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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Veränderung

© Barbara Gold


Es läutet, zweimal, dreimal, er wartet lange, bis er sich aufrafft, zur Türe zu gehen und sie zu öffnen.
Sein Sohn. Seit einer Woche sind Semesterferien, seit einer Woche weiß er, dass Martin heute zum Abendessen kommt - nach Hause. Nach Hause, komisches Wort denkt er sich, klingt so nach Heimat, Geborgenheit. Doch für ihn ist es eher Stress, seinen Sohn sehen zu müssen. Streit unvermeidbar ...
Besonders gut hatten sie sich noch nie verstanden und seit Martin zum Studieren nach Frankfurt gegangen war, hatte sich ihr Verhältnis stark verschlechtert.
"Schön dass du da bist", - er öffnet die Tür.
"Wie geht's dir?", blöde Höflichkeit denkt er, hoffentlich fährt er bald wieder.
Später beim Essen - Martin ist schon viel zu lange da, um weiterhin Smalltalk zu führen - schneidet er das Thema an.
"Wie läuft's an der Uni? Wenn ich mich nicht verrechnet habe, bist du jetzt schon im zwölften Semester."
"Du hast dich nicht verrechnet" - seelenruhig löffelt Martin seine Suppe weiter.
"Was ich dir damit sagen will, ist dass du dich langsam, aber sicher mal beeilen solltest mit dem Fertigwerden!"
"Du hast doch keine Ahnung."
"Was?"
Martin platzt.
"Du bist schon so vom Kapitalismus zerfressen, dass du nur noch ans Geld denkst, was um dich herum passiert, ist dir völlig egal, Hauptsache die Kasse stimmt. Siehst du nicht in welcher Scheinwelt du lebst? Demokratie, vergiss es! Notstandsgesetze, erinnert dich das nicht an 1933? Gerade dich, du kommst doch bis heute nicht mit deinem schlechten Gewissen klar, dass du damals nichts unternommen hast! Jetzt hättest du die Chance auf Veränderung, und läufst schon wieder völlig blind durchs Leben! Ich versuche wenigstens, etwas zu ändern, ich brauche mir später mal keine Vorwürfe zu machen! Aber das siehst du ja wieder überhaupt nicht, du ignoranter Nazi ..."
Das saß, er ist geschockt. So etwas von seinem eigenem Sohn ins Gesicht gesagt zu bekommen. Wortlos steht er auf, nimmt sich eine Zigarre, geht auf den Balkon.
Er weiß selbst noch zu gut, wie verblendet er damals war, hatte an den Sieg des starken Deutschlands über den Feind geglaubt. - Wie falsch und dumm ...Und noch viel dümmer, dass er sich nicht eingestehen kann und will, wie Recht sein Sohn eigentlich hat ...
"Die Chance etwas zu ändern ... völlig blind durchs Leben ...", hallt es durch seinen Kopf. Martin hat recht, er muss etwas ändern und er WIRD etwas ändern ...
Immer noch nachdenklich betritt er wieder die Küche.
"Ich bin stolz, einen Sohn wie dich zu haben" und zum ersten Mal seit langer Zeit - er weiß selbst nicht WIE lange - schafft er es, Martin in die Augen zu blicken und dabei zu lächeln.



Eingereicht am 20. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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