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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"
Die wirklich großen Ereignisse
© Regula Buder
Wir sitzen hier zusammen und warten. Und wenn wir müde werden, sitzen wir nur noch oder gehen schlafen. Wir warten auf die großen Ereignisse, das heißt, ich warte, und der Karl, mein Mann, der leistet mir Gesellschaft.
Wenn ich ihn etwas frage, grinst er mich an. Karl ist zufrieden, sein großes Ereignis ist wohl schon eingetreten. Vielleicht an dem Tag, als er beschloss, sich nicht mehr an mich zu erinnern. Doch damit stand ich nicht alleine da, auch seinen Chef erkannte er nicht mehr. Ich glaube, der Chef nahm es noch härter. Was ist denn mit dem Karle, stammelte er nur immer wieder und trank dem Karl sein Bier auch noch aus, weil der Karl vergessen hatte, wozu das gut sein sollte.
Ja, so sitzen wir also beisammen und warten.
Und es müssen große Ereignisse sein, erschütternd genug, um uns aufzurütteln. Die niedergestochene Ehefrau zählt nicht. Nicht weil sie Ausländerin war, nein, daran haben wir uns ja gewöhnt. Sie zählt nicht, weil um die Ecke geschehen. Gestern, heute, und auch übermorgen wird's wieder eine geben. Das ist lästiger Alltag, wie die Mülltonnen, die nicht rechtzeitig gelehrt werden, und dann stinkend überquellen. Auch nicht die Kinderzimmerdramas. Wer interessiert sich denn schon dafür? Vielleicht jene, die selbst
keins erlebt haben, aber gibt es das denn überhaupt noch? Wir können uns ja für die Abschaffung von Kinderarbeit einsetzen, irgendwo weit weg, das macht sich gut. Und die "Made in China"-Etikette lässt sich hervorragend aus dem neuen Kleid entfernen, Schnäppchen sollten nie verschmäht werden, denn wer den Rappen nicht ehrt...
Herr Nauer starb, vergangene Woche. Ja, das ist eine Tragödie, so ein netter Herr. Kaum älter als wir, sicher noch keine siebzig, aber wie das Leben so spielt. Immerhin noch etwas geleistet in seinem Leben hat er, doch die arme Frau, was nur aus der werden wird? Aber daran wollen wir lieber erst gar nicht denken. Du sollst nicht zu viel daran denken, sonst ereilt dich das gleiche Schicksal. Mutters Worte, und die muss es gewusst haben. Immer hat sie am Abend gebetet, Herrgott beschütze uns, und lass nicht zu,
dass wir krank werden oder gar einen Unfall haben. Und dann eines Tages kam der Lastwagen, kurz vor dem Mittagessen, und überfuhr sie, die Einkäufe dazu.
Sie kam grad vom Supermarkt zurück. Und wir bekamen Pommes an jenem Tag, im Restaurant um die Ecke, denn unsere Einkäufe waren ja überrollt. Aber irgendwie hatte ich keinen Hunger mehr. Und ich habe doch Pommes über alles geliebt, Mutter wohl auch, aber sie hätte nicht immer davon sprechen sollen, schon gar nicht mit dem lieben Gott.
Heute wird es aufregend, denn mein Mann ist weg, immer einmal die Woche, kreative Beschäftigung heißt seine Verabredung, sie holen ihn ab. Da hab ich dann mal ein paar Stunden für mich. Ich kann einkaufen gehen, und dann in der Konditorei vorbei sehen, vielleicht gibt es was Neues bei der Rosie.
Einmal wäre beinahe was geschehen, da wollte der Karl, mein Mann, weglaufen.
Zumindest haben sie das gesagt. Natürlich haben sie es rechtzeitig bemerkt, und seitdem sind die Türen zugeschlossen. Nein, natürlich nicht nur wegen ihm, es gibt ja noch andere. Ja, manchmal immer noch etwas zu forsch, die alten Herren, glauben wohl da draussen noch das große Abenteuer zu finden.