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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Leben, Liebe und der Tod

© Andreas Wettl


Der Raum war weiß. Weiße Wände, weiße Decke, weißer Boden. Nichts als Weiß. Staunend blickte der Mann sich um. Vorsichtig ging er ein paar Schritte. Jetzt fiel es ihm auf. Der Raum hatte keinen Ausgang, keine Tür. Wo war er? Wie war er nur hier hereingekommen? Und wie sollte er da wieder rauskommen?
Das Klirren des Glases, das dem Barkeeper auf den Boden gefallen war, ließ ihn aufschrecken. Verwirrt blickte der Mann mit den blonden, schulterlangen Haaren auf.
Sein müder Blick fiel auf die Flasche, deren Inhalt er gerade in das Glas kippen wollte. Nachdenklich betrachtete er den letzten Tropfen, der aus der Flasche in das kleine Glas rann. War die Flasche etwa schon leer?
Es kostete ihn nur einen Moment, das Glas zu leeren. Er hob schwer den Kopf, suchte den Barkeeper, brauchte Nachschub. "Paul!", rief er, "Paul, wo bist du!"
Die Zunge tat sich schon schwer die Laute zu formen. Seine erröteten Augen blickten ungeduldig auf den Barkeeper, der gerade ein Bier zapfte und missmutig auf die Scherben sah.
"Ich bin gleich bei dir, Hannes. Siehst eh, ich richte gerade ein Bier. Und dann muss ich noch die Scherben zusammenkehren. Nur Geduld."
Paul blickte kurz zur Hannes. Jetzt ist bald Schluss, sonst wird er wieder rabiat, dachte er bei sich. Als Barkeeper bekam er so einiges von seinen Kunden mit, und Hannes war eines der traurigeren Beispiele für die Wege, die das Leben einschlagen konnte. Wie lange ist es her, fragte sich Paul, während er gekonnt eine Schaumkrone auf das Bier zauberte. Es musste jetzt bald ein Jahr sein. Oder war es länger? Paul konnte sich nicht so genau an den Zeitpunkt erinnern, an dem er Hannes kennen gelernt hatte. Die Kunden fallen einem eben erst auf wenn sie regelmäßig kommen.
Paul schob die Glasscherben mit den Schuhen etwas beiseite, und ging an das Ende der langen Theke.
"Na, Hannes, was soll's denn sein?"
"Gib mir noch eine Flasche von dem Zeug."
Hannes deutete mit einer Kopfbewegung auf die Whiskyflasche.
"Meinst du nicht, dass du für heute genug hast?"
Paul war wohl bewusst, dass er jetzt gegen sein Geschäft redete, aber ein Hannes, der wild um sich schlug, war auch nicht gerade angenehm.
Niemand bemerkte den alten, glatzköpfigen Mann im schwarzen Anzug, der hinter Hannes in einer dunklen Ecke saß und die beiden amüsiert beobachtete.
"Sag mir nicht wie viel ich trinken soll."
Die Reaktion auf die Frage von Paul war heftig.
Paul sah Hannes unschlüssig an. Der alte Mann blickte auf Paul, und deutete ihm mit einer Handbewegung nachzuschenken.
Die Reaktion kam prompt.
"Na gut, ein bisschen wirst du wohl noch vertragen", sagte Paul, ohne den Mann eines Blickes gewürdigt zu haben. Er nahm die leere Whiskyflasche und griff hinter sich, um eine weitere zu holen.
"Zuerst Johnny, dann Jack."
Hannes sah Paul verständnislos an.
"Zuerst Johnny Walker, dann Jack Daniels."
Hannes deutete mit dem Finger auf sein Glas.
"Schenk endlich nach .... ich brauch das heute. Gerade heute."
Also doch, dachte Paul. Er wusste, dass da irgendwas war. Konnte es etwa sein, dass es schon so lange ...
"Genau heute, heute vor einem Jahr ...", begann Hannes.
Der Blick, der Paul traf, war voller Traurigkeit. Hannes wischte mit dem Handrücken über sein Gesicht, wollte die Tränen verbergen, die in seine Augen traten.
Der alte, schwarz gekleidete Mann erhob sich von seinem Platz und stellte sich neben Hannes an die Bar. "Na, was ist?", wollte sein Blick sagen. Paul starrte, mit der Flasche in der Hand, auf Hannes. Der alte Mann deutete mit dem Zeigefinger auf das Glas von Hannes. Sofort goss Paul es mit der goldgelben Flüssigkeit bis zum Rand voll.
"Sie war so schön. So schön ..."
Hannes nahm das Glas und leerte es mit einem Zug.
"Verdammt, es war so ein Scheißtag! Im Büro, der Boss, der Big Boss, der hat mir den letzten Nerv geraubt, ich war so geladen ..."
Paul lehnte sich an die Theke. Er wusste nur zu gut, was jetzt kommen würde. Oft genug hatte er es sich angehört. Mal wollte er einfach nicht hinhören, mal waren andere Kunden zu bedienen, aber meistens nahm Paul sich die Zeit, Hannes zuzuhören. Doch an diesem Tag war irgendwas anders. Paul konnte das unangenehme Gefühl nicht einordnen.
"... und als sie so da stand, wie Tom sie ansah ..."
Paul seufzte. Er wollte sich das eigentlich nicht wieder anhören. Aber er würde es wohl tun. Außerdem waren um diese Uhrzeit sowieso nur mehr wenige Gäste anwesend.
"... und sie ihn anlachte. Mein Gott, sie haben sich umarmt! Und ich Idiot habe gleich gedacht, dass die beiden ..."
Der alte Mann im schwarzen Anzug sah ihn amüsiert an.
"Ja, und weiter? Erzähl's ruhig! Lass es raus!", sagte er mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen.
"... sie ist dann ins Auto gesprungen. Ich hätte sie nicht so anschreien dürfen! Die Straßen waren leer, kein Verkehr. Keiner! Fast keiner ... es hätte nicht passieren dürfen!"
Hannes blickte zu Boden. Die Bilder kamen wieder in ihm hoch. Der Blick, den sie ihm zugeworfen hatte, drückte alles aus. Enttäuschung darüber, dass er ihr so wenig vertraute, Ärger, dass er ihr so eine Szene gemachte hatte. Sie stieg aufs Gas, brauste davon, die Wut im Bauch ließ sie alle Vorsicht vergessen. Er, Hannes, sprang in sein Auto und folgte ihr, konnte ihr kaum nachkommen.
"Und dann ist es passiert", sagte der alte Mann neben ihm.
"Und dann ist es passiert", sagte Hannes.
Paul stand am Tresen, sah Hannes ins Gesicht, sah die Qual, die ihn peinigte. Heute schien diese Qual noch viel tiefer zu sitzen als sonst.
Der alte Mann deutete Paul nachzuschenken, und sofort füllte sich das Glas wieder.
"Sie fuhr wie eine Irre! Verdammt, hätte ich ihr nicht immer vorgeworfen, sie würde mit Jean flirten. Die haben nur ihren Erfolg gefeiert, sonst nichts!"
Hannes wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.
"Dann kam die Kurve ... sie wollte überholen, hat auf nichts geachtet, der andere Wagen kam ihr entgegen, sie hat verrissen ..."
Ein Schluchzen unterbrach seinen Redefluss. Paul blickte zu Boden, unfähig ein Wort zu Hannes zu sagen. Er wollte fortgehen, hoffte auf einen anderen Gast, doch niemand tat ihm den Gefallen. Oft schon hatte er sich das alles angehört, hatte gedacht Hannes würde irgendwann einmal darüber hinwegkommen. Doch nein, es wurde immer schlimmer. Und heute sah Hannes besonders elendig aus, das Haar wirr im Gesicht, die Haut aschfahl.
"... ich konnte nur mehr sehen wie ihr Wagen am Rand des Abgrunds verschwand. Ich bin stehen geblieben, bin sofort runter, konnte sie nirgends finden ... es war Nacht, so dunkel, es war schwarz, das Wasser war so schwarz ..."
Der alte Mann sah Paul ungeduldig an, so als ob er nur auf den Zeitpunkt gewartet hatte. Er wandte sich Paul zu, blickte ihm direkt in die Augen.
"Und er ist schuld an allem", sagte er zu Paul.
"Und du bist schuld an allem!", wiederholte Paul die unhörbaren Worte.
Traurig sah Hannes Paul an.
"Mein Gott, was hab ich gesagt?"
Paul war entsetzt. Das wollte er nicht! Warum hatte er das gesagt!?
"Ja, ich war schuld."
Resigniert ließ Hannes den Kopf wieder hängen.
"Ich hätte sie aufhalten müssen, hätte sie nicht anschreien dürfen! Wegen mir ..."
Paul sah Hannes an.
"Ich wollte das nicht sagen. Du hast ja nicht ..."
"Nein, es stimmt, du hast ja Recht. Ich war schuld!"
Er ließ den Kopf hängen, sein Blick ging auf einmal ins Leere.
Der weiße Raum war komplett leer. Kein Inventar, nichts. Er sah sich um. Irgendwas musste hier ja sein.
"Hallo, Hannes."
Hannes drehte sich erschrocken um. Der Mann war schwarz gekleidet. Schwarzer Hut, schwarzes Sakko, schwarze Hose, schwarze Schuhe. Er lächelte ihn an.
"Na, bist du der Lösung näher? Im Grunde kann es ja nur eine Lösung geben ..."
Hannes sah den Mann misstrauisch an. Plötzlich war er verschwunden. Hannes sah sich verwirrt um.
"Wo zum ..."
Die Tür befand sich in der Mitte der Wand. Hannes war unsicher. Vorhin war keine Tür zu sehen, jetzt war eine hier! Vorsichtig ging er auf die Tür zu. Sie ließ sich leicht öffnen. Zuerst zögernd, dann doch entschlossen ging Hannes durch die Öffnung, tat den nächsten Schritt.
Die Flasche, die jetzt neben Hannes auf der Theke stand, war noch halbvoll. Das Glas hatte ihm Paul eingeschenkt, noch geschockt von dem, was er zu Hannes gesagt hatte.
"Ich muss zu ihr, muss ihr folgen", murmelte er. Der Blick, der auf sein Glas gerichtet war, wurde entschlossener, härter.
Der schwarz gekleidete Mann, der sich wieder auf seinen Platz begeben hatte, lächelte zufrieden. Er hob sein Glas und prostete der jungen Frau zu, die erschrocken in einiger Entfernung saß und sie beobachtete. Sie schüttelte langsam den Kopf. Das durfte nicht geschehen, Hannes sollte doch nicht, durfte doch nicht ...
Der alte Mann im schwarzen Anzug nickte nur, und lächelte dabei zufrieden. Alles lief so, wie er sich das vorgestellt hatte. Er war seinem Ziel schon ein Stück näher gekommen.
Paul sah zu Hannes hinüber, der wie entrückt an der Theke saß und sein Glas anstarrte. Er würde sich bei ihm entschuldigen müssen.
Morgen, wenn er wieder nüchtern ist, dachte er bei sich. Er hoffte, er würde noch die Gelegenheit dazu bekommen. Irgendetwas war mit Hannes heute anders als sonst. Doch Paul konnte das Gefühl immer noch nicht deuten. Würde es noch ein Morgen geben?
"Hallo, ist jemand hier!"
Hannes' Stimme hallte durch den Raum. Er ging von einem Ende zum anderen, auf der Suche nach einem Ausweg. Doch es gab keinen.
"Suchst du was, Hannes?"
Er drehte sich um. Der schwarz gekleidete Mann stand wieder hinter ihm und lächelte ihn an.
"Verdammt noch mal, wer sind Sie? Woher kennen sie meinen Namen? Wo bin ich?"
"Viele Fragen ..."
Er ging ein paar Schritte auf Hannes zu, blieb knapp vor ihm stehen und sah ihm ins Gesicht.
"Sie werden oft gestellt. Viele stellen diese Fragen, wenn sie mich sehen. Aber ich verstehe das."
Der alte Mann wandte sich wieder von Hannes ab und ging ein paar Schritte durch den Raum. Mit einem Ruck drehte er sich wieder um, sah Hannes ins Gesicht.
"Viele werden gezwungen, mit mir zu gehen. Doch einige tun es auch freiwillig. Ich hoffe doch sehr, dass du dich auch für mich entscheidest! Glaub mir, es wäre das Beste für dich."
"Doch wer sind ..."
Hannes konnte nicht zu Ende sprechen. Der alte Mann war plötzlich verschwunden. Verwirrt versuchte Hannes den Mann zu ertasten, konnte es nicht fassen, dass die Stelle, an der dieser zuvor noch vor ihm stand, plötzlich leer war.
"Wo sind Sie? Wo sind Sie hin? Antworten Sie!"
Er ging ein paar Schritte zurück, und wäre fast in die Öffnung gestürzt, die sich auf einmal im Boden auftat.
Wenn Paul nicht zufällig hinter Hannes einen Tisch abgewischt hätte, wäre dieser auf den harten Steinboden geknallt. Doch so konnte Paul Hannes gerade noch auffangen.
"So, Hannes, ich glaube du solltest jetzt besser nach Hause gehen. Soll ich dir ein Taxi rufen?"
Hannes sah Paul an, ein letzter Blick.
Er kramte in seiner Tasche herum, und zog schließlich einen Geldschein heraus.
"Hier, für dich. Du warst immer gut zu mir, hast mir zugehört. Wie ein Freund."
Die Besorgnis von Paul nahm zu. Das hatte etwas Unheimliches, Endgültiges.
"Bist du sicher, dass du ohne Hilfe nach Hause kommen wirst?"
Hannes nickte nur, packte Paul kurz mit beiden Händen an den Schultern. Dann drehte er sich um und ging zur Treppe, die nach unten zum Ausgang führte.
An der obersten Stufe blieb er kurz stehen, und sah nachdenklich nach unten.
Durch die weiße Öffnung konnte Hannes eine Treppe sehen, die schier unendlich nach unten führte. Er konnte kein Ende erkennen. Unschlüssig stand Hannes davor. Er sah sich nochmals im Raum um. Doch es hatte sich nichts weiter verändert. Hannes atmete tief durch, und ging dann die Stufen hinab. Er hoffte, hier Vergebung, Erlösung zu finden.
Unsicheren Schrittes ging Hannes die Treppen hinab. Er öffnete die Tür, atmete die kalte, klare Luft. Sein Blick ging hinauf zu den Sternen, ein letzter, langer Blick.
Hannes wankte die paar Schritte zu seinem Auto, öffnete die Tür. Der alte, schwarz gekleidete Mann wartete schon mit einem fröhlichen Lächeln.
"Komm rein! Steig ein! Das ist der Weg, der einzige Weg", sagte er einladend.
Mühsam kletterte Hannes hinter das Lenkrad, benötigte einige Anläufe, um den Schlüssel in das Zündschloss zu bekommen.
"Hannes, tu's nicht!"
Die leise, sanfte Stimme vom Rücksitz ließ Hannes innehalten. Der alte Mann blickte wütend nach hinten. Der zornige Blick ließ die junge Frau verstummen. Verzweifelt sah sie ihn an, konnte nichts tun, er war mächtiger, zu mächtig.
"Na, mach schon!", fuhr der alte Mann Hannes an.
Der startete, nun entschlossen, den Wagen, legte den Gang ein. Er atmete tief durch, stieg auf's Gas. Mit einem lauten Quietschen schoss der Wagen aus der Parklücke.
Hannes trieb den Wagen an, ging auf Höchstgeschwindigkeit, raste über die Landstraße.
Die Polizeistreife benötigte keine Geschwindigkeitsmessung, um zu wissen, dass der blaue Wagen, der um die Kurve raste, eindeutig zu schnell war. Mit Blaulicht und Sirene nahmen die Polizisten die Verfolgung auf.
Hannes nahm das nicht wahr, er trat das Gaspedal durch, blickte nur nach vorne, hatte nur mehr ein Ziel. Er überholte einen Lastwagen, quetschte sich zwischen dem Koloss und einem entgegen kommenden Wagen hindurch. Schweiß stand ihm auf der Stirn.
Der alte Mann klopfte sich vergnügt auf die Schenkel, lachte.
Verwirrt stand Hannes auf. Wieder ein Raum, weiß, komplett weiß. Doch dieser Raum hatte eine Tür! Sie war geöffnet, in ihr stand der alte, schwarz gekleidete Mann, lächelte.
"Du hast es jetzt gleich geschafft, Hannes!", rief er ihm zu.
Hannes ging, zunächst unsicher, auf die Tür zu.
"Komm nur, es ist dein Weg, deine Tür!"
Der alte Mann machte eine einladende Handbewegung.
Hannes blickte ihn an, nickte dann.
Die Sirenen des Streifenwagens kamen näher, vielleicht bestand doch noch eine Chance, den Raser aufzuhalten. Der alte Mann blickte nach hinten, blinzelte einmal. Der Streifenwagen geriet ins Schleudern, der Fahrer konnte ihn gerade noch auf der Straße halten und stehen bleiben. Kurz darauf war nichts mehr von ihm zu sehen.
Die junge Frau sah den alten Mann verzweifelt, bittend an. Doch sein harter Blick ließ sie alle Hoffnung fallen lassen. Er wollte ihn nicht hergeben, wollte ihn sich nehmen.
Der Mond spiegelte sich im Wasser des Sees. Hannes wurde ruhiger, kontrollierte jetzt die Geschwindigkeit. Bald war sein Ziel erreicht, kam die Stelle, an der sein Leben schon vor einem Jahr ein Ende fand, an der er es jetzt endgültig beenden wollte.
Siegessicher blickte der alte Mann jetzt auch nach vorne, wartete nur mehr auf den weiteren Erfolg, auf eine weitere Trophäe in seiner schon so reichen Sammlung.
Die Kurve kam näher. Hannes entspannte sich noch einmal, trat dann das Gaspedal wieder bis zum Anschlag durch. Der Wagen schoss nach vor.
"Nein ...", formten die Lippen der jungen Frau tonlos, "... nein"
Der alte, schwarz gekleidete Mann stand am Rand des Abgrunds, blickte zufrieden dem Auto nach, das in hohem Bogen über den Rand der Straße flog und am Wasser aufprallte. Der Wagen schwamm noch kurz an der Oberfläche, doch das eindringende Wasser zog ihn unwiderstehlich nach unten. Der alte Mann fing an zu lachen, zunächst leise, dann immer lauter, lauter, beinahe euphorisch. Er drehte sich um und ging langsamen Schrittes weiter, neuen Zielen entgegen.
Hannes sah die Tür, durch die der alte Mann jetzt verschwunden war, kam ihr immer näher, konnte schon einen Blick vom Inneren erhaschen - Dunkelheit, erlösende Dunkelheit. Raschen Schrittes legte er die letzten Meter zur Tür zurück.
Das Wasser drang durch alle Ritzen in das Innere des Fahrzeugs. Hannes saß regungslos da, die Hände immer noch am Lenkrad, er beobachtete beinahe teilnahmslos, wie das Wasser die Scheiben bedeckte, wie sich das Innere immer schneller füllte, wie der Wagen versank.
"Hannes, das darfst du nicht! Tu es nicht! Ich will das nicht!"
Die junge Frau, die nun am Sitz neben Hannes saß, sah ihm direkt in die Augen. Nachdenklich blickte Hannes sie an.
"Hannes, lebe. Lebe für mich!"
Die Tür, der scheinbar einzige Ausweg aus diesem weißen Raum, war weit offen, Hannes hatte nur mehr einen Schritt zu tun, um dem alten Mann zu folgen. Doch was war das? Ein Stück weiter tat sich ein Spalt auf. Eine weitere Tür? Durch den Spalt konnte er Licht sehen. Unentschlossen blickte Hannes durch die weit geöffnete Tür, auf den Spalt, dann wieder auf die Tür des alten Mannes. Gab es noch eine Möglichkeit, konnte er sich doch noch anders entscheiden?
Abrupt drehte er sich zur Seite, ging auf den Spalt zu. Sollte das der Weg sein?
Der traurige Blick der jungen Frau, seiner Frau, berührte Hannes, er starrte sie an, nickte dann. Ihr Blick verwandelte sich, wurde fröhlich, immer fröhlicher. Hannes lächelte sie an.
Der alte Mann blieb stehen. Das überschwängliche Lachen erstarrte, verblüfft drehte er sich um, sah zurück zu der Stelle, an der der Wagen von der Straße geflogen war.
Das Licht kam immer näher. Seine Lungen drohten zu zerbersten, sein Körper schoss nach oben. In letzter Sekunde durchbrach sein Kopf die Oberfläche des Wassers, sog die Luft ein, erfasste das Licht, das der volle Mond spendete. Ruhiger atmend, trieb er am Wasser, immer den Blick auf seine Frau geheftet, die lächelnd vor ihm schwebte. Das Bild verblasste langsam, doch er wusste jetzt - sie hatte ihm verziehen, würde immer bei ihm sein.
Ungläubig starrte der alte Mann auf den See. Sein Gesicht verzerrte sich, spiegelte gleichzeitig Wut und Enttäuschung wider. Fassungslos, resignierend schob er die Hände in Taschen seines schwarzen Anzugs, drehte sich wieder um und verschwand in der Dunkelheit.



Eingereicht am 22. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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