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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Der Entschluss

© Martina Domichowski


Endlich konnte sie schreien. Sie schrie all' ihre Wut, ihre Angst, ihren Schmerz hinaus. Die weit aufgerissenen Augen ließen ihr zartes Gesicht noch blasser erscheinen. Ihr Körper zitterte vor Erregung. Verzweifelt versuchte sie einen klaren Gedanken zu fassen. Ihr Herz flatterte in ihrer Brust wie ein gefangener kleiner Vogel. "Mama" schrie sie "Mama steh' auf, lauf' weg, ich habe dir schon so oft gesagt du sollst weglaufen aber du..." Ihre Stimme versagte, als sie ihre Mutter vor sich auf dem Boden liegen sah. Nein, das war nicht mehr das Gesicht ihrer Mutter! Die Schläge hatten die Augen zuschwellen lassen, aus Mund und Nase floss Blut.
"Mama", flüsterte sie, "steh' auf", aber die Mutter antwortete nicht.
Wie durch einen Nebel, hervorgerufen durch den Schock den sie gerade durchlebte, sah sie ihren Vater, wie er mit kaltem ausdruckslosem Blick, die Handtasche ihrer Mutter wie eine wertvolle Trophäe in der Hand haltend, in ihrer Wohnung verschwand. Mit körperlich spürbarem Erstaunen fühlte sie, dass es nun an ihr war zu handeln. Ihr weiches Kindergesicht verhärtete sich und nahm den entschlossenen Ausdruck eines Menschen an, der nichts mehr zu verlieren hat. Wie von allein, fingen ihre Beine zu rennen an.
Eine Treppe, zwei Treppen, drei Treppen. Da die Haustür! 'Hoffentlich ist sie nicht verschlossen! Was mache ich, wenn sie verschlossen ist?' Ihre Hand erreichte die Klinke, sie drückte mit aller Kraft nach unten und stöhnte auf .... vor Erleichterung. Sie ließ sich öffnen! Draußen war es dunkel. Wie sie die Dunkelheit hasste! Mama musste immer eine kleine Lampe brennen lassen, denn ihre kindliche Phantasie, ließ des Nachts allerlei Monster und Untiere auferstehen. Jetzt rannte sie, ohne auf diese Monster zu achten, über den großen Hof, der nur von den Sternen erhellt wurde.
Noch 30 Meter trennten sie von dem riesigen, düsteren Hoftor. Atemlos drückte sie auch diese Klinke nieder, als das alte Kühlaggregat des Kühlraumes ohrenbetäubend zu rattern begann. Panik erfasste jede Faser ihres Körpers. Alle ihre Nachtgespenster krochen auf sie zu. "Bitte", schluchzte sie, " Bitte", als sie von der anderen Seite der Tür ein Geräusch vernahm. Ihr bis an die Grenzen des Erträglichen gereizter Verstand hielt blitzschnell alle möglichen Erklärungen bereit: ein Einbrecher, ein Pensionsgast, oder sollte etwa ihr Vater ...?
Langsam öffnete sich das Tor. Licht flutete in den Innenhof und erhellte ihn. Der Mann vom Wachschutz kam jede Nacht um 22°° Uhr. Aber woher sollte sie das wissen? Gewöhnlich schlief sie dann schon. Mit erstaunlicher Kraft, kniff sie dem Mann in den Arm. Dieser war nicht weniger erschrocken, als die Kleine selbst.
Mit allen möglichen Situationen rechnete er in seinem Job, den er stets nachts versah, aber mit einem kleinen, verängstigten, völlig hysterischen Mädchen nicht. "Polizei" jammerte sie, "Krankenwagen, meine Mama", und sie zeigte in die Richtung des Hauses, wo ihre Mutter lag, als ihre Stimme versagte. Als die Polizei eintraf, hatte es ihre Mutter schon bis zur ersten Tür geschafft. Auf ihrem Weg nach draußen, hatte sie eine rote Spur hinterlassen. Sich ein Tuch vors Gesicht haltend, suchte sie ihre Tochter. Sie versuchte zu rufen, aber es schmerzte zu sehr. Als sie sich dem Polizeiauto näherte erkannte sie ihre Umrisse auf der Rückbank. Dort saß sie, klein und in sich versunken. Ihre Augen schauten nach unten und das Gesicht war nicht zu erkennen. Zärtlich sagte sie den Namen ihres Kindes, aber die Kleine zeigte auch jetzt nicht die winzigste Reaktion. Als die beiden zum Krankenwagen geführt wurden, fasste die Mutter einen Entschluss.
Sie griff nach der Hand ihrer Tochter. "Papa" flüsterte das Kind und noch einmal "Papa" und stumme Tränen liefen über ihr Gesicht.



Eingereicht am 17. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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