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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Was das Leben so bringt

© Cindy Roestel


"Wir müssen uns vom Überflüssigen befreien, um das Wesentliche zu erleben." Das hatte meine Oma oft gesagt, wenn ich sie um Rat fragte. Nun ist sie tot. Schon seit über drei Jahren. Am Anfang tat es sehr weh, sie nicht einfach so zu besuchen zu können oder sie dabei zu haben, wenn sich die ganze Familie trifft. Heute denke ich meistens an Dinge wie diese. All die Ratschläge, die sie mir gab und natürlich die Fahrten zusammen mit ihr in ihre alte Heimat in Brandenburg.
Mein Großvater verstarb schon vor 10 Jahren. Er ging nach über 60 Jahren glücklicher Ehe und einem ziemlich erfülltem Leben. Sie kannten sich schon von klein an. So wuchsen sie beide zusammen in Eberswalde, einer kleinen Stadt in der Mark Brandenburg, auf. Sie spielten zusammen, teilten die Schulbank miteinander und waren auch sonst oft gemeinsam zu sehen. Kurz bevor er im 2. Weltkrieg an die Front musste, fragte er sie, ob sie ihn heiraten wolle. Wie selbstverständlich sagte sie ja. Kannte sie doch nicht viele andere Männer in ihrem Leben und war er doch ein anständiger junger Mann. Außerdem war es für beide Elternhäuser schon immer klar gewesen, dass die beiden zusammen gehören und keine andere Verbindung akzeptabel sei.
Einige Wochen nachdem die lange Zeit des Bangens, während mein Großvater für sein vermeintliches Vaterland kämpfen musste, vorbei war, fand die Hochzeit statt. Es wurde groß gefeiert. In ganz Eberswalde wusste man Bescheid. Sie hatten drei Kinder miteinander. Eine Tochter, meine Mutter, und 2 und 6 Jahre später noch zwei Söhne. Kurz bevor die Berliner Mauer errichtet wurde, zogen meine Großeltern nach München. Dort blieben sie bis zu ihrem Ende. Und auch meine Eltern und meine Onkel zog es nirgendwo anders hin. Die Schwierigkeiten, die sie hatten, meine Urgroßeltern in Zeiten der damaligen DDR zu besuchen, belasteten sie sehr. Oft überlegten sie, ob ihre Entscheidung, der Mark Brandenburg den Rücken zu kehren, richtig war.
Ich hatte ein sehr offenes und tolles Verhältnis zu meiner Großmutter. Sie war immer modern geblieben. Ging immer mir der Zeit. Und sie wusste immer, wie mir zu helfen war, wenn ich mal nicht weiter wusste im Leben. Oder in der Liebe.
Besonders gut erinnere ich mich unseren vorletzten Besuch in ihrer alten Heimat. Selbst nach dem Ableben ihrer Eltern, wollte sie es sich nicht nehmen lassen, öfters der kleinen Stadt einen Besuch abzustatten. Ich war damals gerade mit dem Abi fertig und wie immer fuhren wir mit dem Zug. Zuerst von München nach Berlin und von da aus dann nach Eberswalde.
"Ich bin noch ganz aufgeregt. Jetzt hast du das Abitur, Anne Schatz, weißt du überhaupt was jetzt alles auf dich einstürzen wird? Ab jetzt musst du Entscheidungen treffen. Dir überlegen, was du so machen willst. Hast du schon Pläne, Schatz?" Wir hatten gerade in einem Abteil Platz genommen und meine Oma hatte sich ihr kleines Kissen, das sie immer dabei hatte, neben sich auf den lehren Platz gelegt. Wir saßen uns gegenüber. Ich schaute aus dem Fenster und sah wie wir mehr und mehr von München hinter uns ließen. "Weiß noch nicht so genau." Ich zuckte mit den Achseln als ich ihr antwortete. "Aber du wirst doch bestimmt eine Vorstellung haben von dem, was du gerne tun möchtest." "Schon ein wenig, aber das alles drum herum ist so kompliziert."
Ich drehte meinen Kopf in ihre Richtung als ich fortfuhr. "Alexander, du weißt schon, wir haben in den letzten Monaten sehr viel Zeit miteinander verbracht, hat mich gebeten mit ihm nach Köln zu gehen. Er hat dort ein tolles Jobangebot bekommen und sagte, er möchte, dass ich mit ihm komme." Meine Großmutter sah mich mit neugierigen Augen an: "Und was möchtest du machen? In Köln kann man genauso gut studieren oder Arbeit finden wie hier in München." Ich nickte: "Ja, ich weiß, aber woher kann ich denn jetzt schon nach einem halben Jahr wissen, ob er der Mann ist, mit dem ich für immer zusammen sein möchte und mit ihm die Stadt und die Leute, die ich am besten kenne, hinter mir lassen kann." "Aber Anne-Kind. So etwas weiß man doch vorher nicht. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Glaubst du, ich wusste, als ich deinen Opa heiratete, dass wir für immer zusammen bleiben werden? Man muss sehr hart dafür arbeiten, dass in einer Beziehung alles gut funktioniert, und etwas Glück gehört auch dazu. Menschen verändern sich die ganze Zeit. Manchmal sind diese Veränderungen gut für die Beziehung und manchmal leider nicht. Aber um das herauszufinden, muss man schon etwas riskieren." Wir sahen uns an. Was sie eben sagte, hört sich ja ganz gut an, aber trotzdem hilft es mir nicht sehr viel weiter in meiner Entscheidung. Ist halt doch ein sehr großer Schritt. Und so einen großen Schritt macht man doch nicht einfach so aus Freude am Risiko.
Ich schaute wieder aus dem Fenster. Ich sah flüchtig einen kleinen Bahnhof, den wir ohne Anhalten passierten. Dann sprach sie weiter: "Kind ich werde dir mal was erzählen. Es ist noch weit bis Eberswalde und irgendwie müssen wir die Zeit ja totschlagen." Sie lachte, als die das sagte. Dann fuhr sie fort: "Du denkst, dass dein Großvater der einzige Mann war, der mein Herz jemals höher schlagen ließ, nicht wahr?" Sie lachte wie ein junges Mädchen als sie mein überraschtes Gesicht sah. Dann fing sie zu erzählen an: "Dein Großvater hatte mich, bevor er zur Front ging, gefragt, ob ihn heiraten möchte. Wie du weißt, sagte ich ja. Aber in den 10 Monaten, in denen er nicht da war, geschah etwas mit mir. Ich hatte mit deiner Urgroßmutter besprochen, nach Lüneburg zu ihrer Schwester zu fahren, um nicht zu sehr mit den Planungen für die Hochzeit belastet zu werden oder gar im Weg zu stehen. Meine Tante hatte ein großes Haus am See. Ich war sehr gerne dort. Ich ging oft spazieren am Seeufer. Der See war riesig und man brauchte mindestens einen Tag, um um ihn herumzulaufen. An einen Samstag, ich war gerade mal vor weniger als einer Woche angereist, ging ich wieder an See spazieren. Ich lief den kleinen Weg entlang, den die Angler benutzten, um an die besten Stellen zu gelangen, lief dann weiter in Richtung der kleinen Halbinsel, die nur mit einem schmalen Weg zum Ufer verbunden ist und etwa 50 Meter ins Wasser reicht. Ich war oft dort, aber diesmal war etwas anders. Ich sah, dass das Gras, das dort immer höher stand als am Ufer, an vielen Stellen heruntergetreten war. Es muss wohl jemand dort gewesen sein, dachte ich mir und lief bis zum Ende der Insel, um mich dort hinzusetzen und eine Weile ins Wasser zu schauen. Dann hörte ich Geräusche. Etwas bewegte sich und ich drehte mich ruckartig um. Da war nichts. Wahrscheinlich nur ein Hase oder eine Maus oder so, dachte ich mir. Ich schaute wieder hinaus auf den See. Dann wieder Geräusche. Ich drehte mich wieder um, sah nichts. Ich beschloss aufzustehen und zurück zum Haus meiner Tante zu gehen. Ich erhob mich, drehte mich um und noch ehe ich etwas sehen konnte, fasste mir jemand um die Taille, drückte mich an sich, legte mir den anderen Arm um den Hals und hielt mir den Mund zu als ich anfing zu schreien. Ich versuchte mich zu befreien, aber der Mann, der mich hielt, war viel stärker. Als ich hinab schaute, sah ich seine behaarten Unterarme. Ich hatte große Angst. Dann sagte er: "Pssst, pssst, sei doch leise um Gottes willen. Ich tue dir doch nichts." Dann hörte er auf meinen Mund zuzuhalten, sofort fing ich an zu kreischen. Er drückte mir die Hand so stark auf meinen offenen Mund dass die Oberlippe höllisch schmerzte. "Bitte, so sei doch endlich still. Ich tue dir doch nichts. Willst du jetzt ruhig sein? Dann kann ich dich auch loslassen." Ich konnte ihm halbwegs in die Augen sehen. Sie waren blau und sahen gar nicht so gefährlich aus. Er war jung und hatte kurze dunkelblonde Haare. Wahrscheinlich zwei oder drei Jahre älter als ich. Ich nickte. Sofort, als er mich losließ, drehte ich mich weg von ihm. Ich schaute ihn zugleich ängstlich und wütend an. Ich war nicht in der Lage, auch nur ein Wort zu sagen. Er setze sich ans Ufer. Frag bitte nicht, warum ich nicht weglief. Ich dachte nicht einmal ans Weglaufen, als er sich neben mich setzte. "Kannst ja jetzt losrennen und allen sagen, dass hier ein Verbrecher steckt." Er schaute mich wütend an. "Na los blöde Kuh. Lauf schon los." Ich blieb wie angewurzelt stehen und sah ihn an. Noch immer dachte ich nicht im Entferntesten ans Weglaufen. Bevor ich was sagte, ging ich noch einmal zwei Schritte zurück, nur so aus Sicherheit. "Was machst du hier?", fragte ich. "Kann ich nicht sagen", kam die kurze Antwort. Aus heutiger Sicht kann man es durchaus als naiv bezeichnen, aber ich sagte: "Hör zu! Vielleicht kann ich dir ja helfen, aber dazu musst du mir schon sagen, wer du bist und warum und vor was du wegläufst." Er drehte sich zu mir. "Kann ich nicht sagen."
"Ich weiß was", sagte ich. "Ich gehe zurück zum Haus meiner Tante und besorge was zu Essen. Und falls du möchtest, kannst du hier auf mich warten und vielleicht willst du mir ja dann erzählen, was mit dir los ist." Und dann ging ich. Ich holte etwas Brot, Käse, ein klein wenig Wurst, etwas Trinkwasser und ein großes Stück von dem Apfelkuchen, der vom gestrigen Besuch des Pastors noch übrig war. Schön dumm war ich damals, einfach so wieder hinzugehen, ihm so sehr zu vertrauen. Er hätte ein Mörder oder sonst was sein können. Aber irgendwie zog es mich zu ihm. Er machte mir keine Angst und ich war auf einer seltsamen Art neugierig zu hören, warum er sich versteckt hält. Umgebracht hatte er bestimmt keinen. Der hatte viel zu nette Augen, sagte ich mir.
Als ich zurück zu der kleinen Insel kam, war er wirklich noch da. Er hatte sich wieder versteckt und kam erst heraus, als er sah, dass ich was zu essen hatte und wohl allein war. Er nahm das Essen sehr schüchtern entgegen, konnte sich dann aber nicht zurückhalten und aß mit großem Appetit die Sachen, die ich ihm brachte.
Später dann erzählte er mir, was los war. Er sagte, er sei ein Deserteur. Hatte die Schnauze voll, für dieses kaputte Land zu kämpfen, wurde selbst in der eigenen Division mies von seinen Vorgesetzten behandelt und hatte bei einem Heimaturlaub beschlossen nicht mehr zurück zu gehen. Er käme aus einer sehr kleinen Stadt in der Nähe von Freiburg. Familie hätte er keine mehr, sagte er. Seine Mutter starb schon sehr früh nach seiner Geburt und sein Vater war sehr bald nach Beginn des zweiten Weltkrieges gefallen. Er sagte, er sei erst 20 und hätte keine Lust so früh ins Gras zu beißen. Jetzt wolle er sich eine neue Bleibe hier irgendwo im Norden suchen. Ein Kumpel sei gerade dabei ihm neue Papiere zu besorgen. Solange müsse er den Kopf unten halten. Mir war auf einmal ganz mulmig geworden im Bauch. Jedoch lag ich richtig. Ein Mörder ist er nicht. Er floh sogar um keinen töten zu müssen. Ich hab ihn nach diesem Nachmittag nicht mehr am See gesehen. Ich war jeden Tag dort um zu sehen, ob er wieder da ist.
Zwei Wochen später war ich mit meiner Tante in Lüneburg zum Einkaufen. Sie ging in den Lebensmittelladen und versuchte was Schönes fürs Abendessen zu ergattern. Als ich gerade an einem der alten Häuser vorbeilief, packte mich jemand am Arm und zog mich in eine kleine Gasse zwischen den hohen Gebäuden. Ich fing zu schreien an, als ich die Hand an meinem Arm spürte, aber sofort hatte ich eine Hand auf dem Mund, um mich ruhig zu halten. Sekunden später sah ich, dass es Heinrich war. So hieß der Junge von See. Ich schaute erstaunt. Er lächelte nur. Ich wollte ihn fragen, wo er denn herkomme, kam aber nur dazu seinen Namen zu sagen, als er mich küsste. Ich küsste ihn auch. So wie deinen Großvater in meinem ganzen Leben nicht geküsste habe. Es fühlte sich gut an, vor allem aber fühlte es sich verboten an. Meine Tante sollte nichts wissen, deshalb verabredeten wir uns für den nächsten Nachmittag unten am See.
Ich freute mich wie ein kleines Schulmädchen auf das nächste Treffen. Und auf das nächste und das nächste und das nächste. Wir trafen uns nie woanders, immer nur am See. Er hatte eine Arbeit in einer Fabrik und eine Bleibe im Haus einer älteren Frau gefunden. Wegen ihr konnten wir nicht dorthin. Neue Papiere bekam er auch und einen neuen Nachnamen, den er mir nicht verraten wollte. Wir küssten uns noch oft, an manchen Nachmittagen redeten wir kaum. Und er machte Pläne. Er sagte, dass er mich heiraten wolle sobald der Krieg zu Ende ist. Er machte mir Komplimente und sagte, er wolle mich glücklich machen. So ging es 5 Monate lang. Es waren die schönsten 5 Monate in meinem Leben. Von deinem Großvater habe ich ihm nie erzählt.
Meine Tante wusste wohl, dass was im Busch ist, stellte aber nie Fragen. Sie sagte nur, ich sähe glücklich aus. Würde mich wohl auf die bevorstehende Hochzeit freuen." Der Zug fuhr im Bahnhof in Berlin ein. "Komm Anne Schatz wollen wir uns einen schönen Cappuccino gönnen während wir auf den nächsten Zug warten, der uns nach Eberswalde bringt? Nach Lüneburg bin ich übrigens immer mit dem Zug gereist." Sie lachte. "Kaum zu glauben, wie die Technik sich weiterentwickelt hat. Damals war es so laut, man konnte sich kaum unterhalten. Und sehr lange dauerte es auch. Da ist es doch heut zu Tage viel besser. "Willst du deine Geschichte beim Kaffee weiter erzählen?" fragte ich. "Nein", sagte sie. "Warten wir bis wir im Zug sind, da es gemütlicher und es lässt sich besser erzählen."
Wir hatten eine Stunde Zeit, die wir mit Kaffeetrinken und etwas Beinvertreten überbrückt haben. Dann nahmen wir den Zug Richtung Stralsund, der in kurzer Zeit in Eberswalde sein müsste. Sie erzählte weiter: "Wir befanden uns immer noch im Krieg. Und Die alte Frau, bei der Heinrich lebte, wunderte sich, dass er nicht an der Front ist. Er erzählte ihr, er war dort gewesen, wurde aber verwundet und ist nicht mehr in der Lage zu kämpfen. Sie glaubte ihm das. Einmal als wir uns trafen, sagte er, dass er froh sei, geflohen zu sein. Denn sonst hätte er mich nicht kennen gelernt. Dann küsste er mich und anschließend geschah was Schreckliches. Mehrere Wagen hielten am Ufer und noch ehe wir reagieren und uns verstecken konnten, kamen Männer in Uniform auf die Insel gerannt, schrien mich an ich solle von Heinrich wegtreten, denn ich wüsste ja nicht, dass er ein Deserteur, ein Vaterlandverräter, sei. Ich fing zu weinen an und schrie die Männer an, sie sollen ihn zufrieden lassen. Natürlich brachte das nicht viel. Sie nahmen ihn mit sich. Er schaute mich ängstlich an als sie ihn fortbrachten. Mir brach in diesem Moment das Herz. Dann fuhren sie weg. Ich war total verstört, konnte nicht aufhören zu weinen. Ich lief zum Haus meiner Tante. Sie kam die Treppe herunter, nahm mich in den Arm und sagte alles sei in Ordnung und dass es besser so sei und dass ich jetzt mit deinem Großvater glücklich werden könne.
Ich löste mich von ihr und starrte sie fassungslos an. "Du gemeines Weib," schrie ich. "Du hast Heinrich diesen Mördern ausgeliefert, hast uns und vor allem ihm nachspioniert." Ich schrie noch lauter. "Ich will dich nie wieder sehen." Dann rannte ich in mein Zimmer. Ich hörte sie sagen, dass es ihr Leid täte und dass es das Beste so sei, aber für mich war gerade eine Welt zusammengebrochen. Ich kam tagelang nicht aus meinem Zimmer heraus. Meine Tante versuchte mit mir zu reden. Aber ich blockte nur ab. Sie sagte, ich solle wenigstens was essen und stellte mir ein Tablett mit Leberwurstschnitten vor die Tür. Tage später habe ich versucht, etwas über Heinrichs Verschwinden zu erfahren. Aber wir waren ja immer noch im Krieg. Das Ganze war also sehr kompliziert für mich. Zwei Wochen später, viel früher als erwartet, reiste ich zurück nach Eberswalde. Meinen erstaunten Eltern sagte, dass ich zu aufgeregt wegen der Hochzeit sei und deshalb zurück wollte.
Ich dachte lange darüber nach, ob ich deinen Großvater heiraten sollte. Natürlich liebte ihn, aber um ehrlich zu sein, ich hätte ihn für Heinrich sofort verlassen. Heinrich war was ganz Besonderes. Ich hätte es riskiert und hätte darauf gehört, was mein Herz mir sagt. So war ich schon immer. Ein paar Monate später war dieser grausame Krieg endlich vorbei und ich war froh, dass Gott mir nicht auch noch den zweiten Mann, der mir sehr wichtig ist, genommen hat. Ich entschied mich ihn zu heiraten. Und wie du weißt, waren wir sehr glücklich miteinander all die Jahre über. Aber ich habe noch oft an Heinrich gedacht. Als der Krieg vorbei war und noch bevor ich eine Ehefrau wurde, habe ich wieder versucht zu erfahren, was mit Heinrich wurde. Diesmal war ich erfolgreicher. Sie haben ihn noch am selben Tag der Festnahme erschossen. Ich weinte zwei Tage lang als ich das erfuhr.
So nun weißt du, was sonst nicht viele wissen. Deinem Großvater habe ich nie von Heinrich erzählt. Das hätte er nicht verkraftet. Er war nie besonders stark in Gefühlsdingen, weißt du? Aber siehst du nun, was ich meine, wenn ich sage, manchmal muss man was riskieren im Leben und in der Liebe? Ich habe viel riskiert für Heinrich. Wenn meine Tante ihn nicht verraten hätte ... wer weiß ... Aber ich war ein ganz anderer Mensch nach diesen 5 Monaten. Viel reifer und erwachsener bin ich geworden. Du, bereut deinen Großvater geheiratet zu haben, habe ich nie."
Ich war ziemlich erstaunt über diese Geschichte. Sie lachte als ich ihr vorschlug, die Story verfilmen zu lassen. Dann erreichten wir Eberswalde. Wir blieben in demselben Hotel, in dem wir immer waren, und trafen einige von ihren alten Freunden und die Leute, die ich so bei meinen Besuchen kennen gelernt habe.
Nachdem meine Oma gestorben war, war ich erst einmal wieder dort. Es ist nicht dasselbe ohne sie dort hinzufahren. Und mir fehlen die guten Ratschläge, die sie mir im Zug unterwegs immer gab und natürlich die Geschichten, die sie mir erzählte.
Übrigens ihrem Rat, was zu riskieren, hab ich befolgt und bin mit Alexander nach Köln gegangen und hab dort dann angefangen zu studieren. Geklappt hat es mit Alex nach einem Jahr leider nicht mehr, aber dafür hab ich mir einen guten Freundeskreis aufgebaut und im Studium läufts auch gut. Für mich war die ihre Vergangenheit eine Art Schlüsselerlebnis, das mir gezeigt, wie es andern laufen kann in Leben, wenn man Dinge einfach geschehen lässt. bereut habe ich es nie nach Köln gegangen zu sein. So wie meine Oma es nie bereut hatte, Heinrich kennen gelernt zu haben. Ich denke oft an diese Geschichte. Und natürlich an meine Oma. Besonders wenn ich im Zug sitze und nach Hause nach München fahre.



Eingereicht am 08. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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