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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"
Der Schlüssel auf der Fensterbank
© Rohland Schuknecht
Ich bin einer der zerstreutesten Menschen, die ich kenne. Jedem Gang aus dem Haus geht eine zeitraubende und Nerven zermürbende Suche nach Jacke, Schuhen, Mütze, Handschuhen, Geldbörse, Brille, Schlüsseln und Mobiltelefon voraus. Im Gegensatz zu den meisten Menschen, habe ich es auch nach dreißig Lebensjahren noch immer nicht geschafft, jedem Gegenstand einen festen Platz zuzuweisen, an dem ich ihn ablegen und bei Bedarf wieder finden kann. Ich vergesse regelmäßig, wo ich mein Auto geparkt oder mein Fahrrad angeschlossen
habe und lasse Dinge an den unmöglichsten Orten liegen. Schon etliche Male wurde ich in öffentlichen Verkehrsmitteln ohne gültigen Fahrausweis erwischt. Dabei hatte ich nicht etwa das Geld sparen wollen, sondern einfach vergessen, mir einen Fahrschein zu kaufen. Aber erzählen Sie das mal einem Kontrolleur. Von meiner Schusseligkeit ausgenommen, sind glücklicherweise wichtige Termine und Verabredungen mit Freunden oder Bekannten. Auch in meiner Arbeit bin ich im Allgemeinen hochkonzentriert und gewissenhaft.
Niemand leidet mehr unter meiner Zerstreutheit, als ich selbst. In den Momenten größter Wut und Verzweiflung hilft mir manchmal die Erinnerung daran, dass es eben diese Zerstreutheit war, die vor einigen Jahren mein Leben von Grund auf und zweifellos zum Besseren veränderte, auch wenn ich mir dessen - wie so oft - erst später bewusst wurde.
Es war im Sommer 1997. Ich war damals zweiundzwanzig Jahre alt und hatte mich soeben als Student der Japanologie an der Humboldt-Universität eingeschrieben. Ein gutes halbes Jahr zuvor hatte ich meine Ausbildung zum Koch in einem Mittelklassehotel südlich von Berlin beendet und vom Arbeitsleben fürs erste den Kanal voll. Es war eigentlich nichts Schlimmes dabei, einen Job zu haben, fand ich, außer dass es in der Regel mit Arbeit verbunden war. Ich stellte es mir sehr schön vor, ein bisschen Japanisch zu lernen,
ein wenig in die fernöstliche Philosophie und Kultur einzusteigen und im Übrigen die Freiheit eines nicht zu ehrgeizigen angehenden Geisteswissenschaftlers (die im Wesentlichen aus FreiZEIT besteht) zu genießen. Ums Geld musste ich mir vorläufig keine Sorgen machen, denn ich arbeitete nebenbei als Promoter für eine Firma, die erstklassige aber sündhaft teure Küchenmesser herstellte. Das Ganze sah so aus: Ich ging in ein Kaufhaus, baute dort meinen Stand auf, der aus diversen, mit den verschiedensten Messern gefüllten
Regalen und einer Miniküche mit zwei Kochplatten sowie einer Lautsprecheranlage bestand. Dann klemmte ich mir das Mikro ans Hemd, band meine Schürze um und begann zu kochen. Durch das Mikro erläuterte ich genau, was ich tat und ließ dabei immer wieder durchblicken, warum man zum Schneiden von Mohrrüben und Kohlrabi ausschließlich Messer der Marke XXX verwenden sollte, warum es nicht nur mühsamer, sondern langfristig sogar teurer ist, mit billigen Messern zu arbeiten, dass man sich, statistisch gesehen, mit Dumping-Messern
häufiger schneidet und dass die Messer der Marke XXX außerordentlich haltbar, um nicht zu sagen unzerstörbar sind. Der Kauf eines solchen Messers erleichtert und verschönert also nicht nur das Leben, er ist gewissermaßen auch ein Statement gegen die seelenlose Wegwerfgesellschaft, eine wehmütige Reminiszenz an die gute alte Zeit, als man Dinge nicht nur für sich selbst, sondern auch für die nächste und übernächste Generation kaufte. Es dauerte nie lange, dann war ich von einer Schar neugieriger Hausfrauen und
Hobbyköche umgeben, die brennend daran interessiert waren, zu erfahren, wie man Steaks richtig briet, wie man einen Eintopf fachgerecht würzte und in welcher Reihenfolge man die Zutaten in die burgundische Gemüsepfanne geben musste, damit sich die Aromen optimal entfalteten. Die Arbeit war leicht, machte mir Spaß und bot zudem Gelegenheit, mit jungen Promoterinnen anzubandeln, die zeitgleich im Kaufhaus unterwegs waren, um Mobiltelefone, Drucker, Stereoanlagen oder Haushaltsgeräte an den Mann oder die Frau zu
bringen. Hin und wieder traf ich sogar einen "alten Hasen", der den Job schon seit zwanzig Jahren machte und auf geradezu fanatische Art und Weise von der Qualität des Produktes überzeugt war, das er vermarktete. Am meisten beeindruckte mich Erwin, ein Staubsaugerexperte, dem es anlässlich einer Wette tatsächlich gelang, einem Kunden, der eigentlich nur neue Batterien für seinen Milchaufschäumstab hatte kaufen wollen, einen neuen Staubsauger für 800 DM anzudrehen. Erwin war zwar ein extremer Fall, aber
irgendwie waren wir alle davon überzeugt, dass die Produkte, die wir den Leuten ans Herz legten, es auch tatsächlich verdienten. Hier zeigt sich, dass ein Mensch nur sehr bedingt dazu fähig ist, etwas zu tun, an das er nicht glaubt und dass es sehr einfach ist, zu glauben, wenn nur ein ordentlicher Stundenlohn und eine ansehnliche Provision daran hängen.
Es war eine herrliche, sorglose Zeit, und ich genoss sie in vollen Zügen. Um das Ende der Tristesse der vergangenen zwei Ausbildungsjahre auch durch einen Ortswechsel zu manifestieren, beschloss ich, nun endlich richtig in die Stadt zu ziehen. Während meiner Lehre hatte ich in Berlin Adlershof gewohnt, gegenüber vom Friedhof in einem 1950er-Jahre-Wohnblock voller frühpensionierter Stasi-Altlasten, die ihre erkleckliche Berufserfahrung darauf verwandten, die Einhaltung des Putzplans zu überwachen und die Besuche
ihrer Nachbarn zu registrieren. Mit viel Glück fand ich recht schnell eine Wohnung in Mitte, in einem vorsichtig sanierten aber nicht sterilen Nachkriegsbau unweit der Kastanienallee.
Ich hatte beschlossen, mit minimalem Gepäck umzuziehen. Beinahe alle Möbel, die zumeist noch aus meinem alten Kinderzimmer stammten, wanderten ohne große Umstände im Lastwagen meines Bruders auf den Sperrmüll. Der eigentliche Umzug fand im Auto meines besten Freundes Stefan statt, einem alten Lada, den wir liebevoll "Russenpanzer" nannten. Es war ein glutheißer Sonntag im August, als Stefan und ich uns in meiner Wohnung trafen. Ich hatte alle Sachen vorbildlich zusammengepackt. Trotzdem würde es sich
wohl nicht vermeiden lassen, zwei Touren zu fahren.
Wir stopften das Auto bis unters Dach voll und rauschten los. Alles lief wie geschmiert, wir erreichten die Wohnung, trugen die Sachen schwitzend nach oben, gönnten uns eine Cola in einem Dönershop um die Ecke und starteten dann erneut in Richtung Adlershof. Dort füllten wir den Lada ein zweites Mal, wobei wir es uns nicht nehmen ließen, den kleinen Perserteppich, den mir meine Oma einst geschenkt hatte, lässig und provokativ ein wenig aus dem Fenster ragen zu lassen. Als wir schließlich in die Stadt fuhren,
und der warme, durch die heruntergekurbelten Fenster hereinströmende Fahrtwind unsere nackten, verschwitzten Oberkörper streichelte, fühlte ich mich großartig. Der Wohnungssuch- und Umzugsstress der letzten vier Wochen lag nun hinter mir. Ich würde in aller Ruhe die Sachen auspacken, einräumen und arrangieren und als neuer Mensch in die nächste Woche und einen neuen Abschnitt meines Lebens starten. Wie zur Bestätigung klang in diesem Moment "Your Blue Room" von U 2 aus den Lautsprechern, ein Stück,
das ich seitdem stets nur den "Weltverbrüderungssong" genannt habe. Ich hätte die ganze Welt umarmen können, als Bono den Text butterweich und zart ins Mikro hauchte, es war, als hätte ich meinen ganz persönlichen Soundtrack zu diesem Tag gefunden.
Euphorisiert und ganz und gar unmelodisch sangen wir aus vollem Halse mit.
In der Wohnung angekommen, trugen wir den Teppich zuerst nach oben, rollten ihn in einer rituell verstanden sein wollenden Geste im Wohnzimmer aus und machten uns dann auf den Weg, um den Rest zu holen.
Wir quälten uns voll beladen die Treppe hoch, nur um festzustellen, dass wir oben vor einer verschlossenen Tür standen. Ein Luftzug musste sie zugeschlagen haben. In dem Moment, als ich in meinen Hosentaschen nach dem Schlüssel suchte, fiel mir ein, dass ich ihn auf der Fensterbank in der Küche abgelegt hatte. Wie waren ausgesperrt. Ich stellte in aller Ruhe die Sachen ab und fluchte zwei Minuten lang heftig und unflätig. Stefan ließ mich ausfluchen und fasste dann nüchtern die Sachlage zusammen: "O.K.,
es gibt zwei Möglichkeiten. Erstens: du rufst einen Schlüsseldienst an, der dir die Tür öffnet, dir dafür aber den Sonntagstarif berechnen wird. Und der ist garantiert gesalzen. Unter zweihundert Mark läuft da gar nichts.
Zweitens: du machst dich locker, wir stellen das Zeug bis morgen bei irgendjemandem unter, du übernachtest bei mir in Adlershof und zahlst morgen den normalen Wochenpreis für den Schlüsselmann. Dann laden wir den Kram noch mal ein und bringen ihn zu dir." Stefan hatte natürlich Recht. Es war weiß Gott keine Katastrophe. Dennoch verwünschte ich einmal mehr meine Zerstreutheit. Ich rief bei mehreren, in der Nähe wohnenden Freunden an und hatte schließlich Glück.
Unser Wintersportkumpel Mario war zu Haus, da er mit zwei Studienkollegen für eine Klausur lernte. Er war nicht sonderlich begeistert, als wir mit diversen Kartons, Kleidersäcken, Tüten und Lampenschirmen in seine beschauliche Studierstube platzten, erwies sich jedoch als kooperativ. Ich konnte das Zeug bis Montag bei ihm stehen lassen. Als wir nach Adlershof zurückfuhren, wo Stefan im Haus seiner Eltern wohnte, hatte ich mich beruhigt und war in der Lage, die Sache ironisch zu sehen. Bei Stefan angekommen, nahmen
wir zunächst den Nachmittagskaffee im Garten. Als wir gerade fertig waren, klingelte das Telefon. Ein paar Kumpels wollten zu einem Badesee fahren und fragten an, ob wir Lust hätten mitzukommen. Verschwitzt wie wir waren, erschien uns die Aussicht verlockend, um nicht zu sagen unwiderstehlich. Wir packten Badehosen und Handtücher ein, trafen die anderen vier Gestalten an einer Tankstelle, kauften noch ein paar Getränke und fuhren los. Der See, dessen Namen ich hier nicht verraten möchte, erwies sich als relativ
groß mit einer bewaldeten Insel in der Mitte. Das Wasser war sauber und erfrischend kühl, der Badestrand am späten Nachmittag nur noch mäßig frequentiert. Uralte Bäume spendeten wohltuenden Schatten. Nach dem Bad, das nicht ohne kindische Neckereien abgegangen war, stellten wir uns im Kreis auf und kickten mit mäßiger Begeisterung einen Fußball hin und her. Irgendwann fragte ein groß gewachsenes, weizenblondes Mädchen ob sie mitspielen könne. Wir räumten ihr liberal einen Platz in unserem Reigen ein. Das Mädchen
mit dem wenig aufregenden aber soliden Namen Christina, war so alt wie wir, trug lustig geblümte Bermudashorts und ein rotes Bikinioberteil und wurde einmal fast böse, als mein Kumpel Erik sie nachlässig Tina nannte. Es erwies sich schnell, dass sie uns fußballmäßig alle in die Tasche steckte. Als sie beiläufig aber genial anfing zu zaubern, fühlten sich die Fußballer unter uns herausgefordert, und innerhalb weniger Minuten war aus dem behäbigen Rentnergekicke ein Wettbewerb im Kunstfußball geworden. Ich überließ
den eitlen Profis das Feld und zog mich auf mein Handtuch zurück.
Fußball war nie meine Stärke gewesen. Nach einer halben Stunde war der Zauber vorbei. Die Jungs waren ordentlich ins Schwitzen gekommen und mussten sich im See abkühlen. Christina kam ohne Vorwarnung und wie selbstverständlich mit einem Handtuch zu mir rüber und setzte sich neben mich.
"Na?", fragte sie und lächelte.
"Na?", fragte ich idiotisch zurück.
"Bist nicht so der Fußballer, oder?"
"Nein. Du dafür umso mehr, wie es aussieht."
"Mein Papa wollte immer einen Jungen und schleppte mich mit zum Kicken. Es machte mir Spaß."
"Aha", sagte ich, nicht sonderlich geistreich.
"Bist du öfter hier?" fragte sie weiter.
Ich antwortete: "Irgendwie habe ich das Gefühl, dass hier die Rollen vertauscht sind. Müsste nicht eigentlich ICH all diese blöden Fragen stellen?"
"Wieso?"
"Na ja, ich meine..."
"Ach du meinst wegen dem Ich-Junge-du-Mädchen-Spiel?"
"Nein..."
"Wieso sonst?"
"Na ja, eigentlich doch deswegen."
"Mein Gott, bist du ein alberner Macho. Ein Macho, der nicht mal Fußball spielen kann."
"Dafür kann ich kochen."
"Tatsächlich? Was denn so?"
"Alles."
"Oho." Sie spitzte anerkennend die Lippen. "Soso, alles."
"Ich habe das Gefühl, dass du mich verschaukelst."
"Ich?" Sie tippte sich mit dem Zeigefinger auf ihr schweißglänzendes Dekolleté und schaute in gespielter Verwunderung nach rechts und links.
"Ja du." Mir fiel nichts Intelligenteres ein.
"Kommst du mit ins Wasser?", fragte sie und erhob sich auch schon. In einer routinierten Bewegung streifte sie die Shorts ab. Was für eine Frau, dachte ich und erhob mich schwerfällig wie ein angeschlagener Schwergewichtsboxer.
"Welch eine Dynamik, welch eine Eleganz, welch eine Energie in diesen Gliedern", spottete sie, indem sie rückwärts in Richtung Wasser schlenderte.
"Schneller als du bin ich noch allemal", sagte ich großspurig.
"Gut. Wer als erster auf der Insel ist", rief sie und sprintete auch schon ins Wasser.
Wir lieferten uns ein hartes Rennen. Auf halbem Weg zur Insel hatte ich Angst, einen Krampf zu bekommen, aber dann hielt ich doch durch. Ich muss wohl nicht eigens erwähnen, dass natürlich SIE das Rennen gewann.
Auf der Insel verspottete mich Christina verdient, als ich triefend aus dem Wasser stieg. Dann machten wir auf einem kleinen Spaziergang eine ungewöhnliche Entdeckung. Am Strand auf der anderen Seite der Insel fand eine Art germanisch-heidnisches Ritual statt.
Ungefähr hundert Männer, Frauen und Kinder standen um ein Feuer herum und streckten andächtig die Arme in die Luft. Die Frauen trugen lange, weiße Gewänder und hatten Blumen im Haar, die Männer waren mit Holzschilden und Schwertern ausgerüstet und hatten lächerliche Kuhhornhelme auf dem Kopf. Im Gebüsch versteckt, beobachteten wir die Szene und dachten zunächst, wir seien in die Dreharbeiten zu einem Film geplatzt. Das Ganze war jedoch allem Anschein nach ernst gemeint, denn es war nirgends eine Kamera zu entdecken.
Ich weiß noch, dass die Germanen irgendwann eine Abordnung aus zehn Kriegern und zehn blonden Maiden feierlich zu einem Holzschiff geleiteten.
Während die Männer sich ohne Umschweife an die Riemen setzten und los ruderten, nahmen die Frauen aus großen Körben Blüten, warfen sie feierlich ins Kielwasser des Bootes und sangen dazu altgermanische Waisen. Uns kam das Ganze unheimlich vor, obwohl wir wussten, dass es sich nur um einen schrulligen Kulturverein handeln konnte. Als die zurückgebliebenen Germaninnen und Germanen jedoch anfingen, Bierkästen aus dem Wasser zu hieven sowie Grillzubehör und Essensvorräte aus dem Gebüsch holten, waren wir einigermaßen
beruhigt. Wir schlichen lautlos wie Indianer davon und schwammen gemächlich zurück in die Neuzeit.
Ich weiß bis heute nicht, welch einer seltsamen Veranstaltung wir damals beiwohnten, und ehrlich gesagt, war es mir zu diesem Zeitpunkt auch egal, denn als wir am anderen Ufer aus dem Wasser stiegen, zitterte ich nicht nur vor Kälte, sondern auch vor Aufregung am ganzen Körper. Ein seltsames, mir bis dahin unbekanntes Gefühl beherrschte mich, das Gefühl, Christina schon eine Ewigkeit zu kennen. Als ich in ihre Richtung sah, trafen sich unsere Blicke und ich wusste, dass es ihr genauso ging. Es scheint, dass es
nichts gibt, was zwei Menschen mehr verbindet, als gemeinsam überstandene Gefahren. Immerhin waren wir gerade einer Horde Alemannen oder Langobarden oder Vandalen entronnen, die sich anschickten, den Landkreis Dahme-Spree zu erobern.
Ich denke, der Rest lässt sich denken. Christina und ich wurden ein Paar. Ein Jahr lang sahen wir uns fast jeden Tag und beschlossen schließlich, der Einfachheit halber, zusammenzuziehen. Um unseren Müttern einen Gefallen zu tun und ihnen eine Möglichkeit zur Entfaltung ihrer organisatorischen Talente zu geben, heirateten wir nach einem weiteren Jahr sogar.
Christina, die damals auf eine Schauspielschule ging und mittlerweile ein gern gesehener Gast auf deutschen Bühnen ist, gelang es schnell, in der ihr eigenen praktischen, vernünftigen und wohlwollenden aber selten Widerspruch duldenden Art, mir das Japanologie-Studium und mein Lotterleben als Kochmesserpromoter auszureden. Ich schuftete auf ihre Anregung hin zwei Jahre lang als Hilfskoch in einem guten Restaurant, nahm dann einen Kredit auf und eröffnete eine kleine Garküche in Mitte. Dort bekoche ich meine anspruchsvollen
und zahlungswilligen aber sympathischen Gäste und verdiene dabei ganz gut. Vor zwei Jahren kam unsere Tochter Lola zur Welt, die ich vergöttere, nicht zuletzt, weil sie ihrer Mutter so ähnlich ist: sie spielt mit Vorliebe mit den anderen Kindern im Park Fußball.
Weder meiner Frau, noch meiner Tochter würde es jemals einfallen, ernsthaft etwas gegen meine Zerstreutheit zu unternehmen. Geduldig stehen sie jedes Mal, wenn ich meine Siebensachen zusammen suche, im Flur und lachen sich kaputt. Ich denke, dass sie sich aufgrund weiblicher Intuition voll und ganz darüber im Klaren sind, dass unser unterhaltsames Familienleben ohne meine Zerstreutheit nicht zustande gekommen wäre. Ein auf dem Fensterbrett vergessener Schlüssel hat tatsächlich mein Leben verändert.
Eingereicht am 14. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.