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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"
Die Schönheitskönigin
© Britta Dubber
Sorgfältig strich Wiebke über den samtigen, grünen Stoff. Im Kaufhaus hatte er besser ausgesehen. Er schien mehr geleuchtet zu haben. Vielleicht lag es aber auch an den zappeligen Bewegungen ihrer sechsjährigen Tochter Nadia, dass das fast fertig genähte Kleid nicht seine volle Wirkung entfaltete. Fließend, wie ein Wasserfall, so sollte das lange Kleidchen aussehen, wenn Nadia damit über den "Catwalk" lief.
"Halt doch mal still!", herrschte Wiebke ihre Tochter an.
"Ich kann nicht mehr stehen", sagte Nadia und tippelte mit beiden Füßen abwechselnd auf den Parkettboden.
"Du sollst stillhalten, das Kleid muss morgen fertig sein."
"Morgen? Aber ich kann doch trotzdem auf Sophies Geburtstag, oder?"
Wiebke nahm zwei Nadeln aus dem Nadelkissen, das sie ums Handgelenk trug und steckte sie an den Saum.
"Der Wettbewerb ist in Bremen. Wie meinst du, sollen wir das schaffen?"
Unsanft drehte sie ihre Tochter nach rechts und links, nicht darauf achtend, dass sich die runden, blauen Augen mit Tränen füllten.
"Aber, wir haben doch schon ein Geschenk eingekauft."
"Dann nimmst du es für jemand anderen. Du wirst doch sicherlich noch öfter zu einem Geburtstag eingeladen werden."
"Aber ... Sophie ..", begann Nadia und brach in Tränen aus.
"Was meinst du, wie viele Mädchen dich zu ihrem Geburtstag einladen werden, wenn du erst einmal den ersten Platz in dem Schönheitswettbewerb gewonnen hast."
Nadia begann noch heftiger zu weinen. Wie oft hatte sie ihrer Mutter versucht zu erklären, dass die anderen Kinder in ihrer Klasse sie deswegen aufzogen und ihr gemeine Kosenamen gaben.
Sogar die Klassenlehrerin hatte sie darauf aufmerksam gemacht und sie gebeten der Schule oberste Priorität einzuräumen. Durch zahlreiche Wettbewerbe, die eine weite Anfahrt und somit Hotelübernachtungen beinhalteten, hatte Nadia einiges in der Schule versäumt.
"Was kann ich dafür, wenn die anderen Kinder neidisch sind. Vielleicht sollten sie zuerst mit deren Eltern reden. Niemand sollte aufgrund seines guten Aussehens gehänselt werden. Später wird sich zeigen, wer erfolgreicher sein wird. Die hässlichen oder die hübschen Kinder", mit diesen Worten war Wiebke aus dem Klassenzimmer gegangen, Nadia hinter sich herziehend.
Die Lehrerin hatte Wiebke angerufen, nachdem einige Schüler sie in der Sandkiste mit Sand, Müll und Dreck beworfen hatten. Seitdem hatte Nadia Angst in die Schule zu gehen.
Nur ihre Freundin Sophie hielt zu ihr, aber Sophie war erst fünf, wohnte im Nachbarhaus und ging noch nicht zur Schule. Ihr machte es nichts aus, dass Nadia an so vielen Wettbewerben teilnahm. Leider hatte Nadia kaum noch Zeit mit ihr zu spielen, seitdem ihre Mutter auch noch versuchte sie in einem Werbespot unterzubringen.
Nadia war schon bei unzähligen Castings gewesen und mit jeder Absage, schien ihre Mutter verbissener zu werden.
"Hast du das Mädchen mit den Zöpfen gesehen? Die hatte vielleicht ein Pferdegebiss. Die könnte höchstens Werbung für Heu machen", hatte sie am Montag gesagt, als sie von einem Casting für ein Müsli kamen.
"Das blonde Mädchen war viel zu dürr und hatte enorme Ohren. Außerdem hat sie gelispelt. Ich versteh nicht, wie ihre Eltern ernsthaft denken könnten, sie gehöre ins Fernsehen", hatte sie am Freitag gesagt, als sie auf dem Rückweg von einem Casting für Shampoo waren.
Nadia fand die Castings nicht ganz so schlimm wie die Wettbewerbe. Einige machten sogar richtig Spaß. Die Schönheitswettbewerbe hingegen waren anstrengend. Auf stundenlanges Frisieren und Schminken, folgte der Gang auf dem Laufsteg, oft auf hochhakigen, spitzen Schuhen.
Nadias Mutter drehte ihr mit einem Lockenstab meistens kleine Löckchen, was bei Nadias widerspenstigem Haar besonders viel Zeit in Anspruch nahm. Zum Glück konnte sie dabei sitzen, denn vom Laufen in den hohen Schuhen taten ihr oft noch den ganzen nächsten Tag die Füße weh. Für den Wettbewerb morgen trug sie zum Glück flache Schuhe. Das Kleid war so lang, dass man die Schuhe eh nicht sah.
"Nun hör auf zu weinen, oder willst du da morgen mit geschwollenen Augen hin. Dann wirst du dich ganz schön blamieren."
Nach einer viertel Stunde hatte sie das Kleid abgesteckt und Nadia konnte endlich in ihr Zimmer gehen. Sie nahm ihr Malbuch heraus und begann Vögel und Katzen bunt auszumalen, doch nach ein paar Minuten war sie so müde, dass sie sich aufs Bett legte und kurz darauf einschlief.
Am nächsten Morgen wurde sie von ihrer Mutter bereits um halb sechs Uhr geweckt.
Sie musste das Kleid noch einmal anprobieren, was nun tadellos saß, dann war gerade noch Zeit für ein kleines Frühstück und um halb sieben waren sie schon auf der Autobahn.
"Ich hab Durst", sagte Nadia.
"Du hattest gerade erst ein Glas Milch gehabt."
"Ich habe aber noch mehr Durst", maulte Nadia und suchte die Rückbank nach einer Getränkeflasche ab.
"Du weißt, dass du vor Wettbewerben nicht so viel trinken sollst. Das gibt einen dicken Bauch und dann sieht das Kleid furchtbar aus", sagte ihre Mutter und kramte mit der linken Hand im Handschuhfach.
"Hier, nimm die so lange", sagte sie und reichte ihrer Tochter ein Päckchen Kaugummi nach hinten.
Veranstaltungsort des Wettbewerbs zur "kleinen Miss", an dem Mädchen im Alter von vier bis zehn Jahren teilnahmen, war ein Hotel.
Der Wettbewerb war aufgeteilt in zwei Altersgruppen. Von vier bis sieben und von sieben bis zehn Jahren. Wiebke wusste, dass es schwer werden würde. Eine Vierjährige war nun oftmals niedlicher als eine Sechsjährige.
Nadia hatte letztes Jahr den zweiten Platz belegt. Insgesamt hatte sie schon viele Preise gewonnen, aber den ersten Platz hatte sie noch nie bekommen.
Bis zum Beginn des Wettbewerbs waren es noch zwei Stunden, aber im Umkleidraum war bereits die Hölle los.
Mädchen mit Lockenwicklern in den Haaren saßen in Unterwäsche auf Frisierstühlen, während die Mütter mit Puderdöschen, Wimperntusche und Rouge hantierten.
Einige Mädchen waren bereits fertig frisiert und geschminkt und übten ihre Schritte, meist in hochhackigen, kleinen Schühchen, die, so wusste Wiebke, ein Vermögen kosteten.
Wiebke sah sich aufmerksam um. Ein dunkelhäutiges Mädchen mit großen Knopfaugen und niedlichen kleinen Rastalocken konnte ernsthafte Konkurrenz darstellen, ebenso wie das weizenblonde Mädchen, mit grünen katzenähnlichen Augen, die ein wunderschönes, rotes Satinkleid anhatte.
"Setz dich da hin", sagte Wiebke zu Nadia und zeigte auf den letzten freien Stuhl, der ganz hinten in einer Ecke stand.
Im Handumdrehen hatte Wiebke den Lockenstab herausgeholt und begann Nadias langes, glattes Haar in eine Lockenpracht zu verwandeln.
"Ich hab Hunger", sagte Nadia und unterdrückte ein Gähnen. Die lange Autofahrt hatte sie ermüdet. Sie konnte im Auto nicht schlafen, das hatte sie noch nie gekonnt, also hörte sie die meiste Zeit über Hörspielkassetten über ihren Walkman. Doch dieses Mal waren die Batterien leer gewesen und so hatte sie die meiste Zeit aus dem Fenster gestarrt und sich furchtbar gelangweilt.
Wiebke griff in die mitgebrachte Baumwolltasche und drückte ihrer Tochter eine Birne in die Hand.
Nadia hatte Appetit auf Pommes gehabt, oder eine Pizza, aber um ihre ohnehin gereizte Mutter nicht zu provozieren, biss sie lustlos in die Birne, die zu allem Übel auch noch mehlig war.
Knapp zwei Stunden später wurde Nadia auf den Laufsteg gerufen. Sie ging in großen, eleganten Schritten, so wie sie es mit ihrer Mutter geübt hatte vor der Jury, verbeugte sich kurz, lächelte einmal schüchtern und ging dann wieder zurück. Der Stoff ihres Kleides war schwer und rauschte bei jedem Schritt und Nadia hatte Mühe, nicht zu fallen.
Das war's. Wenn ihre Punktzahl hoch genug war, kam sie in die nächste Runde. Dort musste sie dann etwas über sich erzählen, vorsingen oder tanzen. Nadia hatte ein Gedicht auswendig gelernt, was sie vortragen würde.
Die Jury beriet sich und Nadia erhielt eine Glatte sieben. Eine ganz gute Wertung. Da es aber vier Mädchen gab, die eine neun bekommen hatten und eine sogar eine glatte zehn, schaffte sie es nicht in die zweite Runde.
Nadia war nicht enttäuscht. Sie machte sich nichts aus diesen Wettbewerben. Sie wusste nicht einmal, ob sie sich schön fand oder nicht. Sie fand ihre Nase zu breit und ihren Mund zu groß. Deswegen hatten sie auch schon einige Kinder in der Schule gehänselt. Aber vielleicht hatten die das auch nur so gesagt und mit ihrer Nase und ihrem Mund war alles in Ordnung.
Sie wollte nicht länger Zielscheibe ihrer Klassenkameraden sein. Aber sie traute sich nicht mehr mit ihrer Mutter darüber zu reden. Ihre Hoffnung war, dass sie die Lust daran verlor oder einsah, dass ihre Tochter nicht die Hübscheste war.
"Können wir noch zu Sophie zum Geburtstag?", fragte Nadia auf dem Rückweg.
Ihre Mutter hatte nach Bekanntgabe der Wertung kaum ein Wort gesprochen. Ihre Oberlippe zuckte leicht, und die Gesichtsmuskeln schienen sehr angespannt, als sie sich auf den Verkehr konzentrierte.
"Was denkst du dir dabei? Hast du mit Absicht nicht dein Bestes gegeben, weil du noch unbedingt zu diesem Geburtstag wolltest?", fauchte ihre Mutter sie an.
Nadia schüttelte entsetzt den Kopf. Auf solch eine Idee wäre sie nie gekommen. Sie mochte diese Wettbewerbe zwar nicht, aber dennoch gab sie ihr Bestes, weil sie ihre Mutter nicht enttäuschen wollte.
Diese Wettbewerbe waren alles, was für ihre Mutter zählte, mehr als gute Noten. Und sie dienten als einzige Möglichkeit etwas Lob und Zuspruch zu bekommen.
"Nein, ganz bestimmt nicht", beteuerte sie.
"Ich bin sehr enttäuscht von dir Nadia. Du hattest eine krumme Haltung und bist wie eine Bauersfrau gegangen. Ein Wunder, dass sie dich nicht ausgelacht haben."
Nadias Augen füllten sich mit Tränen. Sie drehte den Kopf zum Fenster und versuchte mit aller Kraft die Tränen zurückzuhalten.
"In einer Woche sind wir in Berlin. Bis dahin wirst du jeden Tag laufen üben, hörst du? Und wehe du kommst nicht in die engere Auswahl, dann darfst du nie wieder zu Sophie. Hast du verstanden?"
Nadia nickte und krallte ihre Hände in ihren Kuschelhasen, der sie auf allen Veranstaltungen begleitete.
Als eine einzelne Träne auf sein Ohr tropfte, begann draußen ein Wolkenbruch und das Prasseln des Regens gegen die Windschutzscheibe übertönte ihr Schluchzen.
In den nächsten Tagen übte Nadia Stunden für Stunden das Gehen auf dem Laufsteg. Sie übte mit einem Buch auf dem Kopf, ohne Buch, auf hohen Schuhen und in Sandalen. Ihre Mutter hatte sie kein einziges Mal zum Üben auffordern müssen, nichts um alles Andere wollte Nadia nun selbst den nächsten Wettbewerb gewinnen. Nicht nur, um ihre Freundschaft zu Sophie zu retten.
"Mama, ich werd immer besser", sagte sie, als sie mit dem Duden auf den Kopf vom Esszimmertisch zum Fenster entlang schritt.
"Hm", erwiderte Wiebke nur, nahm eine Zeitschrift vom Couchtisch und setzte sich auf die Ledercouch.
Nadias Mut sank für einen kurzen Moment, dann straffe sie jedoch die Schultern und übte weiter. Sie würde gewinnen. Sie würde ganz sicher dieses Mal gewinnen und dann würde ihre Mutter wieder froh sein. Sie würde Nadia umarmen, sie mit Küssen überhäufen und abends würde es in ihre Lieblingspizzeria gehen. Vielleicht durfte Sophie sogar mitkommen.
"Du hast genug geübt heute. Geh doch noch raus und spielen, damit du Farbe bekommst", sagte ihre Mutter in kühlem Ton, ohne von ihrer Zeitschrift aufzublicken.
"Okay. Ich geh dann auf den Spielplatz, ja?"
"Hm."
Nadia lächelte ihrer Mutter zu, was diese allerdings nicht bemerkte, dann nahm sie von der Garderobe ihre Jeansjacke und machte sich auf den Weg zum Spielplatz.
Die Sonne schien und die ersten Krokusse blühten bereits, dennoch war es recht kalt.
Der Spielplatz war zwei Straßen weiter und Nadia war sich sicher, dort auf Sophie zu treffen.
Als sie die braunen Zöpfe ihrer Freundin unter einer blauen Strickmütze auf dem Spielplatz zwischen all den anderen Kindern entdeckte, war sie überglücklich.
Sophie saß mit zwei anderen Mädchen, die Nadia nicht kannte, auf einem Gerüst.
Als sie Nadia erkannte, sprang sie freudestrahlend herunter.
"Du hast einen richtig tollen Geburtstag verpasst. Warum bist du nicht mehr gekommen? Meine Mutter sagt, sie hat euer Auto am Nachmittag gesehen."
"Ach ...", sagte Nadia. "Meine Mutter war wütend, weil ich nicht in die zweite Runde gekommen bin."
"Ich hab zwei Barbie-Puppen bekommen und ganz viel zum Anziehen für Barbie", sagte Sophie aufgeregt.
Ein Mädchen mit blonden, zerzausten Haaren und einer viel zu großen Nase kam auf Sophie zu gerannt und zerrte an ihrem Ärmel.
"Du wollest mit mir schaukeln, komm", sagte sie mit piepsiger Stimme und entblößte beim Sprechen eine riesige Zahnlücke.
"Moment, Katja", sagte Sophie und verdrehte die Augen. Das Mädchen zerrte jedoch weiter an ihr rum.
"Wer ist denn das?", wollte Nadia wissen.
"Katja. Geht mit mir in den Kindergarten."
"Meine Mutter ist immer noch wütend auf mich."
"Oh", sagte Sophie und machte ein betrübtes Gesicht.
"Komm, zu den Schaukeln", sagte Katja und streckte Nadia die Zunge heraus.
"Verschwinde, du Vogelscheuche!", rief Nadia, woraufhin die Nervensäge den Ärmel ihre Freundin vor Schreck losgelassen hatte. Ihr Gesicht hatte einen Rosaschimmer angenommen und die blauen Augen wurden wässrig.
Aus der Ferne hatte Wiebke die Szene beobachtet. Ihr schlechtes Gewissen hatte sie auf den Spielplatz verschlagen. Nadia hatte sich so sehr bemüht, ihr alles recht zu machen, aber die Enttäuschung über die Niederlage in Bremen schien all ihre Emotionen eingeschlossen zu haben.
Mit Enttäuschungen hatte Wiebke noch nie besonders gut umgehen können, und Nadia hatte mehr als einmal zu spüren bekommen, wie nachtragend sie sein konnte. Aber dieses Mal, das hatte sie begriffen, war sie zu weit gegangen. Sie hatte vergessen, wie so oft, dass ihre Tochter erst sechs Jahre alt war.
Als Wiebke den Spielplatz betreten hatte, war ihr sofort das kleine Mädchen, mit den zotteligen Haaren und der Knollennase aufgefallen.
Sie hatte nicht lange grübeln müssen, um zu wissen, an wen sie das Mädchen erinnerte.
Sie sah genauso aus wie Silke mit fünf Jahren ausgesehen hatte. Silke war Wiebkes jüngere Schwester, zu der sie seit mehreren Jahren keinen Kontakt mehr hatte.
Sie war von den anderen Kindern immer Kartoffelnase gerufen worden. Mehrmals in der Woche war sie weinend vom Spielplatz nach Hause gekommen, wo ihre Mutter sie dann mit heißem Kakao und Keksen getröstet hatte.
"Du bist so ein hübsches Kind. Du brauchst keinen Trost, aber die kleine Silke hat ein schweres Los mit der Nase. Ich weiß das. Die Nase hat sie leider von mir vererbt bekommen", hatte ihre Mutter ihr einmal erklärt. Wiebke hatte ihr vorgeworfen, dass sie Silke viel lieber hatte.
Wiebke hatte kein Mitgefühl für ihre Schwester aufbringen können und wenn sie sah, dass andere Kinder sie ärgerten, half sie ihr nicht. Als ihre Mutter davon erfuhr schimpfte sie.
Sie war doch viel größer als die anderen Kinder und als große Schwester war es ihre Pflicht Silke zu beschützen. Doch Wiebke fand, dass es Silke so schlecht gar nicht hatte. Immerhin hatte sie die ganze Aufmerksamkeit der Mutter und wenn Wiebke einmal Hilfe bei den Hausaufgaben gebraucht hatte, war die Mutter anschließend zu müde dazu.
Das Verhältnis zu ihrer Schwester war mit den Jahren immer schlechter geworden und mit jedem Wort das sie weniger miteinander gesprochen hatten, war die Beziehung zur Mutter abgekühlt.
Mit achtzehn war Wiebke dann ausgezogen und ans andere Ende von Deutschlang gezogen.
Ihre Schwester hatte sie zuletzt vor fünf Jahren gesehen, zu Nadias Taufe.
Sie hatte gehofft das Verhältnis zu ihrer Mutter zu bessern, nun wo sie eine Enkelin hatte, aber
ihre Mutter war genauso nachtragend wie Wiebke und so beschränkte sich jeder Kontakt seither auf kurze Telefonate.
"Du bist potthässlich. Bei einem Wettbewerb würdest du keinen einzigen Punkt machen", rief Nadia. Sowohl das blonde Mädchen, als auch Sophie sahen sie entsetzt an und gingen ein paar Schritte rückwärts.
"Die würden dich auslachen. Du würdest dich bla... blameren ..."
Das blonde Mädchen hatte angefangen zu weinen, rührte sich aber nicht von der Stelle. Sie stand einfach da und starrte Nadia mit weit aufgerissen Augen an.
"Nadia, hör auf. Du bist gemein", sagte Sophie, die ihre Freundin ängstlich anblickte.
"Aber es stimmt. Die ist so hässlich ..."
"Nadia!"
Beim Klang der Stimmer ihrer Mutter verstummte Nadia augenblicklich. Erschrocken drehte sie sich um.
Wiebke beugte sich zu ihrer Tochter und berührte sie an den Schultern.
"Entschuldige dich bei dem Mädchen", sagte sie in ruhigem Ton.
"Aber ..." Sie zuckte mit den Schultern und drehte sich zu dem Mädchen um.
"Es tut mir Leid. War nicht so gemeint", sagte sie.
"Du bist nicht mehr meine Freundin. Du bist ganz gemein", sagte Sophie, nahm das blonde Mädchen an die Hand und ging mit ihr zu den Schaukeln.
"Das wird schon wieder. Sie ist nur sauer, aber morgen oder übermorgen spielt sie bestimmt wieder mit dir", sagte Wiebke und schenkte ihrer Tochter zum ersten Mal seit Tagen ein Lächeln.
"Komm mit", sagte sie und nahm Nadia an die Hand.
"Wohin?", wollte Nadia wissen und sah mit einer Mischung aus Traurigkeit und Neid über ihre Schulter, wie ihre beste Freundin mit einem anderen Mädchen spielte.
"Ich möchte, dass du deine Tante kennen lernst."
Eingereicht am 06. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.