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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"
Männermord
© Uta Opel
Ich bin so eine...na, Sie wissen schon...so Eine eben... Dabei bin ich nicht einmal besonders hübsch. Das ist auch völlig unnötig, ich bin eher so... nun ja... offen,...extrovertiert. Wenn man nur ein bisschen im Biologieunterricht aufgepasst hat, weiß man, worauf Männer abfahren. Ein paar ganz einfache Schlüsselreize genügen. Das heißt also, Lippen kirschrot und feucht anmalen, leicht geöffnet halten, Symbol für die paarungsbereite Vagina. Beim Hinsetzen die Beine übereinander schlagen, das obere von Zeit zu
Zeit ein wenig abheben, hoch rutschenden Rock tragen und ständig ein bisschen in Bewegung sein. Das ist einfacher als Brot schneiden. Ich könnte auch gebückt die Kehrseite zeigen, mit hoch rutschendem Rock, Sie wissen schon. Das nennt der Biologe "Torbogenschema" und kaum ein Mann kann sich zurückhalten, gleich oben draufzuspringen. Glauben Sie nicht? Doch, doch Männer sind so primitiv.
Sie funktionieren nach einfachsten Grundregeln, ob sie wollen oder nicht. Je schlampiger das Outfit, desto besser. Die Klamotten müssen so aussehen, als ob sie im nächsten Augenblick vom Körper fallen. Sein lauernder Blick verweilt auf mir. Er wartet, dass Schlitze und Löcher ein Stück bloße Haut zur Schau stellen.
Schon biegt ein Opfer um die Ecke. Erst streift mein Blick ihn locker, dann wieder und immer wieder. Ich fixiere ihn, verbeiße mich in seine Augen. Nun ist der Uralttrick dran: Ich schubse meine eingerollte Zeitung direkt vor seine Füße. Wir bücken uns gleichzeitig, was für einen Moment unsere Gesichter sehr nah zusammenbringt.
"Na, heute schon die Zeitung gelesen?" Intelligente Konversation kann nicht schaden.
"Doch, doch, aber... stand denn was drin?" Ein höflicher Herr im hellgrauen Anzug, vermutlich Bänker.
"Lassen Sie uns einen Cappuccino trinken gehen, ich hätte da gerne etwas erklärt bekommen," schlage ich vor. Männer lieben offensive Frauen und dumme Frauen. Beides habe ich gerade in einem Satz ausgedrückt. So verwundert es mich gar nicht, dass er willig die Tür des kleinen Bistros öffnet, vor das ich ihn bugsiert habe. Ein Stehtischchen in der Ecke ist noch frei. Ich spreche jetzt sehr leise, damit er sich weit vorbeugen muss, um mich zu verstehen.
"Kennen Sie sich mit den Börsenkursen aus?" "Ja, meinen Sie eine spezielle Aktie oder die Tendenz im Allgemeinen?" Treffer. Er beginnt einen Sermon. Jetzt kann ich weiterspielen.
Augenaufschlag, zufällige kleine Berührungen, den Arm streifen, absichtliche kleine Berührungen, die Hand ergreifen. Zur Krönung die Hand auf seinen Oberschenkel legen. Ob wir ein Zimmer nehmen, nur noch Formsache. Er ist weich gekocht. Ein ganz normaler Mann. Vielleicht sogar ein Familienvater.
Wir gehen lachend Hand in Hand nach oben. Auf dem Ehebett hocken Kissen mit von Karatehand eingekerbter Mittelfalte. Dazu ein hellblau seidenglänzendes Überbett und der Geruch nach Bohnerwachs. Am liebsten möchte ich mich umdrehen und fortlaufen. Mein grauer Galan schwingt sich ungeahnt sportlich auf das Bett, dreht sich um, klopft einladend neben sich, dass die Kissen Salto tanzen, und streift gleichzeitig seine Schuhe ab. Plopp.
Ich starre auf seine bunt geringelten Socken. Nichts ist unerotischer als diese Feinrippsocken. Ich kann das Lachen kaum zurückhalten, während meine Lust auf ihn gasförmig wird und verpufft. Eben noch war ich zielstrebig, jetzt ist mir die Situation zuwider. Natürlich bemerkt er meinen Sinneswandel nicht, sondern zieht mich beinahe grob zu sich hinunter. Er fährt seine Zunge aus und greift mit der freien Hand nach meiner Brust. Einen Augenblick noch horche ich in mich hinein, aber ich bin gefühllos wie eine Tontaube.
Brüsk reiße ich mich von ihm los.
"Aufhören, sofort! " Ich streiche über meinen zerknautschten hoch rutschenden Rock und will zur Tür. Wieselflink schnellt er empor und verstellt mir den Weg.
"Was ist denn das für ein Spiel? Zuerst eindeutige Anmachtour und dann ein Rückzieher? Ahh, das ist sicher bloß ein Teil des Spieles, nicht wahr?" Damit stürzt er sich auf mich wie ein Habicht auf das Küken, er fühlt sich durch seine scheinheilige Erklärung im Recht. Weil ich mein Gesicht abwende, küsst er nun meinen Hals. Seine Krawatte baumelt vor meiner Nase. Ich bündele alle Kräfte, greife blitzschnell zu und winde das graublau karierte Ding zweimal um seinen Hals. Erstaunlich schnell sackt er
zusammen. Ich ziehe und rucke zur Sicherheit noch ein bisschen weiter. Er - soll - bloß - still - sein! Vorsichtig öffne ich die Tür einen Spalt, niemand zu sehen. Jetzt benutze ich die Seitentreppe, gehe durch einen Schankraum und stehe unbehelligt auf der Straße. Wie fühlt sich eine frischgebackene Männermörderin? Vielleicht ist er gar nicht tot, sondern ich habe seinen Carotissinus getroffen und ihn bloß ohnmächtig gemacht? Aber selbst wenn, er ist selber schuld! Ein Mann mit geringelten Feinrippsocken und
obendrein noch klein karierter Krawatte sollte nicht derart aufdringlich sein!
Bevor ich mich wieder einmal mit einem Mann einlasse, werde ich einen kritischen Blick auf seine Strümpfe werfen und wenn ich ihm dafür die Hosenbeine hochschieben muss!
Eingereicht am 28. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
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