Kurzgeschichtenwettbewerb Kurzgeschichten Wettbewerb Kurzgeschichte Schlüsselerlebnis   www.online-roman.de

Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

www.online-roman.de
www.ronald-henss-verlag.de

Connie

© Iris Köhler-Terz


Langsam, sichtlich am Ende ihrer Kräfte schleppt sich Connie die Stufen hinauf. Das Paket auf ihrem Rücken drückt. Sie ist schon völlig außer Atem und muss noch drei Stockwerke höher! Connie scheint es ein Wink des Schicksals zu sein, dass der Fahrstuhl nicht funktioniert. Während sie sich Stufe um Stufe weiter hinaufquält, denkt sie an die letzten 2 Jahre zurück. Es fing alles relativ harmlos an.
Beim Radfahren war sie gestürzt und hatte sich eine komplizierte Knöchelfraktur zugezogen. Als die endlich verheilt war, teilte Frank ihr mit, dass er für mindestens ein Jahr nach Amerika gehen würde, weil seine Firma dort eine Zweigstelle eröffnete. "Ich kann nicht verlangen, dass du hier auf mich wartest", hatte er gesagt und ihr den Laufpass gegeben. Die Erinnerung tat weh. Es war kein schöner Abschied gewesen. Aber immerhin ein Abschied, denkt Connie.
Anders als bei Martin. Als sie an Martin denkt, wird ihr das Herz schwer, die Kehle eng und sie muss kurz stehen bleiben, um sich zu sammeln.
Als sie sich beruhigt hat, steigt sie weiter und lässt die Erinnerungen auf sich einströmen. Martin W. war der Arzt, der sie im Krankenhaus wegen der Knöchelfraktur behandelt hat. Sie hatte sich in ihn verliebt. Seine ruhige, gelassene Art Probleme anzupacken, seine Freundlichkeit, und nicht zuletzt seine Aufopferungsbereitschaft für seinen Beruf, hatte sie magisch angezogen. Sie wurden ein Paar, waren glücklich und Martin wollte sie bitten, seine Frau zu werden. Sie nahm es an, denn seine Eltern hatten ihr den Ring gegeben, den sie nach seinem Tod in seinen Sachen fanden. Jedenfalls war er wohl auf dem Weg zu ihr, als er auf der Autobahn einen Crash erlebte. Ein PKW hatte überholen wollen, ohne auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Martin hielt sofort und stieg aus, um zu helfen. Er kam nicht einmal bis zum Unglückswagen, denn ein Truck rammte sein Auto und überfuhr ihn. Tränen brannten in Connies Augen. Der Truckfahrer war dem Sekundenschlaf zum Opfer gefallen, und Martin somit auch. Dass er auf der Stelle tot war und nicht gelitten hat, das war kein wirklicher Trost.
Danach war alles anders. Ja, denkt Connie, ich war nicht mehr ich selbst. Ich kannte nur noch Trauer, Einsamkeit und hatte keine Lust mehr zu leben. Kein Wunder, dass meine Arbeit darunter litt. Acht Wochen nach Martins Tod kündigte ihr die Firma.
Aber heute, denkt Connie und strafft den schmerzenden Rücken, heute wird das alles Geschichte sein. Maja hat Recht. Ich muss dass alles hinter mir lassen. Ich bin ihr so dankbar dafür, dass sie mir mal die Meinung gesagt hat. "Tu endlich etwas, unternimm etwas, von mir aus was Verrücktes. Sonst bist du auch tot, denn das ist kein Leben." Recht hat sie, ich bin fast schon tot. Aber nur fast! Ich hoffe, sie findet meinen Brief. Sagen konnte ich nicht wie dankbar ich bin, aber schreiben. Den kleinen Plüschkoala wird sie als Dankeschön akzeptieren. Sie wollte ihn mir schon immer abschwatzen.
Mit einem Lächeln öffnet sie die Tür, die sie nun vor sich sieht. Sie holt tief Luft. Hier auf dem höchsten Hochhaus der Stadt erschien sie ihr immer besonders klar. Energisch wischt Connie die letzte Träne weg. "Genug geheult." Ganz dicht steht sie an der Dachkante, schaut hinunter, wie sie es in den letzten Tagen schon oft tat. Wie winzig alles von hier oben ist, denkt sie. Egal, mach dich bereit Connie, du bist dem Ziel nah und wenn du es getan hast, wird alles anders.
Sie steckt noch einmal die Haare fest, will so gut wie möglich aussehen. Wieder lächelt sie. Ist doch eigentlich egal, wie sie aussieht. Aber Frauen sind nun mal eitel, und dieser Schritt ist so bedeutend - wenn auch nur für sie - dass sie eben hübsch sein will. Das was sie braucht, hat sie am Körper. Sie kontrolliert sicherheitshalber noch einmal. Ja, alles okay. Dann tritt sie noch dichter an den Abgrund. Unten wird vielleicht die Polizei schon warten denkt sie noch, bevor sie sich abstößt und springt.
Sie breitet die Arme aus und schreit: "Ich fliege einem neuen Leben entgegen", greift die Reißleine und zieht, um den Fallschirm zu öffnen.
Nichts passiert! Sekundenlang sieht sie Martin, der die Arme nach ihr ausstreckt ...



Eingereicht am 20. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


»»» Weitere Schlüsselerlebnis-Geschichten «««



»»» Kurzgeschichten: Humor, Satire, Persiflage, Glosse ... «««
»»» Kurzgeschichten: Überblick, Gesamtverzeichnis «««
»»» Kurzgeschichtenund Gedichte «««
»»» HOME PAGE «««

Kunterbunte Blog-Empfehlungen
»»» Kurzgeschichten «««
»»» Kindergeschichten «««
»»» Krimis «««
»»» Gruselgeschichten «««
»»» Kurzgeschichten «««
»»» Kurzgeschichten «««
»»» Kurzgeschichten «««
»»» Kurzgeschichten «««
»»» Kurzgeschichten «««
»»» Kurzgeschichten «««
»»» Kurzgeschichten «««
»»» Kurzgeschichten Patricia Koelle «««
»»» Blumengedichte «««
»»» Wiesenblumen «««
»»» Blumenfotos «««
»»» Sommergedichte «««
»»» Sommergedichte «««
»»» Frühlingsgedichte «««
»»» Naturgedichte «««
»»» Liebesgedichte «««
»»» HOME PAGE «««