Kurzgeschichtenwettbewerb Kurzgeschichten Wettbewerb Kurzgeschichte Schlüsselerlebnis   www.online-roman.de

Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

www.online-roman.de
www.ronald-henss-verlag.de

Laras Stern

© Stefan Fuhrmann


In diesem Auto ist Lara umgekommen. Zwei Jahre sind eine lange Zeit. Zwei Jahre hat es gedauert, bis ein Spengler sich über den Haufen Schrott hermachen konnte, um ihn wieder in das zu verwandeln, was es einmal war.
Andreas Röhrich hatte dieses Auto immer geliebt. Eine italienische Schönheit, mit all den Attributen, die man mit diesem Land in Verbindung brachte, Lebensart, edles Design, schwungvolle Linien; Details voller Schönheit. Auch die Kraft des Motors, die ihm auf der Strasse alle Möglichkeiten offen ließ, wusste er zu schätzen.
Er beschleunigte, und beim Aufheulen des Motors verspürte er beinahe wieder etwas von der Freude, die ihm der Wagen vor dem Unfall bereitet hatte.
Ohne nur einen Anflug von Unsicherheit, steuerte er den Alfa Spider in eine lang gezogene Rechtskurve; das Fahrzeug, ruhig und sicher, reagierte auf jeden Zentimeter, den er das Lenkrad bewegte.
Er fuhr schnell. Er konnte sich nicht vorstellen, wie jemand mit diesem Auto aus der Kurve getragen und gegen einen Baum geschleudert werden konnte.
Er wollte nicht darüber nachdenken, doch es kam einfach. Lara!
Was hatte Lara ihm einmal gesagt, mit den Menschen sei es wie mit den Sternen. Sie hatte es ihm erklärt, und dabei lächelnd zum Himmel gezeigt. Du siehst sie, vielleicht aber sind sie schon gar nicht mehr da, vor Millionen von Jahren bereits verglüht. Und wenn ein geliebter Mensch uns verlässt, dann brennt sein Licht in dir weiter. Wie die Sterne!
Dann hatte sie ihn lachend angestupst und von Lichtjahren, von Sternen und dem Himmel, der Venus und von Novas gesprochen und geschwärmt, und er hatte nicht zugehört, nur ihre Lebendigkeit bestaunt, so wie er es meistens tat. Für ihn war sie ein Wunder. Damals und auch jetzt noch. Sie würde immer sein Stern sein. Zwei Jahre waren vergangen und ihr Licht brannte immer noch in ihm.
Ein riesiges Insekt klatschte an die Windschutzscheibe und Andreas war zurück auf der Strasse. Wie schnell man die Aufmerksamkeit verlieren konnte? Konzentriert starrte er auf seine Spur, verringerte etwas das Tempo und riss sich los von der Vergangenheit.
Heute früh hatte er sich den Brief noch einmal zur Hand genommen und über seine Verabredung nachgedacht: Ristorante da Silvio.
Er kannte das Lokal. Es lag am See. Mit Lara war er dort einige Male essen gewesen. Nicht ohne Grund hatte er es ausgesucht - so wie er sich für den Wagen entschieden hatte, den er eigentlich nie mehr fahren wollte. Er wollte sein Leben in eine neue Bahn bringen. Einen Abschluss suchen - nein abschließen würde er wohl nie können - eine Wendung finden.
Das Radikale an seiner Entscheidung hatte ihn überrascht. Eigentlich hatte er das Auto verkaufen wollen. - Jetzt darin zu sitzen, es zu fahren, vielleicht in ein neues Leben, das war das eigentliche Erlebnis. Vielleicht half es!
Junge, du musst raus, haben seine Kollegen gesagt und ihn hin und wieder mitgeschleppt, um ihn unter Leute zu bringen. Er verstand die gut gemeinten Aktionen seiner Freunde, aber bei ihm funktionierte das nicht. Diese Sache musste er ganz von neuem beginnen. Allein.
Deshalb auch die Anzeige. Andrea war die erste die ihm geschrieben hatte und die erste, mit der er sich nun traf. Auch das erste Mal.
Früher hatte er immer über diese bedauernswerten Singles gelacht, die keinen abbekommen hatten, diese Beziehungskrüppel. Heute dachte er anders. Er wusste, was alles passieren konnte und das Leben würde nie mehr so sein, wie es einmal war.
Die Nacht brach herein. Andreas sah aufs Armaturenbrett. Gleich zwanzig Uhr. Er schaltete das Licht ein. Verringerte die Geschwindigkeit abermals.
Zehn Minuten noch und er würde Andrea treffen. Mit einem Hallo und einem Lächeln würde er ihr die Hand schütteln, würde versuchen interessant zu sein, seine beste Seite hervorkehren und die schlechten Eigenschaften vermeiden. Er war ein ganz passabler Kerl, mit seinem Aussehen zufrieden, sportlich und im Job erfolgreich. Hatte noch große Pläne, wollte eine eigene Agentur aufmachen, selbständig, unabhängig sein.
Eine Versicherung zu verkaufen stellte für ihn kein Problem dar, und er wünschte, dass sein Verkäuferglück ihn heute Abend nicht im Stich ließ.
Der Parkplatz war in Dunkelheit gebettet, nur vom Haus fiel sanftes Licht durch die Bäume. Der Alfa Romeo rollte aus.
Er ließ den Motor noch einmal kurz aufheulen, wie um sich Mut zu machen, und brachte den Wagen dann zum stehen. Für Sekunden betrachtete er den Abendhimmel durch die Windschutzscheibe, dann legte er den Gurt ab, zog den Schlüssel aus dem Schloss und stieg aus.
Er reckte sich ein wenig und während er langsam die weiche Abendluft in die Lungen sog, knöpfte er sein Jackett zu. Kies knirschte unter seinen Füssen, als er sich langsam aus der Dunkelheit heraus auf das Licht zu bewegte.
Als er das Lokal betrat, überzogen die ersten Sterne den Himmel.
Und einer unter ihnen, hell und glänzend, überstrahlte das Heer der Himmelslichter, als stünde er immer dort oben, den Weg zu weisen.



Eingereicht am 28. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.



»»» Kurzgeschichten: Humor, Satire, Persiflage, Glosse ... «««
»»» Kurzgeschichten: Überblick, Gesamtverzeichnis «««
»»» Kurzgeschichtenund Gedichte «««
»»» HOME PAGE «««

Blog-Empfehlungen Tiergedichte
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» Tiergedichte «««
»»» HOME PAGE «««