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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Susanne

© Karin Pietersteiner


‚Was möchtest du trinken?'
Er sah ihr das erste Mal direkt in die Augen. Etwas in seinem Blick ließ sie leicht zusammenfahren und sie machte eine Bewegung, damit er es nicht bemerkte. Er blickte wieder weg. Der Ober wartete.
‚Einen Tom Collins. Nein, doch lieber ein Mineralwasser.'
Sie wollte einen klaren Kopf behalten. Sein Blick hatte, ja, er hatte leicht irr ausgesehen. Unheimlich. Es war besser wenn er sie nicht direkt ansah.
‚Ein Mineralwasser und einen Whisky Sour. Und ein Päckchen Marlborough.'
Wieder sah er sie an.
‚Ich konnte es gestern kaum glauben als du schließlich eingewilligt hast, mit mir auszugehen. Möchtest du tanzen?' Sein Blick verband sich mit ihren Augen, das Irre war daraus verschwunden. Es waren nur ein paar Irrlichter zurückgeblieben, ockerfarbene, schwimmende Punkte.
Er stieg ihr zwei Mal auf die Füße, murmelte eine ungeschickte Entschuldigung. Sein Körper wirkte warm und feucht, seine Haare schwitzten auf seiner Stirn.
Sie merkte, dass er sie immer mehr abstieß.
‚Ich habe Durst, setzen wir uns doch wieder.'
Als sie sich das zweite Glas Mineralwasser einschenkte, war der irre Ausdruck in seinen Augen zurückgekehrt.
‚Du wirst doch niemandem davon erzählen, nicht wahr? Ich hab dir ja schon gestern gesagt, dass mir das wichtig ist.'
‚Warum liegt dir denn so viel daran? Schämst du dich für mich?'
Ihre Stimme wurde etwas laut. Es kränkte sie, dass er wieder davon anfing.
‚Na ja, du weißt schon. Ich bin verheiratet und die im Büro müssen es auch nicht wissen. Kruse meinte, ich hätte gute Aussichten auf den Posten des Abteilungsleiters, der im Feber frei wird, wenn Karl in Pension geht.'
‚Also schämst du dich doch. Was tue ich eigentlich hier?'
Sie merkte, dass sie sich das selbst fragte. Wieso war sie mit diesem Mann hier? Einem Kollegen, der ihr seit zwei Monaten Avancen machte, auf plumpe Weise Interesse an einer Affäre signalisierte. Was brachte diese Gespräch?
Ja, sie hatte sich gestern mit ihm verabredet. In den letzten drei Jahren war ihr genau sechs Mal annähernd das Gleiche passiert: nette Kollegen, Familienväter, Singles, einmal sogar der Chef, hatten ihr zu verstehen gegeben, dass sie sie attraktiv fanden und mit ihr schlafen wollten. Aber ohne Verpflichtung, versteht sich, und ohne dass jemand davon erfahren würde. Sechs Männer, die alle genau dasselbe wollten, und offenbar nicht auf die Idee kamen, dass ihr Ansinnen sie beleidigen könnte. Sechs Männer, mit denen sie beruflich zu tun hatte und die sie regelmäßig wiedersehen würde. Sie hatte es angeekelt, was sie sagten, dann deprimiert und schließlich an sich selbst zweifeln lassen. Was war los mit ihr, dass ihr das dauernd widerfuhr? Dass sie offenbar solche Angebote anzog? Dass man mit ihr seit fünf Jahren ausnahmslos ein Vergnügen für eine Nacht suchte?
Das erste Mal, als sie noch im Architekturbüro Braun arbeitete, war sie wortlos aufgestanden und hatte den Raum verlassen. Der junge Architekt tat in der Folge so als ob nicht geschehen wäre und es hatte schon so ausgesehen als würde sich das Arbeitsklima normalisieren als einer der freien Mitarbeiter ihr ein Treffen in der Wasserfallbar des Marriott vorschlug, wo er ein Zimmer für eine Nacht reserviert hatte.
‚Was fällt Ihnen ein? Sehe ich wie eine Frau aus, die sich auf so etwas einlässt?' hatte sie ihn angefahren.
Drei Tage danach wurde sie von ihrem Chef wegen ihre Ruppigkeit Mitarbeitern und Kunden gegenüber gerügt und einen Monat später wechselte sie in eine Getränkefirma. Dort war es der Buchalter, der nach einem halben Jahr, das Foto seiner Lebensgefährtin und seiner zwei Kinder auf dem Schreibtisch, sie immer wieder wie zufällig berührte. Eines Tages streifte seine Hand ihre rechte Brust und als sie sich ein Herz fasste und ihm sagte, er solle dies sein lassen, begann er davon zu reden wie anziehend er sie fand und dass er ihrer Ausstrahlung nicht widerstehen könne. Er würde gerne mit ihr übers Wochenende verreisen, seiner Frau würde er erzählen, dass er auf einem Seminar sei, es dürfe nur niemand davon erfahren.
Noch drei weitere Male war ihr Ähnliches widerfahren und sie kam zu dem Schluss, dass dies wohl mit ihr zusammenhängen müsse. Offenbar strahlte sie etwas aus, das diese Männer anzog, und zwar auf eine Art und Weise, die zugleich eindeutig und beleidigend war. Denn jeder von ihnen betonte, dass niemand von dem gemeinsamen Abenteuer erfahren sollte.
Nach dem sechsten derartigen Angebot wechselte sie wieder die Firma.
Bei Dorfmann und Kruse war es nach genau einem viertel Jahr wieder passiert. Herr Geimeier kam immer wieder unter Vorwänden in ihr Büro, versuchte mit ihr zu flirten und schlug schließlich vor, etwas trinken zu gehen. Sie lehnte ab. Doch ihre spröde Haltung schien ihn anzustacheln und er vertraute ihr an, dass er keinen sehnlicheren Wunsch habe als mit ihr die ganze Nacht zu verbringen. Sie könne sich das Hotel aussuchen, sagte er, er würde sie auf Rosen betten, doch seine Frau dürfe nichts davon erfahren, das müsse er klarstellen.
Es war das siebte Mal, dass ihr ein solches Angebot angetragen wurde und obwohl ihr es genauso den Magen umdrehte wie die Male vorher, beschloss sie, sich auf die Sache einzulassen. Die Zahl 7 war etwas Besonderes. Es gab sieben Zwerge, sieben Weltwunder, sieben Todsünden und das Buch mit sieben Siegeln. Vielleicht fand sie ja den Schlüssel zu den ganzen Ereignissen, wenn sie einmal nicht davonlief und sich auf ein Treffen einließ. Wie weit sie gehen würde, hatte sie ja in der Hand, sagte sie sich.
‚Etwas kommt im Leben so lange auf dich zu bis du es auflöst, das Thema löst sozusagen', hatte ihre Freundin Ellie betont. ‚Dein bisheriges Verhalten hat dies nicht vermocht, also tu einmal etwas anderes! Du musst ja nicht mit ihm schlafen, aber schau es dir einmal genauer an. Geh mit ihm aus, tu so als ob du mitmachst und reagiere auf das, was er sagt! Dabei kann ja nicht viel passieren.'
Und nun saß sie hier, dem schwitzenden Mann mit den irren Punkten in den Augen gegenüber.
Sie sah ihn an. ‚Weißt du, wie es für mich ist, dass du darauf bestehst, dass niemand davon erfährt, dass wir uns treffen?'
‚So schlimm kann das ja nicht sein, es ist schließlich zu unser beider Schutz, wir wollen doch keine Komplikationen, nicht wahr?' Er sah wieder zur Seite während er sprach. ‚Ein bisschen Spaß soll ja unser Leben nicht auf den Kopf stellen.'
‚Ich hab es gerne wenn ein Mann zu mir steht. Wenn jeder wissen darf was läuft.'
‚Aber Susanne, wir sprechen doch nur von einer Nacht! Warum sollte das jeder wissen müssen?'
‚Bin ich nicht denn gut genug für mehr?'
‚Du bist eine wunderbare Frau. Aber ich bin gebunden, wie du weißt. Und ich liebe meine Frau. Ich möchte ihr nicht wehtun. So ist es am besten, glaub mir.'
Was für ein Gefasel. Dumme, leere Männerargumente. Er wollte nur sein Ziel erreichen und sagte irgend etwas. Sie fühlte Wut in sich hochsteigen. Warum ließ sie sich auf dieses Gespräch ein? Was sollte dies auflösen? Er wusste offenbar nicht wovon sie sprach.
‚Ich mag keine One-Night-Stands. Ich finde das geschmacklos. Klar, dass niemand davon wissen soll - denn es hat nicht viel Stil, vor allem wenn du es so planst und mir vorher sagst, dass niemand davon wissen darf. Schneller, heimlicher Sex, nur für eine Nacht, und danach ist alles wieder wie es war.'
Nun wirkte er irritiert.
‚Aber Susanne, wir waren uns doch einig, es einfach fein zu haben miteinander, für eine Nacht. Ich weiß gar nicht was du auf einmal hast.'
Sein rechte Hand legte sich auf ihre Schulter.
‚Susanne, du bist umwerfend attraktiv. Wenn ich nicht gebunden wäre, könnte ich mich auf dich einlassen, glaub mir. Lass uns doch einfach den Augenblick genießen!'
Sein Blick wurde lauernd, seine Hand und ihre Schulter verbanden sich zu einem feuchten Austausch. Eine Hitzewelle erfasste ihren Hals- und Brustbereich. Es war unerträglich! Sie konnte das Experiment nicht weiterführen. Wenn sie nicht bald kam ...
Sein feuchter warmer Atem erreichte ihre rechte Wange. Sie roch Rauch und sein Begehren. Ihr Magen begann sich umzustülpen. Sie stand auf.
‚Es tut mir leid, ich mag keine Versteckspiele. Ich mag auch keinen billigen schnellen Sex, keine Affären für eine Nacht. Ich habe nichts gegen dich, Hermann. Aber das alles ist nichts für mich.'
Bevor er erfassen konnte was sie sagte war sie bei der Tür, hatte ich ihren Mantel geholt und war nach draußen gegangen.
Vielleicht hat es sich nun gelöst, ich habe einem dieser Männer deutlich gesagt was ich nicht will! Etwas in ihr jubilierte.
‚Konfrontiere dich, sprich es aus.' Ellis Worte klangen in ihrem Ohr nach. Das hatte sie nun getan.
‚Frau Brink?'
Eine blonde, einfach gekleidete Frau blickte sie fragend an.
‚Ja. Guten Abend, Frau Geimeier.' Sie sah die Frau zum ersten Mal. ‚Ich dachte schon, sie kommen nicht mehr.'
‚Ich wartete lieber hier draußen. Ich konnte nicht hineingehen und ...'
Sie bemerkte, dass die Frau am ganzen Körper zitterte. Sie war hübsch, auf eine stille Art.
‚Schon gut. Ihr Mann sitzt wahrscheinlich noch in der Bar. Oder er bestellt das Zimmer ab. Ich gehe jetzt nach Hause. Wiedersehen.'
Susanne drehte sich um und ging.
‚Wiedersehen. Danke.', rief ihr Frau Geimeier nach.
Sie blickte Susanne eine Weile nach. Dann richtete sie sich auf, atmete tief ein und ging festen Schrittes auf die Eingangstür des Sheraton zu.



Eingereicht am 27. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.



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