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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Der Suchende

© Maria Illari


"Hier ist meine neue Adresse …" Er überreicht ihr einen mit Bleistift beschriebenen Zettel. "…wir…fahren jetzt, du…schreibst mir doch, ja?!" "Ja klar doch, gute Reise!", lächelte sie und lief ins Haus. "Aber…" Zum letzten Mal in ihrem Leben drehte sie sich nach ihm um und sah ihn mit ihren großen Augen vertraut an. "Ja, …ich weiß, ich liebe dich auch, aber jetzt muss ich rein und den Salat waschen!" Gebannt starrte er von dem moosgrünen Fernsehsessel aus auf den Abspann den der rechteckige Kasten vor ihm, von sich gab. Auch an ihm war die Zeit nicht spurlos vorübergegangen, und eine dicke Staubschicht bedeckte sein Gehäuse.
Obwohl er ihm die vergangenen Jahre immer sein liebster Freund gewesen war, machte er nicht die geringsten Anstalten ihn wenigstens ein wenig zu pflegen.
Das war es!! Das war wonach er schon sein Leben lang gesucht hatte. Aus diesem Kindesmund klang es so schön, so unkompliziert, so ehrlich, und vor allem… so unmenschlich. Er war wie in Trance, auf einmal so rasch aufgesprungen, dass sich die Flüssigkeit aus seiner Budweiserdose auf seinen Brustbedeckenden Nike-Swoosh ergoss. Auch der Jeansstoff seines Diesel Fabrikats bekam einiges ab. Sie waren seit langen die einzigen in dem modrigen Appartement die noch Selbstbewusstsein, Stolz und Arroganz besaßen.
Festgeklammert hatte er sich die letzten Jahre an dem Prestige das sie ihm vermittelten, festgeklammert an etwas das nie wirklich existierte. Aber diese Illusion war das Einzige das ihn noch am Leben ließ. Er hasste die Menschen, und er hasste sich selbst. Ein gefallender Engel, der sich sein Leben lang nach Liebe verzehrt hatte, und letztendlich die Definition, sein Ideal gefunden hatte, nicht im realen Leben, sondern in einem Fernsehfilm.
Gut aussehend war er gewesen, als er sich noch pflegte, auch viele Verehrer hatte er gehabt. Doch nie hatte sich jemand dazu überwunden ihn zu lieben, und was noch viel schlimmer war, er genauso wenig. Wie konnte das passiert sein, sein Leben hatte er verschwendet, auf der Suche nach diesem abstrakten Begriff. Er der in der Partyszene präsent war wie kein Anderer. Er der soviel Liebhaber hatte wie kaum ein Anderer. Er der seinen Geist mit Drogen nährte und seinen Körper damit peinigte. Er war es der eines Tages aus diesem Traum erwachte und die Wirklichkeit zu erfassen begann. Und es war diese grausame Wirklichkeit die ihn innerlich sterben, sich zurückziehen, ein Einsiedlerdasein führen ließ. Jene Grausamkeit, als er nach einer durchzechten, drogenreichen und Sexuellbefriedigenden Nacht mit ihm durch die Dunklen Gassen wankte. Sie hatten sich, so dachten sie, gefunden. Sie waren glücklich, die Drogen waren unnötig, aber sie bestärkten dieses Gefühl. Mit ihren Abgetanzten Sohlen, schlenderten sie lachend, Arm in Arm.
Der Schall ihres Lachens, der von den Hauswänden abprallte verwandelte sich in einen gespenstischen Gesang. Und während sie lachten, überkam sie abermals die Lust. Sie küssten sich und begannen sich, an die kalten Steine einer Hauswand gepresst, gegenseitig auszuziehen. Da zerstörte ein aggressiver Schrei, den erregten Moment. "Ihr verdammten Schwuchteln, ihr seit eine Schande, eine Schande für die gesamte Männerwelt!" lallte die Schnaps getränkte Stimme aus der Dunkelheit. Erschrocken zogen die Beiden, die Hosen so schnell wie möglich wieder hoch und erkannten im schwachen Licht der Straßenlaterne fünf Angsteinflössende, aggressive Gesichter. Sie sahen sich für den Bruchteil einer Sekunde an, wandten sich genauso schnell wieder voneinander ab und begannen um ihr Leben zu laufen. Obwohl sie zwei muskulöse und sportliche Männer waren, vermochten sie den geringen Vorsprung den sie hatten nicht zu halten. Ihn erreichten sie zuerst und zerrten ihn zu Boden. Er, lief einfach weiter, schneller und immer schneller. Tränen rannen ihm über sein Gesicht als er die schmerzerfüllten Schreie hörte, und als er das Geräusch aufklappender Messer vernahm, verspürte er einen kurzen, schmerzenden Stich in seiner Herzgegend. Doch er lief schneller, immer schneller. Irgendwann verstummten die Schreie, und auch das Grölen entfernte sich. Er wartete kurze Zeit mit weit aufgerissenen Augen in einer Nische und rannte dann mit übermenschlichen Kräften wieder zurück. Da lag er. Sein hautenges T-Shirt war von Blut getränkt und zerrissen. Er kniete sich nieder, doch wagte er es nicht zu atmen. Er bemerkte, dass die erschöpften Pupillen seinen Blick suchten, und als sie ihn fanden, bewegten sich die Mundwinkel leicht nach oben, als ob sie lächeln wollten. Dann verloren sie an Ausdruck und der Blick erstarrte. Zitternd beugte er sich über ihn und drückte den leblosen Körper sanft an sich. Seine Tränen verdünnten das Blut in seinem Gesicht und ließen es durchsichtig erscheinen. Diese Nacht, so dachte er, hatte ihm alles genommen, all seine Hoffnung, seine Zukunft, seine Existenz. Doch nun wusste er was er verloren hatte. Das war es gewesen was er in jener Nacht verspürt hatte, das Gefühl der bedingungslosen, aufopfernden, uneigennützigen Liebe. Doch sie war nicht von ihm ausgegangen.
Und doch hatte er sie gespürt, einmal in seinem Leben. Die Chance die sie ihm eröffnete, ließ er ungenützt verstreichen, denn erst jetzt hatte er sie erkannt. In diesem Moment, glitt die Fernbedienung aus seiner Hand und fiel zu Boden. Der alte verdreckte Fernseher schaltete sich aus, um nie wieder angesehen zu werden.
Eine letzte Träne glitt über seine Wange, reflektierte einen schwachen Sonnenstrahl und erstrahlte in einzigartiger Schönheit.



Eingereicht am 27. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.



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