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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Eckdaten

© Elisabeth Meyer


So vieles an diesem Abend ist mir noch unklar. Das Einzige, an das ich mich sicher erinnern kann, ist Johann Lafers Sendung über Eier. Wäre ich nur zuhause geblieben und hätte weiter ferngesehen. Wäre ich nur nicht zu dieser Vernissage in Nordschwabing gegangen - ich wäre noch immer unbefruchtet. Ja genau: unbefruchtet, nicht schwanger, non gravid.
Johann Lafer kann ich nicht leiden. Ich finde ihn eingebildet, distanzlos, andere überfahrend, wenn er so österreichisch herausbellt "jaund? Wassagstjetzt? Schmeckts!" Aber diese Sendung über Eier faszinierte mich. Zuerst natürlich großer Appell nur glückliche Bioeier zu kaufen. Keine aus Käfighaltung. Klar, Eier aus Käfighaltung zu kaufen, sollte mit ein paar Jahren Fegefeuer bestraft werden, mindestens. Die armen Hühner voll gepumpt mir Hormonen und Medikamenten. Dann: Eier als Gefahr, als Brutstädte für Salmonellen. Bakterien, die sich in rasender Geschwindigkeit vermehren und dann mittels Tiramisu oder anderen Grundnahrungsmitteln Nobelhotels lahm legen, ganze Altenheime ins Krankenhaus befördern und derlei Katastrophen mehr. Aber die große Frage: in Anbetracht dieser Gefahr - warum liegen Eier dann gestapelt im Laden wie Touristen am Strand auf Mallorca? Ohne Kühlung, um das explosive Wachstum zu stoppen? Mudder Nadur, so sagt Jahnn Lafer, Mutter Natur hat es so eingerichtet, dass frische Eier für eine gewisse Zeit Stoffe bilden, die die Vermehrung verhindern. Natürliche Antibiotika. Das beruhigt und er redet weiter über Crepes und Tortillias und Souffles. Über die göttliche Vollkommenheit des Ei-Ovals, über den universellen Inhalt und die meisterhafte Verpackung. Um sein Können zu demonstrieren schlägt er mit einer Hand Eier in eine nicht zu heiße Pfanne und erzählt dabei von Altmeister Escoffier und seinen weltberühmten Rühreiern.
Ich habe mittlerweile einen Riesenhunger. Das Telefon klingelt. Ilonka fragt, ob ich mitkomme. Ilonka eine alte Schulfreundin, die Gute genannt, 24, Krankenschwester mit fatalen und manchmal ermüdenden Hang für alles Künstlerische. Für Pseudokünstler auch. Wahrscheinlich dachte ich, es gäbe auf der Vernissage raffinierte Häppchen, Wein, Bier, Sekt und wahrscheinlich habe ich mich in Schale geworfen.
Dort war alles schwarz oder vielleicht waren es auch nur riesenhafte schwarze Steinskulpturen. Zu trinken gab es Eierlikör als Hommage an Udo Lindenberg, der aus den Boxen wummerte, oder als Kontrastfarbe oder als Assoziationstimulanz: flauschige Küken versus kalte Wucht der Steine.
Nach der ungefähr dritten Flasche Eierlikör bin ich in Tränen ausgebrochen, weil mir die armen Legebatteriehühner wieder eingefallen sind. Dann habe ich keine Erinnerung mehr. Ich rekonstruiere, dass das sein Auftritt war: als Tröster zunächst. Was für ein Elend! Ein einziges Wort hallt in meinem Kopf, ein einziges Wort hat es durch die zähflüssige Masse des Eierlikörs in mein Bewusstsein geschafft: Eggdaten. Keine Ahnung, ob die Transformation des bürokratisch-deutschen Wortes Eckdaten in das denglisch-weiche egg-Daten mich empfänglich gemacht haben. Ich wünschte diese Geschichte wäre ganz anders. Wir hätten uns gesehen, angesehen und bis in die hinterste Ecke der Seele erkannt, dann vorbestimmter und unausweichlicher Verlauf. Aber Eggdaten! Bei Eckdaten denke ich an einen Autoverkäufer, einen Produktmanager oder Versicherungsmakler. Undenkbar, eine amour fou mit jemandem, der oft und gerne von Eckdaten spricht. Es ist unklar, wie ich nach hause kam. Mir war tagelang sterbensschlecht, ich dachte vom Eierlikör. Aber das was schon die Schwangerschaftsübelkeit.
Vielleicht nenne ich ihn Eckbert, heimlich Eggbert. Kein moderner Name, aber in diesem Fall ein geschichtsträchtiger. Oder ich muss mich etwas ins Zeug legen, um meine Eier dazu zu bringen, so etwas wie Antibiotika zu produzieren. Ich habe auch schon eine Idee.



Eingereicht am 21. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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