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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"
Der Junge und die Katze
© Friedgard Mattlin
Da liegt er mit offenen, grauen Augen, unter der Bettdecke aus Gelb und gelb mit grün und rot und rosa bedruckt. Das Haar wie gelbes Stroh auf dem Kopf, kuschelt sich in den "Janosch-Bettdeckenbezug" hindurch. Über ihm gelbes Dunkel; in ihm die müden, grauen Augen, die keinen Schlaf finden.
"Und warum kann ich nicht schreiben und rechnen, wie Dennis, Bernd, Lukas, Emilie oder Jan? Ich bin so bescheuert in der Schule und das Rechnen und das Plus und Minus und wie viele Freunde habe ich?"
Die Welt besteht aus Buchstaben und Zahlen, Diktaten und Arbeiten und dem ewigen: ich kann das alles nicht.
Die Augen kleben an dem Gelb und draußen die Dämmerung, immer dunkler, immer weniger Licht da unter dem Janosch, das Haar noch struppiger, noch mehr Stroh im Haar. Das kommt von dem vielen Umherwälzen unter dem Jansoch.
Er ist schon, ja erst, acht Jahre alt und weiß bereits, dass er nicht kann, nicht zu denen da draußen, außerhalb der Decke gehört. Er gehört in die Dämmerung, nicht ins Tageslicht da draußen, nicht dort hin...
Er wälzt sich in der dunkelnden Dämmerung unter dem grau gewordenen Janosch hin und her, graue Augen haben dieselbe Farbe wie die Strohhaare. Aber wo bleibt der Schlaf nach den 14 Stunden Schule, Schule, Schule, Hausaufgaben, Hausaufgaben, Üben, nicht wissen was spielen und ein bisschen Computer spielen und dann das Essen und dann der Janosch, erst gelb, dann grau und morgen? -Die Dämmerlichtaugen rutschen unter dem Janosch hervor, gleiten bettabwärts hinunter ins Badezimmer, dämmerndes Umherwandeln anstelle
von schönen Träumen. Da ist die Katze. Sein Gesicht hellt sich auf.
"Hallo, Pünktchen, komm", nimmt sie in die warmen Hände, so weich so warm, so liebevoll, kleine Hände, Kleinejungenhände kraulen, streicheln, heben Pünktchen hoch. "Komm mit in mein Bett, kleines Pünktchen!" Und Pünktchen wird bettaufwärts gehoben, kuschelt sich mit den grauen Augen unter den Janosch. Grau in Grau, aber doch zu zweit, da jetzt die kleine Freundin...
"Aber was ist heute mit Jan passiert?" sagt er leise zu Pünktchen, "ich hab gerochen, dass er ein bisschen in die Hosen gemacht hat, da habe ich aber lieber meinen Mund gehalten, damit es keiner erfährt. Ich bin sicher, dass es außer mir niemand gesehen und gerochen hat. Ich sage es zu niemand, damit er sich nicht schämen muss!" Pünktchen rollt sich neben seine Brust und das ist so gut, ist besser als Worte...
"Pünktchen, warum kann ich nicht schreiben und Buchstaben und Zahlen und Diktate?" Pünktchen schnurrt und die grauen Augen verstehen: "guter Junge, lieber Junge, feiner Junge mit den grauen Augen unter dem Janosch..." "Aber," und ein Lächeln über dem Dämmergesicht, "meinst Du das wirklich?" Pünktchen leckt sich die Pfote, schnurrt. Er versteht: ein Nicken; krault das weiche Fell über dem Nacken und Pünktchen schnurrt lauter. "Ja, das ist wirklich, sie versteht es!
"Pünktchen, aber gibt es noch etwas anderes im Leben, als Zahlendiktate und Buchstabenworte? Etwas, was ungefähr genauso wichtig ist?" Pünktchen schnuppert an seinem Kindergesicht, so weich, so grau, die Schnurrhaare kitzeln. "Ja, du bist mir wichtiger, du bist lieber als die schwarzen Buchstabenzahlen."
Kleiner Kinderarm im Dunkel legt sich um das Wichtigere nach dem Dämmerlicht, ganz zweisam unter dem Janosch. Sein Atem wird ruhiger, die müden Augen bedeckt von langen Kinderwimpern unter der graubunten Janoschbettdecke ...
Eingereicht am 27. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.