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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Mysteriös verschlossen

© Sigrid Konopatzki


In den siebziger Jahren gab es noch keine Handys. Meine Söhne im pubertierenden Alter nutzten unser Telefon im Dauergebrauch. Kaum aus der Schule zu Hause angelangt, wurde mit Freunden telefoniert, bis das Telefon glühte.
Da war ständiger Ärger vorprogrammiert. Mein Mann konnte mich nicht erreichen wenn er mir etwas Wichtiges mitteilen wollte - ständig besetzt.
So auch jenem denkwürdigen, grauen und trüben Tag im Dezember. Unser Jüngster - ein Herdentier - blockierte mal wieder unsere Telefonleitung und gab sie erst frei, als das Essen schon auf dem Tisch dampfte und darauf wartete, von ihm verschlungen zu werden.
Kaum war sein Magen gefüllt, wollte er schon wieder zum Telefon greifen und seinen besten Freund anrufen, der im gegenüber liegenden Haus wohnte. Nur ein Donnerwetter meinerseits konnte ihn davon überzeugen, die "so wichtigen Dinge" im persönlichen Gespräch zu klären. Unter Murren begab er sich auf den langen beschwerlichen Weg ins gegenüberliegende Haus. Dabei ließ er natürlich unsere Haustüre sperrangelweit auf. Das hatte ich ihm zwar untersagt, aber einen Schlüssel mit zu nehmen, war wegen des enormen Gewichtes für ihn inakzeptabel.
Unser Haus liegt etwas von der Straße zurück versetzt und ist durch reichliche Begrünung sehr schlecht einsehbar. Die offene Haustür wurde von mir nicht bemerkt, da ich erstens im Haus arbeitete und zweitens zwischen Haus- und Dielentür ein Windfang, ein kleiner abgeschlossener Raum, als Entree dient. Die Gästetoilette ist nur durch den Windfang zu betreten.
Bei meiner Hausarbeit ließ ich mich gerne von Radio-Musik berieseln. Plötzlich stutzte ich und hörte genauer hin. Im Nachbarort war eine Bankfiliale überfallen worden, der Täter war flüchtig und die Bevölkerung wurde um Mithilfe gebeten. Schon hörte ich einen Hubschrauber über unser Haus kreisen. Es dämmerte schon und ich dachte so bei mir, da wird die Polizei sicher keinen Erfolg mehr haben, wenn die Dunkelheit herein bricht.
Meine Söhne und der Freund von gegenüber kamen, aufgeschreckt durch den Lärm, aus ihren Zimmern. Was denn los sei, wollten sie wissen. Ich erzählte ihnen von der Radiomeldung.
Kurz darauf wollte der Freund unserer Söhne die Gästetoilette im Windfang benutzen, kam zurück und erklärte mir, dass diese abgeschlossen sei. Das konnte ja nicht möglich sein, da alle Bewohner sich im Haus aufhielten.
Also ging ich mit, um die Sachlage zu überprüfen. Ich betätigte die Türklinke, tatsächlich, abgeschlossen. Klopfte an die Tür - es konnte sich nur eine fremde Person in der Toilette befinden - und rief: "kommen Sie heraus".
Keine Reaktion. Da fiel mir siedend heiß ein, dass ein flüchtiger Bankräuber sich herum trieb. Mein Sohn wurde befragt, ob er wieder mal entgegen meiner Anweisung die Haustür habe offen stehen lassen. Kleinlaut bejahte er dies. Für mich war sonnenklar, der geflüchtete Bankräuber hatte sich in unserer Gästetoilette verschanzt.
Ich bedeutete meinen Söhnen mir Besen und Schrubber aus der Abstellkammer zu holen. Blitzschnell klemmte ich Schrubber und Besen über Kreuz von Wand zu Wand vor die Toilettentür und nahm die im Sicherungsschrank deponierte Taschenlampe zu Hand.
Mit dieser leuchtete ich durch das Schlüsselloch, außer, dass der Schlüssel von innen steckte, nichts zu sehen. Allerdings konnte ich den "toten Winkel" nicht einsehen.
Jetzt wurde uns doch mulmig. Ich schloss die Haustür ab,
ging mit meinen Söhnen und Freund ins Haus zurück und verschloss auch die Dielentür. Dann rief ich todesmutig dem vermeintlichen Bankräuber zu, dass er durch meine Maßnahmen nicht entkommen könne und ich jetzt die Polizei informieren würde.
Totenstille - nichts war zu hören. Ich wollte gerade die Nummer der Polizei wählen, als die Haustür aufgeschlossen und der Vater meiner Söhne nach Hause kam. Schnell die Dielentür geöffnet, meinen Mann ins Haus gezogen und wieder abgeschlossen. Entsetzt schaute er uns an: "Was ist denn hier los, seid ihr verrückt geworden?". Wir klärten ihn über den Sachverhalt auf und darüber, dass ich gerade die Polizei informieren wollte.
Der Herr des Hauses ging in den Keller, holte eine Holzlatte und Werkzeug mit der Bemerkung, dass er sich nicht vorstellen könne, dass sich ein Bankräuber ausgerechnet in unserer Gästetoilette verschanzt haben sollte. So bewaffnet, schloss er die Dielentür wieder auf und klopfte an die Tür der Gästetoilette - keine Reaktion.
Ich bekam die Holzlatte als "Waffe" in die Hand gedrückt und meine Söhne die Order, wenn etwas passieren sollte, sofort die "110" zu wählen.
Mein Mann ließ sich noch eine Zeitung reichen, die er unter der Tür durchschob. Er schaltete das Licht von außen ein. Die Aktion mit der Taschenlampe hätte ich mir sparen können, wenn ich bedacht hätte, dass der Lichtschalter der Gästetoilette sich im Windfang befindet. Immer noch keine Reaktion. Der Vater meiner Söhne nahm die spitze Zange, drehte den Schlüssel ein wenig im Schloss und stieß ihn aus dem Schlüsselloch, so dass er auf die Zeitung fiel. Dann zog er die Zeitung mit Schlüssel unter der Tür hindurch. Uns stockte der Atem, da immer noch kein Laut aus dem Raum kam. Heldenhaft, wie ich fand, schloss der Hausherr nun die Tür von außen auf. Der Raum war leer!
"Das ist doch nicht möglich", verlauteten wir unisono.
Was war passiert? Eine Tür kann sich doch nicht selbsttätig verschließen!
Des Rätsels Lösung: der Schlüssel war nicht ganz zurück gedreht worden und einer unserer Herren Söhne hatte die Tür, wie üblich, mit einem lauten Knall geschlossen. Durch diese ruckartige Bewegung drehte sich der Schlüssel weiter und die Tür war von innen verschlossen.
Zum Glück hatten wir den Polizei-Apparat nicht unnötig in Gang gesetzt. Wie wir später in den Nachrichten hörten, wurde der Bankräuber gefasst. Wieder einmal hatte "Kommissar Zufall" seine Hände im Spiel. Der Täter verursachte bei seiner Flucht einen Unfall und war im Auto eingeklemmt. Als die Feuerwehr ihn aus seiner Zwangslage befreit hatte, wollte er zu Fuß seine Flucht fortsetzen.
Unser am Unfallort eingetroffener "Dorfsheriff" - Vize-Weltmeister im Marathonlauf - sprintete los und konnte den Flüchtenden stellen. Im Verlauf des Verhörs stellte sich heraus, dass es sich nicht nur um einen flüchtigen Unfallverursacher, sondern auch um den gesuchten Bankräuber handelte.
Seit dieser Zeit hat unser Sohn es geschafft, die Haustür hinter sich zu schließen und einen Schlüssel mit zu nehmen, auch wenn er "nur mal kurz" das Haus verließ.
So bekam unser kleiner Ort eine dicke Schlagzeile in der örtlichen Presse und wir erzählen heute noch von unserem unglaublichen Schlüsselerlebnis.



Eingereicht am 24. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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