Sommerregen im August. Wir laufen zum Bahnhof. Ich und Fabian. Fabian und ich. Nicht Arm in Arm, nur so, nebeneinander. Ich ahne, dass sich meine Brüste durch den nassen Stoff des Kleides abzeichnen. An Fabians Nase hängt ein Wassertropfen.

"Weißt du", sage ich etwas außer Atem, "manche Leute lassen ihre Sachen ja absichtlich liegen, damit sie einen Grund haben, um noch mal wiederkommen zu können." Ich spiele damit auf diverse Unterhosen, Handtücher und Socken an, die die WG-Wäscheleine im Flur zierten, seit ein paar chaotische Geschichtsstudenten aus den alten Bundesländern anlässlich einer Veranstaltungsreihe zu Problemen der Wiedervereinigung bei uns übernachtet hatten. Praktizierter innerdeutscher Austausch sozusagen. Das war im Juni und nun war Fabian ein zweites Mal hier, um die vergessenen Habseligkeiten abzuholen.

Der Zug fährt ein. "Meine Damen und Herren an Gleis 2: Willkommen in Jena-Paradies. Sie haben Anschluss an die Regionalbahn nach Naumburg mit Halt in Dornburg, Camburg, Großheringen und Bad Kösen." Und dann geht plötzlich alles sehr schnell. Die Lautsprecherstimme duldet keine langwierigen Abschiedsszenen. "Ihr Zug fährt jetzt ab, bitte steigen Sie ein, Vorsicht bei der Abfahrt!" Umarmung. Winken. "Mach's gut, lass' von dir hören." "Bis bald." "Bis bald?" Räder quietschen. Fahrtwind. "Bis baaaald!"

Den Weg nach Hause renne ich. Es wird Zeit, dass ich die nassen Klamotten loswerde. An meiner Tür ein Zettel: "Dachte, ich 'vergesse' noch mal was, damit ich wiederkommen kann. Gruß F." Ich stürme ins Zimmer. Auf meinem Bett liegt, ordentlich zusammengefaltet, Fabians T-Shirt. Ich schlüpfe hinein und habe sofort seinen leicht rauchigen Geruch in der Nase. Und auf einmal dieses angenehm warme Gefühl im Bauch.