache fördern Ungeduld noch mehr als es die Liebe kann, begab er sich zum ersten mal in seinem nicht mehr jungen Leben in ein Gebäude, dessen Zweck allein in flüchtigen Vergnügungen besteht, die junge Menschen in ihm suchen, betäubt von Rauschmitteln und lautem Dröhnen, das sie als Musik bezeichnen. Verfolgend seinen klugen Plan rutschte der kleine Herr T. , nicht wenig belächelt ob seiner Anwesenheit an solchem
Ort, vorsichtig an das goldgelockte Objekt seiner heißen und innigen Begierde heran, um im Moment des Niedergangs des ungleichen Gegners sich ihr als Tröster und als weiser und erfahrener Gefährte anzudienen.
Als erster Wettbewerber sprang schon der - künftig verlassene - Freund der Schönen auf die Bühne und nach wenigen Tönen wusste unser kleiner Freund, dass er auf ganzer Linie triumphieren würde. Was der schwarz Geleckte mit dem kalt glänzenden Haar dort mit Inbrunst vor dem Publikum zum Besten gab, war selbst mit größtem Wohlwollen und höchster Gunst, und beides brachte Herr T. nun wahrlich nicht zu diesem Anlass mit, nicht als Musik, geschweige denn als schön zu bezeichnen. Der arme junge Mann krächzte eine Art
Sprechgesang hervor, der mehr ein Schreien und ein Kreischen, denn Gesang sich nennen durfte. Kein einziger wohlklingender Ton entkam der Kehle des bedauernswerten Jünglings und mit jedem Augenblick sah unser liebesentflammter kleiner Herr T. die blonde Schöne ihm ein wenig mehr zufallen. Gedanklich sah er sie schon in seine Arme schweben, da kam der Auftritt ihres Noch-Gespielen zu seinem Ende.
Herr T. fasste gerade allen Mut und alle Kraft, die sich in seinem kleinen Körper sammeln ließ, um in der Niederlage seines Gegners der Geliebten Arm und Geleit und Beistand anzubieten. Mit einem verächtlichen Wort wollte er den Untergang des Feindes besiegeln, mit einem schlauen Ausspruch dessen Niedergang zementieren. Doch da erhob sich rund um ihn ein lauter Jubel und ein freudiges Grölen und das junge Pack, das teilgenommen hatte an dem Krächzen, Jaulen, Schreien, das der junge Pfau hervorgebracht, wollte
den Nichtswürdigen in Beifall schier ertränken. Nicht enden wollten diese Huldigungen, dieses Klatschen, dieses Tosen für Lucello, der sich im Triumphe gleichsam sonnte. Es dauerte wohl mehrere Minuten, bis es dem kleinen Herrn T. ins Bewusstsein drang, was dort geschah; dass dieser ungebildete und dumme Mob dem eitlen Kerl Zuspruch und Gunst spendete, statt Hohn und Spott. Erst als der Schönen Schönste selbst mit lautem Bravo ihren Freund bedachte, als sie ihm Kusshände und heiß verliebte Blicke zuwarf, da ward
Herrn T. unwiderruflich klar, dass er sie nicht gewonnen hatte, dass sie verloren war auf immer und dass nie mehr in seinem Leben die Liebe sein Herz würde rühren können.
Mit einem letzten Blick auf seine blond gelockte Geliebte verließ der kleine traurige Herr T. den Ort der Schmach und wandte sich nach Hause, wo auf dem Nachttisch schon die wohl vertraute Fibel La Fontaines seiner harrte.
Und in den Zweigen des großen Baumes saß der Rabe. Er hielt das saftige gelbe Stückchen Käse im Schnabel und blickte herab auf den von dannen schleichenden grauen Fuchs. Kalt, glänzend, schwarz.
Eingereicht am 28. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.