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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Schlüsselerlebnis

© Juliane Kischnick


In einem Leben ereignen sich viele Schlüsselerlebnisse, positive als auch negative. Was jeder einzelne daraus macht ist unterschiedlich. Sobald solch ein Ereignis auftritt, ist es zuerst meist nur eine Begebenheit. Nach einer Weile stellt sich diese Situation erst als Schlüsselerlebnis heraus. Diese Erkenntnis kann nach ein paar Stunden oder gar erst nach ein paar Jahren kommen. Der Alltag und der persönliche Lauf des Lebens entscheidet, was zu einem Schlüsselerlebnis wird. Für den Betroffenen stecken in solchen Erlebnissen besonders viele Gefühle und Emotionen, mehr als in anderen Situationen. Sie sind etwas ganz besonderes.
Für heutige Verhältnisse ist der Verlust des Arbeitsplatzes keine Seltenheit mehr, aber für den Betroffenen ist es meist ein Schlüsselerlebnis. Es ist ein Neuanfang. Zum einen weil ein neuer Lebensabschnitt anfängt und zum anderen weil man einen neuen Arbeitsplatz sucht oder auch findet. Zuerst ist die Angst vor der Zukunft und dann kommt die Erkenntnis, dass sich alles ändern wird. Es ist der Schlüssel zu einem neuen und unbekannten Teil des Lebens. Bei jedem Menschen entwickelt es sich anders und jeder nimmt die neue Situation anders auf. Das Thema der Arbeitslosigkeit, aus der Sicht der Medien, ist anders als die Realität, wenn man es hautnah mit erlebt. Man sieht die Welt auf einmal mit ganz anderen Augen.
Meine Kündigung kam plötzlich, ohne Vorankündigung. Mit einem Mal stand ich ohne Arbeit da, die Zukunft ungewiss. Was alles auf mich zu kommen würde, hätte ich mir nicht einmal in den schlimmsten Albträumen vorstellen können.
Der Gang zum Arbeitsamt war da noch ein Kinderspiel. Die Bearbeiter waren nett und es gab keine Probleme. Der Optimismus schnell eine neue Arbeit zu finden war noch groß am Anfang. Doch der Blick auf das Konto am Ende des Monats zeigte andere Seiten. Da ich nach der Schule nur kurzzeitig fest angestellt war, konnte das Geld vom Arbeitsamt nicht komplett für einen Monat zum Leben reichen. Nicht einmal die Miete konnte ich davon bezahlen.
Der nächste Weg führte mich zum Sozialamt, da ich meine Eltern nicht damit belasten und nach Geld fragen wollte. Sie hatten mich während meiner Lehrzeit schon finanziell unterstützt. Außerdem haben sie ihr eigenes Leben und ich wollte es weitestgehend auch allein meistern, das Finanzielle eingeschlossen. Und das ging nur mit Hilfe des Sozialamtes. Es stellte sich schwerer als gedacht heraus einen Termin zu bekommen. Nach einer ganzen Weile kam endlich die ersehnte Post mit einem Termin und einem zuständigen Bearbeiter für mich. Damit war ich schon einmal einen Schritt weiter. Am angegebenen Termin ging es mit gemischten Gefühlen zum Sozialamt. Es war ein großer Teil Angst dabei, welcher bei weiteren Terminen immer größer wurde.
Der erste Termin war aber der Schrecklichste. Mein langsam aufgebautes eigenständiges Leben lag nun in der Hand eines Bearbeiters. Das sollte ich auch gleich zu spüren bekommen. Er ließ mich seine Macht spüren, was sicher auch daran lag, dass ich in seinen Augen noch nicht erwachsen war. Alle unter 25 Jahre gelten bei den Ämtern als Jugendliche. Und genau da falle ich rein. Nachdem alle meine Unterlagen durch geschaut wurden kam der Schock. Mein Bearbeiter meinte eiskalt, dass ich mir eine neue Wohnung suchen solle oder einen Untermieter finden müsste. Gerade einmal ein Jahr habe ich zu dem damaligen Zeitpunkt in meiner Wohnung gewohnt und für einen Untermieter ist sie nicht geeignet. Doch bei meinem Bearbeiter brachte mich ein Gespräch nicht weiter. Er ließ mich nicht einmal ausreden. Bis Ende des Jahres sollten Bemühungen für die Wohnungssuche her, eine Frist von nur zwei Monaten. Des Weiteren waren 20 Bewerbungen pro Monat zu schreiben. Total perplex, eingeschüchtert und mit dem Gefühl von Leere ging ich aus dem Büro, ein Stapel Papiere in der Tasche. Wie sollte es jetzt weiter gehen? An die Zukunft war nicht mehr optimistisch zu denken. Die Sprüche über das Sozialamt, was einem Absturz zur Folge hatte, spürte ich auf einmal am eigenen Leib. Wie sollte ich das Erlebte meinen Eltern beibringen? Den Kopf voller Fragen ohne Antworten ging es nach Hause. Ich steckte mitten in einem Kreislauf.
Mittlerweile habe ich einen Job gefunden und bin glücklich darüber. Seit Anfang des Jahres gibt es das Sozialamt als solches nicht mehr und es ist ein wenig leichter geworden. Eine neue Wohnung musste ich mir auch nicht suchen. Es hat sich in meinem Fall alles halbwegs zum positiven entwickelt und der Blick in die Zukunft ist wieder optimistischer. Das erlebte lässt mich viele Dinge anders sehen. Die Ansichten von vielen Leuten über das Thema kann ich nicht mehr teilen, obwohl ich früher teilweise auch so gedacht habe. Sobald ich in den Medien oder im privaten Umfeld höre, das einige mehr Gehalt wollen oder sich schon aufregen, wenn sie in der Woche eine halbe Stunde bei gleichem Gehalt mehr arbeiten sollen, werde ich wütend und sauer. Sie sollten froh sein, dass sie überhaupt Arbeit haben, bei teilweise gutem Verdienst. Heutzutage sind die Stundenlöhne oder Festgehälter nicht mehr so hoch wie noch vor ein paar Jahren. Einen festen oder sicheren Job gibt es auch nicht mehr. Gerade deshalb sollten sich viele Leute nicht aufregen und eher froh sein über ihre Arbeit. Jeder kann von heute auf morgen arbeitslos werden. Ich wünsche es niemandem. Aber das rum meckern sollte auch einmal ein Ende haben. Natürlich gibt es auch Menschen die die Ämter ausnutzen und sich die Lücken des Gesetzes zu eigen machen, aber was können die ehrlichen Leute dagegen machen? Es sollten nicht immer alle in einen Topf geworfen werden. Obwohl ich einen Job gefunden habe werde ich erst einmal noch nicht vollends von den Ämtern weg kommen. Es braucht noch ein wenig Zeit.
Paradoxerweise gibt es Vollzeit-Jobs die nicht einmal das Lebensminimum decken. Wie kann es so etwas geben? Es gibt Menschen die 40 Stunden die Woche arbeiten und teilweise weniger Geld bekommen, als solche die zu Hause sitzen und sich von den Steuerzahlern eine schöne Zeit machen. Warum gibt es solch große Lücken? Wieso macht niemand etwas dagegen? Es gibt viele Leute die sich fragen, warum soll ich arbeiten gehen für das gleiche Geld, wenn ich dafür auch zu Hause sitzen kann? Mir ist auf jeden Fall die Arbeit wichtiger, auch wenn ich weniger Geld bekomme, als wenn ich nicht arbeiten gehen würde. Die Zeiten haben sich drastisch verändert. Was nicht immer positiv ist. Mal schauen was uns die Zukunft noch bringt.



Eingereicht am 21. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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