Kurzgeschichtenwettbewerb Kurzgeschichten Wettbewerb Kurzgeschichte Schlüsselerlebnis   www.online-roman.de

Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

www.online-roman.de
www.ronald-henss-verlag.de

Eine Freundschaft fürs Leben

© Petra May


Es war an einem warmen Montagmorgen, als die hellen Sonnenstrahlen Amelie in aller Frühe wach kitzelten. Verschlafen öffnete sie die Augen und blickte auf ihren Nachttischwecker. Es war erst 9 Uhr! Erleichtert drehte sie sich zur anderen Seite und schloss die Augen wieder. Ein Gefühl von Zufriedenheit erfüllte sie. Wie lang hatte sie die Sommerferien herbeigesehnt! Und nun, endlich, waren sie da. Das Mädchen döste noch eine Weile vor sich hin, bis sie sich aufraffte und ins Badezimmer ging. Sie war ein ausgesprochener Morgenmuffel und wenn sie nicht mindestens neun Stunden Schlaf bekam, war sie erst einmal unausstehlich. Amelie betrachtete sich im Spiegel. Glatte, blonde Haare, blaue Augen, nicht zu groß, nicht zu klein und eine ganz passable Figur. Sie war der absolute Durchschnittstyp. Nichts Besonderes.
Resigniert seufzend wandte sie den Blick ab, zog sich aus und sprang schnell unter die Dusche. Fröstelnd zogen sich ihre Poren unter dem kalten Wasser zusammen, doch sie spürte, wie die größte Müdigkeit verflog. Als sie später beim Frühstück saß, konnte sie sogar schon lächeln. Ihre Eltern waren beim arbeiten, so musste sich mit der Gesellschaft ihrer Katze Kitty begnügen.
Nachher würde sie wieder in den Zoo gehen. Dort war ihr Vater als Tierpfleger angestellt und ihre Mutter arbeitete in der Verwaltung. Amelie saß schon auf Elefanten und streichelte Wildkatzen als sie kaum vier Jahre alt gewesen war. Sie liebte alle Tiere im Zoo, mit Ausnahme der Vogelspinnen, aber ihre Leidenschaft galt den Tigern. Amelie hatte einen sehr starken Bezug zu ihnen und die Tiger schienen sie in ihre Familie aufgenommen zu haben. Samira, ihr Lieblingstiger kam immer schon angelaufen wenn sie das Mädchen sah. Amelie war bei Samiras Geburt dabei gewesen und war praktisch seit dem mit ihr aufgewachsen. Ihr Liebling war erst dreieinhalb Jahre alt und nun zum ersten Mal trächtig. Amelie freute sich wie verrückt auf die Kleinen und verwöhnte Samira noch mehr als sonst. Sie brachte den Tigern immer rohes Fleisch mit, wenn sie sie besuchen kam und so auch heute. Das Mädchen lief, als es sich auf den Weg machte, noch schnell beim alten Metzger Heiner vorbei. Höflich fragte sie nach Fleischresten und Herr Heiner, freundlich wie er war, hatte wieder die letzten paar Tage alles aufgehoben was nicht verwendet werden konnte. Er hatte es sich angewöhnt die Reste für sie zu sammeln, da sie oft vorbeikam. Anschließend machte Amelie sich auf zum Zoo, denn sie wollte so schnell es ging zu ihrem Lieblingstiger. Während sie lief, erinnerte sie sich an das kleine tapsige Tigerbaby, das sie vor dreieinhalb Jahren in den Armen hielt. Sie durfte ihm damals einen Namen geben, und so entschied sie sich für einen Namen aus ihrem Lieblingsroman. Samira. Mit einem breiten Lächeln kam sie am Eingang des Zoos an. "Na Amelie? Hast du im Lotto gewonnen oder warum strahlst du so?", fragte Andrea, die aufgeweckte junge Kassiererin mit den schulterlangen roten Locken, während sie das Geld einer Besucherin mit zwei kleinen Söhnen entgegen nahm und ihr die Eintrittskarten aushändigte.
"Wieso, darf man keine gute Laune haben?", fragte Amelie keck zurück und fügte hinzu: "Weißt du zufällig wo Papa gerade ist?" "Dein Vater ist gerade bei den Elefanten, so weit ich weiß. Sie versuchen gerade Isabell zu waschen. Himmel, was für ein Theater! Ich hab vorhin mal eine Weile zugesehen, es ist einfach zu komisch. Vor lauter Lachen bin ich fast in den riesigen Misthaufen geflogen.", grinste Andrea. "Na so was, da hätten sie dich ja auch glatt abspritzen müssen.", kicherte Amelie und zwinkerte der jungen Frau verschwörerisch zu. Es war ein offenes Geheimnis, dass Andrea in Christian verliebt war, einen der Tierpfleger, der wohl gerade bei dem Kampf mit Isabell dabei war. Als sie weiterging rief Andrea ihr, mit glühenden Wangen noch hinterher: "Ach ja, und du sollst mal bei deiner Mutter vorbeikommen!" Also lief das Mädchen zum Verwaltungsgebäude und trat ein. In dem großen Gebäude war es angenehm kühl. "Ah, hallo mein Schatz! Und, hast du gut geschlafen?" Ihre Mutter saß an ihrem Schreibtisch und hob lächelnd den Kopf. Das Sonnenlicht fiel durch die Fensterscheibe und ließ blonde Strähnen in deren kurzen, braunen Haaren aufleuchten. "Ja, alles bestens Mami.", sagte Amelie und drückte ihrer Mutter einen dicken Kuss auf die Wange. "Oma hat angerufen, ich soll dich ganz lieb grüßen. Hör mal, deinem Vater und mir kam vorhin die Idee, dass wir Karin und Uwe mal wieder zum Essen einladen könnten. Was hältst du davon?", fragte Lucy Berent. Karin und Uwe waren die Besitzer und Leiter des Zoos und da sie nicht viel Älter waren als Amelies Eltern, waren sie sehr gut befreundet. Amelie mochte die beiden. Sie waren beide sehr nett und wenn Karin und Uwe sie nicht so gut kennen würden, und wüssten dass die Tiger ihr nichts tun, dürfte sie allein gar nicht ins Tigergehege, weil es eigentlich viel zu gefährlich war. Wenn die beiden zu Besuch kamen war immer etwas los und so nickte Amelie begeistert. Da klingelte das Telefon auf dem Schreibtisch ihrer Mutter.
Diese hob ab und meldete sich mit dem üblichen Sprüchchen: "Hier ist der Frankfurter Zoo, Sie sprechen mit Frau Berent, Guten Tag. Wie kann ich Ihnen helfen?" Amelie winkte ihrer Mutter kurz zu und ging hinaus. Tief atmete sie die frische Luft ein. Es roch nach Sommer. Nach Blumen, frischem Gras… und Misthaufen.
Sie lief zum Elefantengehege nach nebenan und sah schon von weitem ein paar Männer, die vergeblich versuchten die alte Elefantenkuh Isabell zu waschen.
"Hey Papa! Seit ihr denn immer noch nicht fertig?", rief Amelie neckend. Die Männer hielten in ihrer schweißtreibenden Arbeit inne, die Chefin der grauen Dickhäuter sauber zu bekommen und sahen sich um. "Komm doch her und mache es selbst, wenn du denkst dann geht es schneller!", antwortete ihr Vater winkend. "Ja, genau. Ich bin ja mal gespannt wie du dich anstellst!", sagte Fabian, ein junger Auszubildender grinsend und hielt ihr herausfordernd den Wasserschlauch hin. Genervt verdrehte Amelie die Augen und streckte ihm die Zunge raus. Na ja, wenigsten konnte sie sicher sein dass die Männer alle noch etwas länger beschäftigt waren, denn Isabell war grundsätzlich anderer Meinung als ihre Pfleger. Zielstrebig ging sie auf das Tigergehege zu, dort würde sie endlich ihre Ruhe haben. Die Mutter, die vorhin gerade gezahlt hatte, als das Mädchen am Zoo ankam, stand mit ihren kleinen Söhnen gerade vor der Mauer, die die Besucherwege vom Gehege abtrennte. Sie zeigte auf Luna, der Schwester von Samira und redete auf die beiden Jungen ein, die begeistert auf und ab sprangen. Amelie lief zur Wärtertür, löste die schwere Kette und schob sich durch die Eisentür. Luna hob dösend den Kopf und als sie Amelie erkannte, erhob sie sich langsam und kam angelaufen. Liebevoll streichelte sie ihr das Fell und gab ihr ihren Anteil der Fleischreste.
Plötzlich hörte sie jemanden schreien: "Oh mein Gott!! Hilfe!!! Mädchen, komm da sofort raus! Das ist gefährlich!! Hilfe, so tut doch jemand was!!" Erstaunt sah Amelie sich um und entdeckte die Frau, die neben ihren zwei Jungen stand und bald in Ohnmacht zu fallen schien. Die Köpfe der anderen Besucher flogen herum. Ärgerlich wandte Luna sich um und fauchte eindrucksvoll, mit zurückgelegten Ohren und gebleckten Zähnen. Obwohl die Frau so weit entfernt stand, setzte sie sich vor Schreck auf ihren Hosenboden. Eine ziemliche Menschenmenge hatte sich nun schon schaulustig um das Tigergehege versammelt. Amelie ging in Richtung Besucherweg, bis sie vor dem breiten Wasserbecken stand, das vor der Mauer noch zusätzlich das Gehege abtrennte. "Ist alles in Ordnung mit Ihnen?", erkundigte sie sich freundlich. Doch bevor die Frau antworten konnte, kam plötzlich etwas Riesiges auf das Mädchen zugeschossen und warf sie vor Freude fast ins Wasserbecken. Samira! Lachend beugte sich Amelie vor über und gab ihr einen zärtlichen Klaps. Auf der anderen Seite der Mauer atmeten die Besucher aus, sie hatten vor Schreck den Atem angehalten. Die Frau, die mit Hilfe eines kleinen, dicken Mannes nun wieder einigermaßen sicher auf ihren zwei Beinen stand, fragte entsetzt: "Bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Du kommst auf der Stelle da raus!!" "Nein, das ist schon in Ordnung. Ich darf hier drin sein.", erwiderte Amelie grinsend. "Also das ist ja wohl die Höhe!", schnaubte die Frau empört. "Man kann doch ein kleines Mädchen nicht einfach zu wilden Tieren ins Gehege lassen, was da alles passieren kann!!" Ärgerlich schloss Amelie für einen Moment die Augen. Meine Güte, war die aufdringlich. Und ein kleines Mädchen war sie schon gar nicht, immerhin war sie schon fünfzehn! Sie kratzte ihren letzten Rest Selbstbeherrschung zusammen und als sie die Augen wieder öffnete, stand die Frau breitbeinig, wie ein kleiner, bissiger Terrier auf den Besucherwegen und keifte: "Ich werde mich beschweren!! Was sind dass hier denn für Zustände!" Ihre beiden kleinen Söhne blickten verwirrt zu ihr hinauf. Amelie atmete tief ein und sagte so freundlich wie möglich: "Bitte, reden Sie doch mit meiner Mutter darüber. Sie ist im Verwaltungsgebäude, das ist das große in der Nähe des Eingangs. Fragen Sie einfach nach Lucy Berent." Sie nickte den Leuten noch einmal beruhigend zu und zog sich mit den beiden Tigern zu den Felsen zurück.
Dort gab sie Samira, die schon die ganze Zeit bettelnd um ihre Beine gestrichen war, ihren Anteil des Fleisches. Luna ging neidisch dazwischen und die beiden Wildkatzen rollten sich fauchend und balgend über die Wiese.
Man konnte kaum erkennen wo der eine Tiger aufhörte und der andere anfing.
Erst ein energischer Pfiff des Mädchens trennte die beiden. Amelie seufzte, Futterneid war etwas wirklich nerviges. In der Zwischenzeit waren auch die anderen Tiger, neugierig geworden durch den Wirbel den die Frau vorhin veranstaltet hatte, bei Amelie angekommen und forderten ihr Fleisch. Das Mädchen streichelte hier ein Kopf und kraulte dort ein Fell. Die Tiger schnurrten vor Wohlbehagen und ließen sich dort, wo sie gerade standen ins Gras fallen, um ein Nickerchen zu machen. Bald lag um Amelie herum ein weiter Kreis aus Tigerleibern, nur Samira lag, mit dem Kopf auf ihrem Knie, noch bei ihr. Die vielen Besucher, die sich vorhin um das Gehege herumgestanden waren, hatten sich größtenteils wieder zerstreut. Nur ein Paar Schaulustige waren noch übrig geblieben und blickten neugierig zu dem Mädchen hinüber, das da inmitten eines Kreises von Wildkatzen saß und einer zufrieden den Kopf streichelte. Eine japanische Touristengruppe hatte ihre Kamera hervorgeholt und knipste wie verrückt, wobei sie sich mit eigenartig klingenden Worten unterhielten. Amelie blinzelte hinüber. Zum Glück, die komische Frau von vorhin war verschwunden. Mit halb geöffneten Augen blickte das Mädchen sich um. Ach, es war herrlich mit ihren Lieblingen in der Sonne zu liegen und zu dösen. Amelie sah zu Samira hinunter, die mit geschlossenen Augen leise vor sich hin schnarchte. Es war eher eine Mischung aus Schnurren und Schnarchen, und sie war sich sicher, dass sie sich noch an diese Töne erinnern würde, wenn sie alt und grau war. In Samiras rotem Fell brachen sich die Sonnenstrahlen und die schwarzen, willkürlich verlaufenden Streifen darin vertieften das Rot noch mehr und verliehen ihm einen kupfernen Glanz.
Vorn an der Brust, an der Schnauze, über den Augen und an den Ohren hatte das Fell eine weiße Färbung. Auch der Schwanz beinhaltete ein paar weiße Streifen. Amelie vergrub ihr Gesicht in Samiras flauschigem Bauchfell und bekam auch prompt den Schwanz an den Kopf geklatscht. "Hallo ihr da drinnen.
Ich hoffe euch geht es gut." Liebevoll strich sie über Samiras Bauch, der von Tag zu Tag runder wurde. Das Mädchen richtete sich auf und sah ihren Lieblingstiger ernst an. "Wir müssen uns bald mal ein paar schöne Namen für die Kleinen ausdenken. Oh, das werden bestimmt die süßesten Tigerbabys die es je gegeben hat!", sagte sie begeistert und gab der verdutzten Samira einen Kuss auf die Stirn. Diese hob den Kopf und beschnupperte zärtlich Amelies Gesicht und ihre Haare. Samiras feuchte, rosarote Nasenspitze und ihre langen Schnurrhaare kitzelten allerdings so, dass Amelie lachen musste.
Da erhob sich Nabucco, der Chef der Tiger und kam würdevoll herüberstolziert. Er durchforstete die Tüte, in der das Fleisch aufbewahrt worden war. Als er nichts fand, setzte er sich auf sein Hinterteil und blickte das Mädchen aus großen, hellblauen Augen vorwurfsvoll an. Amelie war sich sicher, dass er jetzt einen Schmollmund gezogen hätte wenn er könnte.
"Hey du Vielfraß, hast du etwa schon wieder Hunger?", lachte sie und stupste ihm mit ihrem Finger leicht auf die breite Nase. Sie wusste dass ein ausgewachsener Tiger bis zu 9kg Fleisch am Tag frisst, aber da musste er wohl oder übel bis zur Abendfütterung warten. Als er begriff, dass er jetzt nichts mehr bekam, knurrte er beleidigt und legte sich unter einen Felsen in den Schatten. "Alter Spinner.", grinste Amelie und schloss die Augen. Die Sonne schien warm vom Himmel, fast schon zu warm. Sie wäre beinahe eingeschlafen, doch eine Stimme riss sie aus ihren Träumen. "Amelie, he Amelie! Hast du Lust im Affenhaus füttern zu helfen?" Ihr Vater stand an der Mauer und blickte lächelnd zu ihr hinüber. "Na klar!" Amelie schob sanft Samiras Kopf vom Schoß und erhob sich. Ihr Lieblingstiger schlug die schönen, grüngelben Augen auf und begleitete sie noch bis zur Gehegetür.
Amelie kraulte Samira noch einmal schnell zwischen den Ohren, dort hatte sie es besonders gern, und versprach ihr, später noch einmal vorbeizuschauen.
Langsam trottete der Tiger wieder zurück und ließ sich im Schatten der Bäume nieder.
Amelie wandte sich um und ging zum Affenhaus. Schon von weitem hörte man das wilde Kreischen der Paviane, Schimpansen und Orang-Utans. Als sie eintrat, sprang ihr Sanni, ein kleines Totenkopfäffchen, direkt in die Arme. Erstaunt sah Amelie auf das kleine Bündel in ihren Armen, das leicht zitterte. "Na, was ist denn mit dir los?" "Ich glaube Toni hat sie wieder gejagt. Er kann es einfach nicht lassen.", ertönte es plötzlich hinter ihr. Als Amelie sich umdrehte, sah sie Luka. Er machte gerade eine Ausbildung zum Tierpfleger.
Sie mochte ihn, sehr sogar. Er sah ziemlich süß aus. Er hatte schwarze, kurze Haare, goldbraune Augen, eine gebräunte Haut und ein paar Sommersprossen auf der Nase. "Man müsste ihm das abgewöhnen. Die arme Sanni kann einem wirklich leid tun.", sagte Amelie leicht verlegen und gab dem Äffchen zur Beruhigung ein Bananenstück aus der Futterkiste. Toni war einer der Paviane und es machte ihm ungeheuer Spaß, Kleinere und Schwächere zu jagen. Gemeinsam mit Luka holte Amelie das Futter und fütterte die haarigen Tiere. Die beiden blieben hier und da stehen, um einen der Affen zu streicheln oder mit einem Obststück zu verwöhnen. Amelie mochte diese allabendlichen Rundgänge, besonders mit Luka. Er war so ruhig und sanft zu den Tieren. Ganz anders als die Jungen in ihrer Klasse, die würden nur blöde Scherze machen. Amelie beobachtete ihn verstohlen aus den Augenwinkeln. Er spürte ihren Blick und schenke ihr ein strahlendes Grübchenlächeln. Amelie lächelte zurück und wandte ihm verwirrt den Rücken zu. Was war nur los mit ihr? Später gingen sie noch zu den Vogelkäfigen um den Papageien ihr Futter zu bringen, die anderen Vogelarten waren bereits versorgt. Als sie die Tür öffneten, wurden sie von Abraxas, einem blaugelb gefiederten Ara, mit lauten Schreien begeistert begrüßt. Während Luka die Körner verteilte, unterhielt sich Amelie eine Weile mit Abraxas. Er war der einzige Papagei des Frankfurter Zoos, der ganze Sätze sprechen konnte ohne dass man sie ihm vorsagen musste. Später wünschte das Mädchen noch schnell Samira eine gute Nacht und fuhr mit ihren Eltern nach Hause. Die Sonne versank gerade als glutroter Ball hinter den Bäumen, als ihre beste Freundin Marie anrief. "Hey Amelie! Willst du morgen mit mir ins Schwimmbad? Wir fahren doch übermorgen in den Urlaub, nach Spanien, und ich will dich vorher noch mal sehen. Dich bekommt man ja eh kaum zu Gesicht wenn du dich den ganzen Tag im Zoo rumtreibst." Also stimmte Amelie zu. Als sie das Telefonat beendet hatte, setzte sie sich zu ihren Eltern aufs Sofa und trank einen großen Schluck kühlen Eistee. Pfirsich, ihr Lieblingsgeschmack. Plötzlich schien ihrer Mutter etwas einzufallen. Sie schüttelte den Kopf und erzählte: "Meine Güte, Leute gibt's. Heute Mittag kam eine total aufgeregte Frau zu mir ins Büro gestürmt und schimpfte irgendwas von Verletzung der Aufsichtspflicht und verantwortungslosem Verhalten. Nachdem ich sie einigermaßen beruhigen konnte, hab ich ihr die Sache mit Amelie und den Tigern erklärt. Sie hat es zwar nicht wirklich eingesehen und ist wütend abgerauscht, aber da kann ich ihr auch nicht helfen." "Mensch Mama, wie hast du die denn ruhig bekommen?
Die hat bei den Tigern vielleicht ein Theater veranstaltet, unglaublich." Lucy Berent antwortete grinsend: "Baldriantropfen, kleiner Geheimtipp. Die wirken wirklich immer." Den nächsten Tag verbrachte Amelie mit Marie im Schwimmbad. Es war furchtbar lustig, doch trotzdem vermisste das Mädchen ihre Lieblinge aus dem Zoo. Als sie endlich wieder im Tigergehege saß und Samira gedankenverloren über den dicken Bauch strich, gesellte sich Luna zu ihnen. Nun hatte Amelie zwei Bäuche zu kraulen. Wie viel dünner Luna war. Samira war nun schon seit zweieinhalb Monaten trächtig. Aber in einem Monat ungefähr musste es soweit sein, dann würde Samira stolze Mutter werden. Und diese dicke Kugel von Bauch war sie dann auch los.
Und tatsächlich, einen Monat und zwei Wochen später brachte Samira ihre Jungen zur Welt. Amelie war bei der Geburt dabei und stand ihrer Tigerfreundin zur Seite. Einige Minuten später hielt sie drei kleine, verklebte Geschöpfe in den Armen, die munter zappelten. Erschöpft, aber sichtlich zufrieden und voller Mutterstolz leckte Samira sie ab und anschließend tranken sie die erste Muttermilch ihres noch so kurzen Lebens.
Da Tigerbabys blind geboren werden fanden sie die Milchquelle nicht gleich, doch Amelie leistete Hilfestellung. Das Mädchen hatte noch immer Freudentränen in den Augen, als sie, nachdem ihr Vater sie nach Hause gebracht hatte, noch lange schlaflos im Bett lag. Als Samiras Jungen nach einigen Wochen zum ersten Mal die Augen öffneten und neugierig ihre Umgebung erkundigten, sah Amelie lachend zu. Die Kleinen waren auch zu niedlich! Wie kuschelige Plüschtiere sahen sie aus, mit ihren großen, stets etwas verwundert blickenden, kugelrunden Augen. Einfach zum Knuddeln. Es sah so drollig aus, wenn sie schnuppernd, mit bebenden Schnurrhaaren, auf tapsigen Pfoten ihre ersten großen Abenteuer erlebten. Inzwischen konnte Amelie nur noch einen der kleinen Wildkatzen im Arm halten, so gewaltig gewachsen waren sie schon. Sie wurden so unglaublich schnell groß. Tigerbabys werden bis vier Monate nach ihrer Geburt gesäugt, also hatte die drei Racker noch Zeit, bis der Ernst des Lebens für sie begann. Sie würden sich in der Gruppe der Tiger behaupten und eingliedern müssen. Aber bis dahin dauerte es noch.
Eines Tages, die Schule hatte wieder angefangen, war es ungewöhnlich heiß für den Altweibersommer. Amelie saß innerhalb des Tigergeheges im Schatten, über ihr, auf einem Felsen, Nabucco und Naomi, und auf ihr Leila, Memo und Rubi. So hatte sie Samiras Junge kurz nach deren Geburt getauft. Das Mädchen versuchte sich auf seine Hausaufgaben zu konzentrieren, doch es gelang ihr nicht. Dauernd wurde sie abgelenkt von der schnurrenden Leila, die noch mehr Streicheleinheiten forderte, von Memo, der die ganze Zeit spielerisch in ihre Schnürsenken biss und auch Rubi trug seinen Teil dazu bei, Amelie beim erledigen ihrer Aufgaben zu stören. Er lag ausgestreckt auf ihrem Deutschheft und schnarchte zufrieden vor sich hin. Die drei kamen mit Samira immer gleich angesprungen, wenn sie kam und sie waren so niedlich, dass man ihnen einfach nicht böse sein konnte, egal was sie anstellten. Erst letzte Woche hatten sie einen knallbunten Regenschirm, der von einem Besucher hier vergessen und durch eine Verkettung unglücklicher Umstände ins Tigergehege gelangt war, zum Krallen schärfen benutzt. Man dachte, da der Besitzer sich so lange nicht gemeldet hatte, brauchte er den Schirm nicht mehr. Doch als der Besucher ihn plötzlich abholen wollte, konnte man ihm nur noch ein paar Fetzten an einem Drahtgestell aushändigen. Kopfschüttelnd hatte er den Zoo verlassen. Amelie ließ müde den Blick schweifen, doch von Samira war keine Spur zu entdecken. Auch Luna war nirgends zu sehen. Es war wirklich unerträglich heiß. Selbst einige Tiger wagten sich ziemlich nahe an das Wasser im Wasserbecken heran, obwohl sie eigentlich wasserscheu waren.
Amelie sah, dass es die Löwen im Nachbargehege genauso machten. In ihrem warmen Pelz war es den Wildkatzen eindeutig zu heiß. Sie jedenfalls würde sich jetzt erst einmal ein Eis holen, vielleicht kühlte sie das ja etwas ab.
Liebevoll hob sie ihre drei Schützlinge von ihrem Körper und setzte sie ins Gras. Rubi öffnete gähnend die Augen und blinzelte müde umher. Er war wirklich eine Schlafkappe. Zärtlich verwuschelte sie ihm das von der Sonne gewärmte Fell und erhob sich. Als sie zur Wärtertür ging, bemerkte sie, dass die kleinen japsend und mit heraushängenden Zungen hinter ihr her tapsten.
Wo war Samira? Sie sollte auf die Kleinen aufpassen. Na ja, es würde auch mal so gehen. Die Jungen mussten sowieso lernen alleine zu bleiben, wieso also nicht jetzt damit anfangen? Samira mit ihrem Mutterinstinkt würde schon wissen was richtig war. Also holte Amelie den Kleinen eine große Schale Wasser, damit sie ihren Durst stillen konnten und während sie dem Angebot dankbar nachkamen, ging sie durch die Gehegetür nach draußen. Als sie sich nach ein paar Schritten umsah, tollten die drei schon wieder munter herum.
Das Mädchen lächelte und ging zum nächsten Kiosk. "Hallo Hubert! Na, wie läuft das Geschäft?", begrüßte sie den alten Hubert. Er verkaufte hier schon jahrelang seine Sachen und sie kannte ihn schon seit sie klein war. "Ah, hallo Amelie! Das Geschäft geht klasse, ist ja auch kein Wunder bei der Hitze. Vor allem das Eis ist heiß begehrt.", lachte Hubert. "Und, hast du vielleicht noch ein Eis übrig, für ein armes, kleines Mädchen?" Amelie zwinkerte verschmitzt und bekam von Hubert ein Eis gereicht. Mit schön viel Schokolade. "Danke, du bist ein Schatz!", rief das Mädchen begeistert.
Hubert antwortete nur grinsend: "Ich weiß." und wandte sich einem kleinen Mädchen zu, dass ein großes Vanilleeis kaufen wollte. Amelie winkte dem alten Mann noch einmal zu und schlenderte umher.
Nach einer Weile landete sie am Streichelzoo. Na, hier war im Moment aber nicht viel los. Absolut keine Besucher hier, die saßen wohl alle bei einem kühlen Getränk im Biergarten, vorne am Verwaltungsgebäude. Sie ging in den ein wenig abseits gelegenen Stall, in dem allein und verlassen Freddy stand, ein kleines freches Shetlandpony. Er war ein Rappe, mit langem, dunklem Schweif und einer schwarzen Mähne. Der lange Schopf viel ihm wie gewöhnlich vor die Augen und verlieh ihm ein verwegenes Aussehen. Im Moment allerdings sah er eher gelangweilt aus. Um ihm ein bisschen Abwechslung zu verschaffen, schnappte sich Amelie den kleinen Kerl samt Halfter und Strick, und machte mit ihm einen kleinen Ausritt. Zum Glück war sie nicht allzu groß, so konnte sie es Freddy noch zumuten sie zu tragen. Kaum hatte sie das Pony zurück in den Stall gestellt, kam Luka angerannt. Er war ganz außer Atem und rief
hastig: "Mensch, wo hast du denn gesteckt, ich hab dich überall gesucht! Im Zaun vom Tigergehege ist ein Riesenloch!! Keine Ahnung wie das da rein gekommen ist! Aber es scheint so als wären schon zwei Tiger entwischt!!" Amelie fuhr erschrocken zusammen. Ihr Gesicht wurde aschfahl als sie das eben Gehörte realisierte. "Samira und Luna waren vorhin nicht da!! Ich hab mich schon gewundert wo sie sind!" "Du musst mit suchen helfen, auf dich hören sie!! Ruf immer wieder laut ihre Namen. Nimm das Gebiet hier, bis zum Affenhaus und dem Weideplatz der Lamas, ok? Wir anderen teilen uns die restlichen Gebiete auf." Und schon war er verschwunden.
Geschockt lief Amelie los und rief immer wieder Samiras und Lunas Namen. In ihrem Kopf herrschte Chaos, ihre Gedanken wirbelten blitzschnell durcheinander. Wenn bloß nichts passierte! Hoffentlich ließen sie die Besucher in Ruhe!! Wenn ein Besucher verletzt würde, müssten die zwei Tiger erschossen werden!! Zittrig vor Angst lief das Mädchen weiter. Sie schrie und schrie nach den beiden Wildkatzen, doch schon bald versagte ihre Stimme.
Nach einiger Zeit hatte sie das Gebiet, das Luka ihr aufgetragen hatte, mehrfach abgesucht. Zum Glück war es nicht sehr groß. Außer Atem kam sie wieder am Streichelzoo an. Doch was war das? Amelies Herz setzte einen Schlag lang aus und fing anschließend heftig an zu klopfen. Sie konnte gar nicht mehr klar denken. Der Stall, in dem das Heu gelagert wurde, brannte lichterloh! Erst Freddys panisches Wiehern brachte sie wieder zur Besinnung.
Kurz entschlossen nahm sie den Tränkeimer voll Wasser und schüttete es sich über den Kopf. Dann rannte sie in den Stall hinein. Schwarze Rauchschwaden schlugen ihr entgegen, sodass sie schon nach wenigen Metern die Hand nicht mehr vor den tränenden Augen sah, und der Qualm brannte in ihrem Hals und in der Nase. Doch das Alles war fast gar nichts gegen die glühende Hitze, die das Feuer verströmte. Das Atmen viel ihr schwer und sie hustete ununterbrochen. Sie hörte Freddys Hufe, in einem verzweifelten Versuch sich zu retten, gegen die Boxentür donnern und irgendwo vor ihr zerbarst krachend Holz. Amelie wühlte würgend in ihren Taschen. Und wurde fündig. Ein Taschentuch vors Gesicht gepresst, kämpfte sie sich weiter. Es war wirklich unerträglich heiß und die um sie herum züngelten Flammen schienen nach ihr zu greifen. In Todesangst stolperte sie weiter. Wo war das Pony?! Da, endlich erkannte sie undeutlich die Umrisse von Freddys Boxentür in dem Meer aus schwarzen Wolken. Tastend suchte sie den Riegel, der die Tür verschloss.
Doch als sie ihn umschloss, zuckte sie schmerzvoll zurück und stieß einen Schrei aus. Sie hatte sich an dem glühenden Eisen die Finger verbrannt. Ihre Hand tat höllisch weh und sie spürte das Blut durch die Adern pochen.
Stöhnend vor Schmerz riss sie am Bauch ihres T-Shirts ein Stück Stoff ab und umwickelte damit schützend ihre gesunden Finger. Hustend zog sie nun an dem Riegel, doch er klemmte! Langsam spürte Amelie, wie die Hitze durch den dünnen Stoff drang. Freddy stieg in seiner Box und rollte panisch mit den Augen. Sie beeilte sich, zog und rüttelte an der Verriegelung was das Zeug hielt. Und siehe da, die Tür ließ sich öffnen! Kaum hatte sie sie einen Spalt breit aufgezogen, rammte das Pony von innen dagegen und stürmte die Stallgasse entlang. Amelie, die durch den Aufprall zu Boden geworfen worden war, hörte nur noch wie sich der metallene Klang von Freddy Hufeisen auf dem harten Beton entfernte und sein erlöstes Wiehern, als er durch die Stalltür brach. Keuchend stand Amelie auf, das Taschentuch weiterhin vor Mund und Nase gepresst. Die Hitze machte ihr zu schaffen und das Wasser, das sie sich vorhin über den Kopf gegossen hatte, war längst verdampft. Soviel sie wusste waren alle anderen Bewohner des Stalls vorhin im Streichelzoo gewesen, also war Freddy der einzige, der in Gefahr gewesen war. Und sie. Sie musste hier raus! Hustend umging Amelie einige Flammen. Plötzlich ächzte und stöhnte das Gebälk über ihr. Das Mädchen wich zu Tode erschrocken zurück. Keine Zehntelsekunde später fiel die Decke in sich zusammen. Reflexartig verschränkte Amelie die Arme über dem Kopf. Trotzdem traf sie ein Stück Holz und der harte Schlag ließ sie ohnmächtig zu Boden sinken.
Erst einige Zeit später kam das Mädchen wieder zu Bewusstsein. Wieso war es so heiß? Sie schlug die Augen auf, doch es flimmerte und flackerte so, dass sie sie gleich wieder schließen musste. Sie hatte wahnsinnige Kopfschmerzen und dieses Geräusch, es klang wie wenn in einem Kamin Holz verbrannte. Wo war sie? Sie unternahm einen neuen Versuch und nach einigem Blinzeln klärte sich ihr Blick. Durch die vielen Rauchwolken konnte sie sowieso fast nichts erkennen, doch das was sie sah, hätte sie lieber nicht gesehen. Sie lag in der Stallgasse des Kleintierstalles in der Nähe des Streichelzoos und das Feuer hatte einen Kreis um sie geschlossen. Sie konnte nicht mehr entkommen!
Entsetzt richtete Amelie sich auf, doch ihre Beine versagten ihren Dienst.
Ihre Augen glichen denen eines gefangen Tieres in der Falle, als sie blitzschnell nach einem Fluchtweg suchten. Doch sie wurden nicht fündig.
Hilflos ließ sie sich zurückfallen und weinte hemmungslos. Ihre Hilfeschreie erstarben ungehört in den der dicken, schwarzen Wolkenwand. So musste es in der Hölle sein. Schlimmer konnte man sich dort auch nicht fühlen. Und diese höllischen Kopfschmerzen. Zögernd tastete Amelie nach ihrer Stirn und fuhr zusammen. Der Schmerz, den diese Berührung verursachte, durchzuckte das Mädchen und lähmte sie für einen Augenblick. Als sie ihre noch gesunden Finger sinken ließ, sah sie hellrotes Blut daran kleben. Na toll, ein Loch im Kopf, eine verbrannte Hand waren zwar nicht gerade berauschend, aber diese Verletzungen waren gerade ihr kleinstes Problem. Sie musste hier schnellstens raus wenn sie nicht bei lebendigem Leibe verbrannt werden wollte! Panik stieg in ihr hoch. Die gierigen Flammen kamen immer näher und verschlangen alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Amelie wurde von einem erneuten Hustenanfall geschüttelt. Schwarze und gelbe Punkte tanzten vor ihren Augen. Sie musste an ihre Eltern und Freunde denken. Was würden sie machen wenn sie hier verbrannte? Und was würde aus Samira und den drei Kleinen? Ihr blieb nicht mehr viel Zeit, das Feuer rückte immer dichter an sie heran und der giftige Rauch forderte von Amelies Lungen die letzten Sauerstoffreserven. Sie war schon wieder nahe daran bewusstlos zu werden, als plötzlich ein großer Schatten, mit gewaltigem Satz, über die Flammen auf sie zusprang. War das möglich…Samira!? Das konnte doch gar nicht sein.
Vielleicht hatte der Schlag des Holzes sie doch mehr verletzt als sie bisher angenommen hatte. Nein, es war wirklich Samira! Amelie spürte ihr weiches Fell zwischen ihren kraftlosen Fingern, nachdem der Tiger neben ihr aufgekommen war. Ihr Liebling schüttelte unwillig den Kopf und nieste, der stickige Rauch gefiel ihr überhaupt nicht. Doch Amelie hatte schon zu lange die schädliche Luft eingeatmet, alles drehte sich und ihr Kreislauf konnte der glühenden Hitze nicht länger standhalten. Das Mädchen fiel in tiefe Bewusstlosigkeit.
Zwei Tage später erwachte sie im örtlichen Krankenhaus. Sie hatte eine Rauchvergiftung, wie man ihr sagte. Ihre verbrannten Finger waren verbunden und sie trug einen blütenweißen Verband um den Kopf. Ihre Eltern, Uwe, Karin, Luka und alle anderen hatten sich schreckliche Sorgen um sie gemacht.
Verwirrt fragte Amelie was passiert war. Ihre Mutter erzählte: "Als wir den Brand bemerkt hatten, riefen wir sofort die Feuerwehr. Freddy lief verwirrt frei herum und wusste nicht wo er hinsollte. Wir dachten er hätte sich alleine befreit und brachten ihn vorläufig bei den Zebras unter, sonst war nirgends Platz. Die Feuerwehrmänner machten sich gerade daran das Feuer zu löschen, als plötzlich Samira zwischen den Bäumen hervorsprang und in den Stall hinein rannte. Wir dachten alle, sie sei verrückt geworden. Oh, wir konnten ja nicht ahnen dass du noch im Stall warst!", sagte Lucy Berent mit Tränen in den Augen. "Erst als Samira wieder zum Vorschein kam und dich hinter sich herzog, begriffen wir was geschehen war." Ja, Amelie erinnerte sich an jede Einzelheit der Gefühle, die sie in dem Stall durchlebt hatte.
Vergessen würde sie sie vermutlich nie mehr. "Aber wie ist Samira denn da wieder rausgekommen? Um mich war ein Kreis aus Feuer und mit mir konnte sich doch nicht über die Flammen springen.", fragte das Mädchen nachdenklich.
"Ich weiß es nicht mein Schatz, aber ich bin ihr wirklich sehr, sehr dankbar.", antwortete ihre Mutter leise.
Schon drei Wochen später konnte Amelie aus dem Krankenhaus entlassen werden, sie war noch nicht völlig gesund und war erst mal eine Woche in der Schule krankgemeldet. Das erste was sie tat, als sie die Klinikgebäude verlassen durfte, in denen es penetrant nach Desinfektionsmittel roch, war ein Besuch bei Samira und ihren Kleinen. Ihrem Lieblingstiger war Gott sei Dank nichts passiert, als sie das Mädchen gerettet hatte. Amelie verwöhnte Samira mit Fleischstückchen und Streicheleinheiten, während diese schnurrend mit dem Kopf auf ihrem Schoß lag. Leila, Memo und Rubi waren in der Zeit, in der sie im Krankenhaus gelegen hatte, mächtig gewachsen. Nun kletterten sie begeistert auf dem Rücken ihrer Mutter herum, kuschelten sich an Amelie oder maßen ihre Kräfte im spielerischen Wettkampf. Das Mädchen strich ihrer Tigerfamilie zärtlich über das Fell und ließ sich lachend die Hände abschlecken. Gestern hatte die Polizei, die nach dem Brand gerufen worden war, die Ursache für das Feuer endlich herausfinden können. Die zerbrochene Glasflasche eines Besuchers, die unbemerkt hinter dem Stall gelegen hatte, reflektierte die Sonnenstrahlen und entzündete die trockenen Heuballen.
Amelie konnte über so viel Leichtsinn nur den Kopf schütteln. Erst langsam realisierte sie wie leicht sie hätte sterben können. Allein der bloße Gedanke daran verursachte ihr eine Gänsehaut. Sie war sehr dankbar, dass sie noch lebte. Ihr war klar geworden, wie schnell das Leben zu Ende sein konnte. Es war nicht nur eine Sache für hauptsächlich alte oder kranke Menschen, sondern es betraf jeden. Sie hatte unbeschreibliches Glück gehabt hatte. Und einen Schutzengel. Einen Schutzengel namens Samira. Amelie gab ihrem Liebling einen Kuss auf die Stirn und ihr war klar, so eine wertvolle Freundschaft wie diese gab es kein zweites Mal. Sie und Samira würden immer füreinander da sein, egal was passierte.



Eingereicht am 24. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


»»» Weitere Schlüsselerlebnis-Geschichten «««



»»» Kurzgeschichten: Humor, Satire, Persiflage, Glosse ... «««
»»» Kurzgeschichten: Überblick, Gesamtverzeichnis «««
»»» Kurzgeschichtenund Gedichte «««
»»» HOME PAGE «««

Kunterbunte Blog-Empfehlungen
»»» Kurzgeschichten «««
»»» Sammelsurium «««
»»» Sammelsurium «««
»»» Sammelsurium «««
»»» Sammelsurium «««
»»» Sammelsurium «««
»»» Attrktivitätsforschung «««
»»» Haarausfall «««
»»» Schmetterlinge «««
»»» Schmetterlinge «««
»»» Pusteblumen «««
»»» Wintergedichte «««
»»» Wintergedichte «««
»»» Kurzgeschichten «««
»»» Kurzgeschichten «««
»»» Kurzgeschichten Patricia Koelle «««
»»» Naturgedichte «««
»»» Liebesgedichte «««
»»» HOME PAGE «««