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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Niemals wirst du fliegen

© Ralf Neidhardt


Clemens schritt gemächlich den schmalen Steinweg zum Flussbett der Murg hinab.
Er konnte nicht mehr schlafen und suchte das gleichmäßige Plätschern des Flusses um seine Gedanken zu zerstreuen. Die letzten Tage und Wochen waren für ihn sehr anstrengend gewesen. Er suchte Ruhe, - einfach nur Ruhe und Entspannung. Die Geräusche, die der Fluss von sich gab, waren genau das Richtige um sich gedanklich fallen zu lassen.
Der Fluss führte nicht viel Wasser und glich heute eher einem kleinen Bach.
Clemens stieg vorsichtig das steile Ufer hinunter. Unten im Flussbett angekommen war er erstaunt über die Größe der Granitblöcke, die so wild herumlagen, als hätte sie ein Riese in das Flussbett gestreut, so wie Samen in eine breite Ackerfurche.
Die meisten Granitblöcke hatten seltsame Formen, die die kleineren Steine durch die Kraft der Wassermassen im Laufe einer langen Zeit hinein geschliffen hatten.
Was bedeutet schon die Länge eines Menschenlebens im Vergleich zu der Zeit, die diese Steine brauchten um solche Formen zu erreichen.
Clemens ging näher zum Wasser, seine Blicke immer auf den Boden gerichtet, um nicht neben die größeren Steinplatten zu treten und in das Wasser zu rutschen. Es wäre nicht weiter schlimm gewesen, denn höher als bis zu den Knien würde er nicht nass werden, aber das Wasser war kalt, obwohl es schon Sommer war. Er plätscherte etwas mit den Händen im Wasser und war sich sicher, heute nicht barfuss durch den Fluss zu waten. Die Kälte schauderte ihn.
Die wenigen Tage, die er hier seinen Urlaub verbrachte war er schon oft im Flussbett gewatet, auch schon barfüßig durch das Wasser, doch heute fielen ihm nicht nur die großen gewaltigen, sanft geformten Granitblöcke auf, sondern auch die kleineren Steine. Er sah Buntsandsteine, die so viele Löcher wie ein Schweizer Käse hatten. Er sah schwarze, weiße, grüne, blaue, graue, braune und rosa Steine. Sah Maserungen in den Steinen, gestreifte und gefleckte. Sah runde und eckige Steine. Welch eine Vielfalt! Dies war ihm bisher gar nicht aufgefallen.
Etwas weiter Fluss aufwärts fand er einen geeigneten Stein, setzte sich darauf und hörte nur noch dem rauschenden Geräusch des Wassers zu. Sonst war alles ruhig.
Das Leben auf der Straße hatte noch nicht begonnen, es war kurz nach Sonnenaufgang und auch die Vögel hörte er nicht, dazu war das Geräusch des Wassers zu laut.
So saß er da und die Sorgen und Anstrengungen der letzten Tage fielen an ihm herab, wie die Blätter im Herbst von den Bäumen, und der Fluss trug, wie auch die Herbstblätter, seine Sorgen davon. Er fühlte, wie sich seine innere Spannung löste und war froh, denn genau das hatte er gesucht und nun gefunden.
Der Nebel stieg langsam die steilen, dicht bewaldeten Hänge des Schwarzwaldes hinauf. Nun konnte er auch die Stelle im Flussbett sehen, an dem sich der Schwarzenbach mit der Murg vereinigte.
Die Sonne blinzelte langsam über die Bergwipfel hervor und erschien als heller, verschwommener Fleck durch den aufsteigenden Nebel.
Die ersten Lastkraftwagen fuhren schon, aber Clemens hörte sie nicht. Er sah sie auch nicht, als sie über die kleine Brücke über den Schwarzenbach donnerten. Er war jetzt viel zu weit weg von dieser Welt.
Statt den Vögeln, den Menschen und ihren Fahrzeugen hörte er dem Rauschen des Flusses zu.
Er konnte Geschichten erzählen - der Fluss. Aber nicht jeder kann sie hören. Das hatte ihm schon der Großvater erzählt, als er noch ein kleiner Junge war. Aber Clemens selbst hatte bisher nichts gehört von jenen Geschichten, nur der Großvater sagte manchmal, diese Geschichte, die er Clemens vortrug, habe ihm der Fluss erzählt.
Und Clemens erinnerte sich an Hermann Hesses Siddharta. Als Großvater ihm die Geschichten vom Fluss erzählte lief er tags darauf an die Nagold und horchte angestrengt, konnte aber nie etwas verstehen.
Heute jedoch, viele Jahre später an der Murg hörte er schon eine ganze Weile zu und war sehr zufrieden, denn heute verstand er auch was der Fluss ihm erzählte. Er erzählte viel. Manchmal mehrere Geschichten gleichzeitig.
Aber er erzählt sie, stetig, unaufhaltsam in seiner Geschwindigkeit. Du kannst ihm nicht sagen 'sprich langsamer' oder 'sag es noch einmal'. Der Fluss kennt so viele Geschichten! Kein Mensch wäre jemals in der Lage alle Geschichten dieses Flusses auf zu schreiben.
Mein Gott, wie viele Geschichten werden von all den Flüssen dieser Erde erzählt, lustige und traurige, kurze und lange, und auch tragische.
Wie ohnmächtig der Mensch doch ist.
So saß Clemens lange Zeit und lauschte den Geschichten des Flusses und war dabei zufrieden mit sich und mit der Welt. Er hörte sie, ohne sie richtig wahr zu nehmen.
Plötzlich fiel ihm ein Stein auf. Er lag direkt vor ihm zwischen den vielen anderen Steinen. Clemens hob diesen Stein auf und betrachtete ihn sorgfältig.
Er war ohne Ecken und Kanten, hatte die Form eines Vogeleis. Die Größe entsprach die eines Hühnereis. Die Farbe war marmoriert in schwarz und weiß und hellem rosa. Dazwischen viele kleine Stellen, die spiegelnd glänzten. Bei genauer Betrachtung stellte Clemens fest, dass es die schwarzen Stellen waren, welche immer dann silbrig glitzerten, sobald das Sonnenlicht in einem bestimmten Winkel auf diese kleinen ebenen Flächen traf. Es war ein seltsam faszinierender Stein und weckte die Aufmerksamkeit seines Betrachters. "So ein schöner wundersamer Stein" sagte Clemens zu sich selbst. "Ich werde ihn mit nach Hause nehmen und ihn aufbewahren!"
Und während Clemens immer noch da saß und den Stein in seinen Händen betrachtete erzählte der Fluss weiterhin seine Geschichten.
"Niemals, - niemals wirst du fliegen!"
Clemens schaute sich um. Jemand hatte doch gerade etwas gesprochen. Er entdeckte jedoch um sich herum niemanden. Auf der Straße fuhren Autos, Busse und Lastwagen, auch ein Fußgänger überquerte gerade die Brücke, aber er war zu weit entfernt. Man würde seine Worte hier nicht hören können, nur wenn er schreien würde, aber die Worte, die er eben hörte waren nicht laut, sondern eher geflüstert.
Wieder betrachtete Clemens seinen Stein.
"Niemals wirst du fliegen können!"
"Und ich sage dir, eines Tages werde ich fliegen wie ein Vogel!"
Wieder schaute Clemens sich um und konnte niemanden entdecken. Hatte er Halluzinationen? Er war sich nicht sicher.
"Niemals wirst du fliegen."
Diesmal schaute sich Clemens nicht mehr um, sondern starrte nur noch auf den Stein und hörte weiter zu.
"Oh doch! Ich werde fliegen!"
Nun begriff Clemens. Der Fluss erzählte eine Geschichte, die er nun sehr deutlich hören und verstehen konnte. Und Clemens hörte nur noch gespannt zu.
"Du bist ein Stein, du wirst niemals fliegen!"
"Ich bin ein Stein, aber ich werde fliegen!"
"Niemals!"
"Wieso nicht?"
"Weil du ein Stein bist."
"Na und?"
"Steine können nicht fliegen!"
"Eines Tages werde ich fliegen!"
"Niemals!"
"Doch!"
"Niemals!"
"Doch!"
"Wieso bist du dir eigentlich so sicher, dass du jemals fliegen könntest?"
"Ich entwickle mich weiter."
"Quatsch!"
"Kein Quatsch!"
"Du bist ein Stein und wirst immer ein Stein bleiben - und Steine können nicht fliegen!"
"Ich entwickle mich weiter und eines Tages werde ich fliegen!"
"So ein Quatsch, hast du jemals einen Stein fliegen sehen?"
"Nein, aber vielleicht werde ich der erste sein. - Nein - ich werde der erste sein!"
"Hey Steine, hier ist einer von euch, der behauptet, dass er eines Tages fliegen wird."
Tausend Steine um Clemens herum fingen an zu kichern und zu lachen. Tausend Steine antworteten "Steine können nicht fliegen!"
"Hey Fluss, schieb ihn doch mit deiner Wasserkraft den Wasserfall hinunter, dann fliegt er."
Die Steine und der Fluss lachten.
"Lacht nur, ich werde fliegen, wie Vögel fliegen können!"
"Wieso willst du überhaupt fliegen?"
"Es ist schon lange Zeit her, da lag ich zwischen vielen anderen Steinen, wie hier, oben an deiner Quelle Fluss. Dort kamen immer viele Vögel, um von deinem klaren Wasser zu trinken oder gelegentlich ein Vogelbad zu nehmen.
Sie erzählten sich immer wieder von dem, was sie während Ihrer Flüge beobachten konnten und was sie dabei alles erlebten. Wie frei man doch sein könnte im Flug. Sie konnten aus Ihrer Vogelperspektive so vieles sehen. Die Bäume, die dort, wo sie nun einmal standen, viele Jahre stehen, aber schließlich an gleicher Stelle sterben würden. Die Flüsse, die aus ihrer Quelle entsprangen aber doch in ihrem Flussbett gefangen waren.
Gelegentlich könnten sie durch Hochwasser diesem Zwang entgehen, aber dies nur selten und nur für kurze Zeit, bis sie wieder dort waren wie einst.
Und die Menschen und Tiere, sie können sich zwar frei bewegen, aber sie können nun mal nicht fliegen, außer in ihren komischen Kisten, die den Vögeln nachgebaut sind. Nur die Vögel können sich so frei auf der Erde und in der Luft bewegen.
So fragte ich eines Tages die Vögel, ob ich denn auch fliegen könnte, oder ob sie es mir lehren könnten. Doch sie meinten, ich sei ein Stein und Steine können nicht fliegen. Fliegen könne man auch nicht erlernen, wenn man kein Vogel ist. Die einzige Möglichkeit sei, wenn ich mich zu einem Vogel entwickeln würde.
So fragte ich sie, wie das denn ginge. Und sie antworteten mir, dass Vögel aus Eiern ausschlüpfen würden, also müsse ich wohl erst ein Ei werden. Wenn dieses Ei dann durch genügend Wärme ausgebrütet würde, würde die Schale aufplatzen und es käme dann ein Vogel heraus, der dann auch fliegen könne.
Ich müsse also, um fliegen zu können diese Entwicklung durchmachen, also beschloss ich mich zu einem Vogel zu entwickeln."
"Niemals wirst du fliegen!"
"Doch, ich entwickle mich zu einem Vogel."
"Du bist ein Stein."
"Noch bin ich ein Stein, aber siehst du nicht, dass ich mich schon entwickelt habe?"
"Quatsch, du bist ein Stein wie tausend andere hier auch."
"Siehst du nicht wie ich mich entwickelt habe? Ich war ein kantiger Stein, wie viele andere auch, doch ich habe mich schon zu einem Ei entwickelt.
Siehst du das nicht? Viele Jahre hat es gedauert, aber wenn ich genügend Geduld aufbringe werde ich eines Tages fliegen.
Eines Tages werde ich ausgebrütet und werde als Vogel entschlüpfen und dann werde ich fliegen. Ich werde vom Boden hinauf schweben, über die Wipfel der Bäume, hoch hinaus, über die Wolken!"
"Auch wenn du wie ein Vogelei aussiehst, wirst du nicht fliegen können, denn du bist ein Stein!"
"Nein, ich war ein Stein und nun bin ich ein Ei, das nur noch ausgebrütet werden muss, dann werde ich ein Vogel sein und fliegen können."
"Quatsch!"
"Kein Quatsch, schau dich doch um. Gibt es hier einen anderen, der ein Ei ist?"
"Keiner, du auch nicht! Du siehst nur so aus, aber du bist ein Stein."
"Du bist ein Fluss, du kannst das nicht verstehen, du entspringst deiner Quelle und fließt in deinem Flussbett und kennst nur Steine, die nur Steine sind und Steine sein wollen. Aber du entwickelst dich doch auch, du bist stetig im Wandel, vom Regentropfen zur Quelle, zum Bach, zum Fluss, zum reißenden Strom, zum Ozean und wieder zum Regentropfen. Du bist ein Kreislauf. Du entwickelst dich ständig, für dich ist das normal. Aus Steinen werden Steinchen, dann Staub und dann? Ich weiß es nicht einmal, aber ich will das nicht, ich will mich zum Vogel entwickeln! Du könntest ja beispielsweise sagen, dass du nicht weiterfließen möchtest, sondern hier einfach aufhören willst!"
"Quatsch, das geht nicht! Ich muss weiterfließen, wo sollte denn das ganze Wasser hin, welches ständig aus der Quelle sprudelt?"
"Die Vögel erzählten einmal, dass sie einen Fluss gesehen hätten, der das auch nicht wollte und aus einer Quelle entsprang, zum Bach wurde, zum Fluss und dann auf einmal aufhörte, aber nicht im Ozean oder einem See, nein einfach so, einfach Schluss, weil er es wollte."
"Wie soll das denn gehen?"
"Ich weiß es nicht, ich bin kein Fluss, aber dieser Fluss wollte es so und es kam so. Ich will ein Vogel werden und werde ein Vogel und wenn es ewig dauert! Siehst du noch einen anderen Stein, der aussieht wie ein Ei? Nein, du kannst auch keinen finden, weil es einfach keiner will. Aber ich will es, ich will ein Vogel werden und habe mich jetzt schon zu einem Ei entwickelt und eines Tages werde ich ausschlüpfen und ein Vogel sein, der sich in die Lüfte erhebt."
"Niemals wirst du fliegen!"
"Eines Tages, ich sage es dir, eines Tages werde ich aus der Schale dieses Ei´s schlüpfen und mich als Vogel in die Lüfte schwingen!"
Vielleicht hatte er Recht der Stein. Es würde gehen, wenn er nur daran glaubt.
Clemens betrachtete den Stein in seiner Hand. Er sah tatsächlich aus wie ein Vogelei. Um ihn herum konnte er keinen anderen Stein entdecken, der wie ein Vogelei aussah. Der Fluss erzählte die Geschichte seines Steines.
Aber das ist doch alles Unsinn, Flüsse und Steine können nicht reden und Steine können auch nicht fliegen wie Vögel.
Clemens steckte den Stein in seine Tasche und ging wieder hinauf zum Haus am Ufer.
Der Alltag hatte ihn wieder gefangen.
Dennoch hatte Clemens fortan seinen Stein bei sich. Meistens in der linken Hosentasche, manchmal auch in der Jackentasche. Ständig spielte er mit der linken Hand mit dem Stein in der Tasche. Er zeigte ihn niemandem. Es war nur noch sein Stein. Sein ganz persönlicher Stein, sein ganz besonderer Stein, sein wundersamer Stein, den außer ihm keiner haben durfte. Auch des Nachts hielt er ihn fest in seinen Händen.
Es war für ihn ein wunderbares Gefühl und er glaubte jederzeit durch den Stein immer wieder die Geschichten des Flusses zu hören, wenn er sich darauf konzentrierte.
Immer wieder hörte er den Fluss sagen, "Niemals wirst du fliegen können!".
Warum eigentlich nicht? Dachte sich Clemens eines Tages.
Warum sollte ein Stein nicht fliegen können? Eines Tages vielleicht kann er es doch. Schließlich gab es schon immer im Laufe der Geschichte Dinge, die man vorher nie für möglich gehalten hätte. Und heute sind dies alltägliche Vorgänge.
Warum sollte sich ein Stein nicht wirklich soweit entwickeln können, dass er eines Tages fliegen kann.
So hatte Clemens seinen Stein bei sich seit er ihn fand.
Heute, am letzten Tag seines Aufenthaltes an der Murg, wanderte Clemens hinauf, am Lauf des Schwarzenbachs entlang zur Talsperre. Der Weg war nicht all zu lang und auch nicht sehr beschwerlich. Er ging gemütlich und betrachtete die Natur, die großen Bäume des Schwarzwaldes, die kleinen Sträucher unter den Bäumen an lichten Stellen, die verschiedenen Farne, das Moos und den Sauerklee. Tiere sah er nicht viele, außer ein paar Waldameisen und Bremsen, die ihn gelegentlich plagten und verschiedene Vögel.
Endlich stand er vor dem gewaltigen Bauwerk, die große Staumauer ragte wie ein Riese vor ihm in den Himmel hinauf. Sie war höher als viele Bäume, die an ihrem Grund wuchsen. Etwas Unbehagen regte sich in ihm, wenn er daran dachte, dass die riesigen Wassermassen hinter der Mauer auf einmal die Wand durchbrächen und sich mit Getöse in das Tal wälzten.
Es war ihm wesentlich wohler auf dem Bauwerk zu stehen. Auf der einen Seite mit Blick über den Stausee, auf der anderen Seite der Blick in das Tal, aus welchem er vor kurzem herauf kam. Die 80 Jahre, die das Bauwerk an Alter aufweisen konnte waren zwar beachtlich, aber gar nichts im Vergleich zur Chinesischen Mauer, auch nicht im Vergleich deren Dimensionen.
Clemens beugte sich über die steinerne Brüstung und konnte ein paar Fische im Wasser entdecken. Clemens langweilte sich und ging deshalb auf die andere Seite der Mauer. Auch hier beugte er sich über die Brüstung und schaute in die Tiefe.
Die Höhe der Staumauer beeindruckte ihn von hier oben genauso wie vorher von unten und er hielt sich gut fest. Wer hier hinunter fällt hat keine Chance mehr, dachte er, man würde vielleicht noch ein kurzes Gebet sagen können, aber dann - Schluss! Aus! Ende! Amen!
Kinder ließen auf der Staumauer einen Drachen steigen bis er in den Stausee stürzte und so nass wurde, dass er nicht mehr fliegen konnte.
Plötzlich fiel ihm sein Stein ein. Wenn er ihn hier hinunter werfen würde, so hätte der Stein Recht behalten, dass er eines Tages fliegen würde; wenn auch nur für eine kurze Zeit - wenige Sekunden, aber er würde fliegen.
Noch während Clemens darüber nachdachte hielt er seinen Stein schon weit über die Mauer hinweg.
Eigentlich wollte er ihn behalten. Er könnte auch einen anderen Stein nehmen oder ihn am Grunde der Staumauer wieder aufheben, sofern er ihn dort finden würde. Aber als er noch überlegte ließ seine Hand seinen Stein einfach los. Sie ließ ihn einfach los, obwohl er es gar nicht wollte.
So sah Clemens seinen Stein in die Tiefe fallen.
Er fiel und fiel, in die Tiefe. Es dauerte lange bis er am Grund der Staumauer aufschlug und zersprang, so wie die Schale eines Eis, aus dem gerade ein Vogelküken ausschlüpft. Und er, Clemens, ganz allein sah, wie sich aus der Schale des Steins eine Gestalt in die Lüfte empor schwang. Er konnte die Gestalt nicht deuten, sie war hellgrau wie Nebel und er konnte die Konturen der Bäume im Hintergrund erkennen. Die Gestalt sah nicht aus wie ein Vogel, eher wie ein Mensch mit Flügeln - vielleicht ein Engel.
Sie erhob sich langsam, immer höher, stieg zwischen den Tannen empor über die Wipfel der Bäume, der Sonne entgegen, dem Licht entgegen.



Eingereicht am 25. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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