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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Billige Anmache

© Katharina Storck


Manchmal treffen sie einen mit voller Wucht, die schlechten Tage. Man fühlt sich ausgebrannt, die Arbeit macht keinen Spaß, am liebsten würde man alles hinwerfen. In solchen Momenten sollte man sich eine kleine Auszeit gönnen. Manche Leute gehen in einen anderen Raum und schreien ihre Wut heraus, andere treiben Sport, wieder andere "vergraben" sich irgendwo, lesen ein Buch oder nehmen ein entspannendes Bad. Solche kleinen Alltagsfluchten wirken oft Wunder, danach ist der Kopf klarer und mit neuer Energie kann man sich wieder ans Werk machen.
Wenn es bei mir so weit ist, gehe ich in ein Café. Egal ob Sommer oder Winter, wobei es im Sommer immer noch spannender ist, weil man dann auch die vorbeieilenden Leute beobachten kann. Ich habe schon die tollsten Sachen erlebt. Natürlich belausche ich dann auch die Leute am Nebentisch. Glaubt mir, es ist unheimlich erfrischend, ein fremdes Paar beim Streiten zu belauschen! Das bringt einen schon auf andere Gedanken.
Neulich einmal, mir armen Hausfrau fiel die Decke auf den Kopf, da war es wieder so weit. Ich dachte mir, bevor du jetzt vollends schlecht drauf kommst, tue etwas! Kurzerhand schnappte ich mir mein Töchterlein, machte uns beide hübsch und marschierte mit ihr in die Stadt. Das hob meine Laune bereits.
Wir hatten nichts Besonderes vor, ein paar Dinge waren noch zu erledigen, zur Post gehen und die längst fälligen Briefe einwerfen, die Kontoauszüge von der Bank abholen und die vom Bücherladen hatten angerufen, das bestellte Buch sei da. Gut gelaunt schlenderten wir über den Marktplatz, so weit war alles erledigt, jetzt mussten wir nur noch das Buch holen, dann wollte ich meiner Kleinen ein Eis und mir einen Latte Macchiato spendieren.
Die Tische der Eisdiele standen noch im Schatten, aber die Bäckerei liegt auf der anderen Seite und da standen auch Tische davor. In freudiger Erwartung setzten wir uns an einen der drei Tische vor der Bäckerei, um gleich wieder aufzustehen, dort war Selbstbedienung. Mit Tablett bewaffnet, darauf ein Latte Macchiato und eine Schüssel mit zwei Kugeln Eis, setzten wir uns ein zweites Mal. Jetzt aber!
Ich holte meine Zigaretten aus der Tasche und wühlte nach dem Feuerzeug, welches ich aber nicht fand. Suchend sah ich mich um. Am Nebentisch saßen zwei Männer und eine Frau. Ich ging zu ihnen und bat um Feuer. Aus den Augenwinkeln sah ich einen der Männer, der mir irgendwie bekannt vorkam, während mir der ältere der beiden sein Feuerzeug hinhielt. Ich bedankte mich und sah noch einmal hin. Er sah mich irgendwie interessiert und fragend an.
Spontan fragte ich: "Kennen wir uns irgendwoher?"
Er lachte mich freundlich an und meinte: "Das habe ich auch gerade überlegt!"
Wir hatten aber beide keine Idee, woher wir uns kennen könnten, also setzte ich mich wieder zurück zu meiner Tochter, die genüsslich ihr Eis verspeiste. Die Sonnenstrahlen wärmten mein Gesicht und ich merkte, wie ich mich entspannte. Der Kaffee schmeckte sehr gut und die Zigarette ohnehin.
Den Mann vom Nebentisch hatte ich schon wieder vergessen, doch plötzlich stand er vor mir und fragte, ob er sich setzen dürfe. Eigentlich fühlte ich mich in meiner Ruhe gestört, wollte aber nicht unhöflich sein. (Warum eigentlich nicht?) So setzte er sich zu uns und begann mir tausend Fragen zu stellen. Woher ich käme, wie alt ich sei, ja, er fragte sogar nach meiner Naturhaarfarbe! Zwischendrin überlegte er. Es gab keinerlei Übereinstimmung und mittlerweile war ich mir sicher, dass ich mich getäuscht hatte. Das konnte ich ihm aber nicht sagen, denn nun erzählte er mir von seiner gescheiterten Ehe und einer weiteren langjährigen Beziehung, die erst vor kurzem zu Ende gegangen war. Als ich erwiderte, ich sei ebenfalls geschieden, leuchtete es in seinen Augen auf. Deshalb hängte ich auch ganz schnell an, dass ich Mutter von vier Kindern sei. Das schreckt jeden Mann ab. Oder auch nicht. Dieses Exemplar tat fürchterlich überrascht und überschwemmte mich mit Komplimenten. Wie mutig das in der heutigen Zeit sei und dass er es toll fände, dass es so etwas überhaupt noch gibt. Und überhaupt würde man mir die vier Kinder überhaupt nicht ansehen! Ich verkniff mir die mir schon zur Gewohnheit gewordene Frage, wie man denn als Mutter von vier Kindern auszusehen hätte. Ob er die Lockenwickler und Speckwülste und natürlich die Kittelschürze vermissen würde. (Den Hängebusen erwähnte ich nicht, den habe ich nämlich!)
Inzwischen fiel mir ein, an wen er mich so sehr erinnert hatte. An einen Freund meines Vaters. Aus meinen Kindertagen. Da der damals aber etwa so alt war wie mein Gegenüber jetzt, als "Hans" hatte er sich übrigens vorgestellt, schied der aus. Aber diese Erkenntnis kam zu spät! Hans kam nun so richtig in Fahrt und langsam wurde es mir zu viel. Fragte er mich doch glatt, ob ich mal mit ihm weggehen möchte! Ich lachte ihm freundlich ins Gesicht uns sagte bestimmt, dass ich das nicht möchte. Ich wäre zwar geschieden, aber glücklich neu liiert.
Ihm klappte die Kinnlade herunter. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Aber er gab noch nicht auf: "Aber wir könnten doch trotzdem mal weggehen, ist doch nichts dabei!"
Ich erklärte ihm geduldig, dass es mir wirklich an nichts fehlen würde in meiner Beziehung und ich keinerlei Drang auf solche Aktionen verspüren würde. Auch seine Befürchtung, ich könne möglicherweise etwas verpassen, ließ mich relativ kalt. Mittlerweile hatte ich ja kapiert, dass er dringlich auf der Suche war, aber nun kam der Knüller: Da fragte der gute Hans doch nach einer kurzen Pause: "Aber warum hast du mich dann überhaupt angesprochen?"
Mir fiel vor Schreck fast die Kaffeetasse aus der Hand. Jetzt wurde mir so einiges klar! Dieser Sepp (Hans) hatte überhaupt nie den Eindruck gehabt, mich zu kennen! Schlimmer noch, er dachte doch wirklich, das wäre eine Anmachnummer von mir! Also so etwas! Ich schwankte zwischen Ärger und einem Lachanfall, entschied mich dann aber für die komische Seite. "Weil ich gedacht hatte, dich zu kennen! Du bist mir einfach bekannt vorgekommen. Nichts weiter!"
"Ach so!", meinte er.
Dann fiel ihm etwas Neues ein. Er stellte die gewagte Theorie auf, wir würden uns aus einem früheren Leben kennen. Deshalb seien wir uns auch gleich so vertraut gewesen, weil wir quasi schon ein Leben lang nach uns suchten!
Aus dieser Nummer kam ich so leicht nicht heraus, deshalb entschloss ich mich zur Flucht. Ich täuschte vor, ein Kind von der Schule abholen zu müssen, nahm meine Kleine auf den Arm und verabschiedete mich. Sein letzter Versuch war es, mir meine Handynummer zu entlocken, falls ich es doch noch bereuen sollte. Natürlich bekam er die auch nicht, was er einigermaßen gefasst zur Kenntnis nahm.
Auf dem Weg zum Auto schmunzelte ich vor mich hin. Da beschweren sich die Männer ständig, dass sie nie von einer Frau angesprochen werden. Tut man es als Frau aber doch, wird einem das sofort als Anmache ausgelegt. Für die Zukunft war mir das wieder einmal eine Lehre. Egal wie bekannt mir jemand vorkommt und auch auf die Gefahr hin, als arrogant abgestempelt zu werden, ich werde bestimmt nicht nachfragen! Trotz alledem ging mir nach diesem Erlebnis die Arbeit wieder leicht von der Hand. Immer wieder musste ich an die Situation denken und über mich selbst lachen.



Eingereicht am 17. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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