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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Dänemark zu dritt

© Ellen Balsewitsch-Oldach


Verenas grauer Sportwagen raste Richtung Norden. Dennis saß am Steuer. Thomas auf der Rückbank starrte hinaus in den Novembermorgen. Auf dem Beifahrersitz streckte sich Verena und blinzelte. Vorhin in der Disco hatte sie doch etwas viel getrunken. Dennis und Thomas hatten beide mit ihr geflirtet und ihr einen Caipirinha nach dem anderen bestellt. War einfach witzig gewesen. Und dann Thomas' spontaner Einfall: "Ey, wisst ihr was? Wir setzen uns jetzt ins Auto und fahren hoch nach Dänemark, das ganze Wochenende - meine Eltern haben ein Ferienhaus an der Nordsee, mit Sauna. Und am Meer machen wir Lagerfeuer, das wird genial!" - "Ja! Super" Dennis war sofort begeistert und hatte Verena schnell überredet. "Okay", meinte sie schließlich, "mein Auto steht vor der Tür - aber einer von euch muss fahren, ich bin ein bisschen blau."
Jetzt war die flippige Stimmung verflogen. Verena war wohl wirklich nicht ganz bei sich gewesen. Sie hatte Dennis und Thomas erst vor einem Monat im "Blue Merlin" kennen gelernt. Seitdem hatten sie sich nur an den Wochenenden in der Disco gesehen. Und jetzt fuhr sie mit zwei praktisch Wildfremden ins Ausland. Genau genommen hatte ihr Vater Recht: "Seit ich dir zum Abitur den Wagen geschenkt habe, benimmst du dich wie eine verwöhnte Millionärsgöre - fährst nur noch mit dem Flitzer durch die Gegend und hängst Tag und Nacht mit irgendwelchen Leuten in Discos herum! Das kann doch nicht gut gehen. Mädel, pass auf dich auf. Und kümmere dich endlich mal um deinen Studienplatz!" Stimmte ja irgendwie, aber mit dem Roadster auf die Piste, das machte einfach Spaß nach all der Büffelei - und das Jurastudium lief schließlich nicht weg.
Sie seufzte und wandte sich an Thomas. "Sag' mal - und wenn das Haus vermietet ist? Oder vermietet ihr es nicht? Über ein Ferienhausbüro oder so?" Thomas zuckte mit den Schultern. "Nee, das wird nicht mehr vermietet, es wird demnächst verkauft. Meine Eltern sind pleite." Sie passierten den Grenzübergang. Schließlich verließen sie die Hauptstraße, kamen über eine Nebenstrecke in ein abgelegenes Ferienhausgebiet und rumpelten über immer schmaler werdende Sandwege bis zum hintersten Grundstück in einer Sackgasse. Hinter einer dichten Kiefernhecke duckte sich ein verwittertes Holzhaus. Sie stiegen aus. "Das ist aber klein!" Verena war enttäuscht. Sie hatte sich einen großzügigen Backsteinbau mit Reetdach vorgestellt, mit Swimmingpool drinnen und Liegen hinter großen Sonnenfenstern. "Dafür ist es nicht weit zum Meer", antwortete Thomas unwillig. Er schloss die Terrassentür auf, die als Haupteingang diente. Die Luft im Haus roch nach Nadelholz. Das Wohnzimmer war mit abgenutzten Kiefernmöbeln eingerichtet, die offene Küche mit einer halb hohen Backsteinmauer abgeteilt. Die Türen zu den anderen Räumen gingen von einem kleinen Flur dahinter ab. Als erstes inspizierte Vera das Badezimmer. Man konnte sich in dieser Nasszelle kaum umdrehen. Und wo war die versprochene Sauna? Sie rief nach Thomas. "Hinter der Dusche, Prinzessin!" Fast bedrohlich stand er in der schmalen Tür. Und wie gehässig die "Prinzessin" geklungen hatte. Verena sah sich um. Im Halbdunkel an der Rückwand der Dusche erkannte sie eine graue Holztür, verspakt und verwittert durch das Duschwasser. Genau so unappetitlich wie der Duschvorhang.
"Sagt mal", meinte sie beiläufig, "sollten wir nicht lieber zurück fahren - ich denke, meine Eltern machen sich bestimmt inzwischen Sorgen." - "Nee, Honey", zum ersten Mal seit dem letzten Abend sprach Dennis, "jetzt bin ich stundenlang hier hoch gefahren, jetzt bleib ich auch - und Sonntag sind wir doch schon zurück! Pass mal auf, Thomas und ich fahren jetzt zum Lebensmittelhöker und schaffen was zu Essen ran und 'n paar Bier. Wer hat mal ein bisschen Kleingeld?" Thomas sah angestrengt auf seine Schuhe. Verena reichte Dennis ein paar Scheine. Erfreut stopfte er sie in seine Hosentasche. "Prima, das reicht sogar noch für 'ne Flasche Schampus! Autoschlüssel hab ich - du kannst dir inzwischen das Haus ansehen!"
Die Jungs waren verschwunden. Verena begutachtete die Schlafzimmer. Nur in einem waren vernünftige Betten, die nebeneinander standen. Das nächste hatte Doppelstockkojen. Und das dritte? Abgeschlossen. Ein Schlüssel steckte nicht. Thomas würde ihn sicher irgendwo haben. Jedenfalls würde sie nicht mit einem der beiden ein Zimmer teilen. Verena schluckte. Oder hatten die genau an so was gedacht? Vielleicht sogar an eine Nacht zu dritt? Dass sie nicht eher auf diese Idee gekommen war! Wirklich verwöhntes Töchterchen, viel zu naiv, um sich vorstellen zu können, dass jemand sie nicht mit Respekt behandelte! Sie nahm ihre Handtasche vom Sofa und suchte nach dem Handy. Am liebsten würde sie Daddy bitten, sie hier abzuholen - sofort. Aber wo genau? Sie hatte den halben Weg geschlafen. Wenigstens wollte sie ihren Eltern Bescheid sagen, wo sie war. Nur - wo war das Handy? Sie hatte es bestimmt nicht aus der Tasche genommen - die hatte während der Fahrt hinten neben Thomas gestanden.
Unruhig wanderte Verena durch die Räume. Die Stille wurde erdrückend. Wann kamen die Jungs zurück? Wenigstens wäre dann ihr Auto wieder da. Um ihre wachsende Unruhe zu bekämpfen, ging sie nach draußen. Sie musste sich ablenken. Sie spähte um die nächste Hausecke. Vielleicht konnte sie von dort in das abgeschlossene Zimmer sehen. Das musste das Fenster sein. Es war mit Brettern verschlossen, sorgfältig von außen verschraubt, in Abständen, die gerade eben etwas Tageslicht hindurch ließen. Was sollte das bedeuten? Sperrte Thomas' Familie hier regelmäßig jemanden ein? In diesem Raum jedenfalls würde sie nicht schlafen, das stand fest. Trotzdem war sie neugierig geworden. Sie ging zurück ins Haus. Vielleicht passte einer der Schlüssel aus den anderen Türen. Doch es war keiner zu finden.
Plötzlich hörte sie den Wagen - und die Stimmen von Dennis und Thomas. "Hallo, Honey! Jetzt wird gefuttert und gezecht!" Dennis wuchtete einen hoch bepackten Karton mit Lebensmitteln auf den Esstisch. Thomas folgte mit einem Kasten Bier und einigen anderen Flaschen. "Jungs", Verena hatte einen Entschluss gefasst, "ich fahre jetzt nach Hause. Entweder kommt ihr gleich mit oder ich hole euch Sonntag ab. Habt ihr übrigens mein Handy irgendwo ges..." "Mist!" Thomas nickte Dennis zu und beide stürzten sich auf Verena. Sie zerrten sie in den Flur. "Seid ihr verrückt - was soll das? Lasst mich sofort los!" Verena wehrte sich mit aller Kraft, aber vergeblich. Thomas zog mit einer Hand sein Schlüsselbund hervor und schloss das versperrte Zimmer auf. Unsanft wurde Verena in den Raum gestoßen, die Tür flog hinter ihr ins Schloss, knirschend drehte sich der Schlüssel. Sie rüttelte an der Klinke. "Was soll der Quatsch - lasst mich sofort wieder raus! Das ist überhaupt nicht witzig! Ich schreie so lange, bis jemand kommt! Los, lasst mich raus!" Aber alles blieb still. Ein paar Mal trommelte sie mit den Fäusten gegen die Tür und schrie aus Leibeskräften. Aber Dennis und Thomas waren offenbar nach draußen gegangen. Sie lauschte. Ja, leise kamen ihre Stimmen von der Terrasse. Lautlos öffnete sie das Fenster. Sie war wütend und hatte Angst, aber das war jetzt unwichtig. Sie wollte wissen, was hier gespielt wurde.
"Klar wäre es besser gewesen, wenn sie erst mal weiter nichts gemerkt hätte!" Das war Thomas, der offenbar gierig an einer Zigarette zog. "Aber ist schon gut so - ihr immer auf den Fersen sein und aufpassen, dass sie ihr Telefon nicht findet und auch sonst nichts mitkriegt, das wär' auf Dauer doch anstrengend geworden. Und 'ne bessere Möglichkeit, als ihren Vater über ihr eigenes Handy anzurufen, hätten wir doch gar nicht kriegen können!" Dennis knurrte unzufrieden. "Na, nun mach uns mal ein Bier auf!" Thomas rauchte immer noch in tiefen Zügen. "Unser goldenes Gänschen ist auf Nummer Sicher und Papi hat gesagt, dass er das Lösegeld bis Sonntagabend zusammenkriegt und auf dem Parkplatz hinterlegt - ohne Polizei!" Bierflaschen klirrten, es zischte, Kronkorken schepperten zu Boden.
Verena war entgeistert. Entführt! Mit ihrem eigenen Auto. Völlig ahnungslos hatte sie mitgespielt - und ihren Kidnappern Essen, Trinken und Benzin finanziert. Verena sah sich in ihrem Gefängnis um. Klar, das Zimmer hatten sie vor ihr erst mal verschließen müssen - zu deutlich wies alles darauf hin, dass hier jemand festgehalten werden sollte, vielleicht sogar für längere Zeit. Das untere Etagenbett war bezogen, ein Kasten Selters stand an der Wand, auf dem Tischchen am Fenster lag ein Paket Knäckebrot. Ein Stapel halbwegs aktueller Zeitschriften daneben. Erschöpft setzte sie sich auf das Bett und stützte den Kopf in die Hände. Sie konnte nichts tun. Gar nichts. Außer nachdenken.
Ihr Vater hatte für Sonntag Lösegeld zugesagt. Und eine Übergabe ohne Polizei. Aber sie kannte ihn. Auf seine Weise war er genau so naiv wie sie. Er glaubte bestimmt, ein erfolgreicher Anwalt wie er könne alles haben: Er bekam seine Tochter unversehrt zurück und außerdem die Genugtuung, die Männer hinter Gittern zu sehen, die ihm (jawohl, ihm!) das angetan hatten. Wenn er nun doch die Polizei ins Spiel brachte? Einer von den Jungs hatte möglicherweise eine Pistole. Und als Thomas sie packte, hatte sie in seinen Augen etwas gesehen, was gefährlicher war als alles andere: Angst. Was nun, wenn die Polizei zu früh versuchte, die beiden zu schnappen? Thomas traute sie eine Kurzschlusshandlung ohne Weiteres zu. Und Dennis - wer wusste, wozu der fähig wäre? Wenn sie erst mal tot war, nützte es ihr gar nichts, wenn Dennis und Thomas beteuerten, sie hätten das nicht gewollt. Das Denken half ein wenig gegen die lähmende Angst, aber nicht viel. Wie ein Heimkind schaukelte Verena auf der Bettkante hin und her. Sie musste eine Lösung finden, sie musste ... sie musste!
Plötzlich hielt sie inne - das war's. Vielleicht eine winzige Chance. Erneut hämmerte sie gegen die Tür. "He, ihr Kriminellen da draußen! Habt ihr euch eigentlich Gedanken darüber gemacht, dass ich vielleicht mal zur Toilette muss? Dennis, Thomas - kommt sofort her - sonst mach ich hier auf den Teppich - und die Polizei hat eine prima Spur!!!" Unwilliges Murmeln. Dann der Schlüssel, die Tür öffnete sich - Thomas stand davor, den Lauf einer Pistole auf sie gerichtet. Recht gehabt, dachte sie entmutigt, während sie in das schwarze Loch der Mündung starrte. Dennis drängte sich hinter Thomas hervor und packte sie grob am Arm. "Keine Tricks, sonst müssen wir dich auch noch fesseln." Er bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu geben. "Okay", sagte Thomas trocken und ließ Verena keine Sekunde aus den Augen, "Pinkelpause, Prinzessin. Beeil dich. Und ruf', wenn du fertig bist. Und keinen Unsinn, klar? Ich bleibe die ganze Zeit vor der Tür und Dennis bewacht von draußen das Fenster, du hast also gar keine Chance!" Verena nickte. Das sah sie ein. "Kann ich meine Handtasche haben?" Auf seinem Weg nach draußen griff Dennis die Tasche von einem der Sessel und warf sie ihr zu. "Danke." Sie konnte nicht verhindern, dass es sarkastisch klang.
Im Bad atmete sie tief durch. Sie erledigte ihr Geschäft. Beim Hände waschen begann sie zu husten. Sie hustete und hustete und konnte nicht aufhören. "Was soll das Spektakel?" Gereizt schlug Thomas gegen die Tür. "Hab mich bloß verschluckt", krächzte Verena, "bin gleich soweit." Schließlich rief sie. Grob zerrte Thomas sie mit einer Hand aus dem Raum. Die Pistole in der anderen schwankte bedenklich. Wieder diese Angst in seinen Augen. Und schon war Verena wieder eingeschlossen.
Den Rest des Tages verbrachte sie am Schlüsselloch. Mit Horchen. Dennis und Thomas taten irgendetwas in der Küche und redeten. Verena hörte, dass Thomas' Eltern mit ihrem Geschäft in Konkurs gegangen waren und ihm keine Ausbildung finanzieren konnten. Besonders reichlich hatten sie es ohnehin nie gehabt und Thomas musste gegenüber seinen Klassenkameraden von jeher deutlich zurück stecken. Das hatte ihn schon immer genervt. Seine jetzige Lage empfand er als persönliche Beleidigung. Neben einem Studium zu jobben oder eine Lehre anzufangen war ihm zu spießig.
Als Thomas und Dennis das erste Mal ins "Blue Merlin" gekommen waren, hatte Dennis sofort ein Auge auf Verena geworfen. Geschickt hatte er ein Mädchen aus ihrer Clique ausgehorcht, das sich sofort damit wichtig machte, dass ihre Freundin Verena zu den "Oberen Zehntausend" gehörte. Da hatte Thomas das Mädchen weggeekelt. "Los", raunte er Dennis zu, "reiß' sie auf, deine Verena - Hauptsache, ich bin mit dabei!" - "Sag' mal, spinnst du?", fragte Dennis fassungslos. Da hatte Thomas ihm erklärt, wie er sich das Ende seines finanziellen Notstands vorstellte. Dennis staunte über den Plan, den Thomas sich da schon ausgedacht hatte - und über die Höhe des Lösegelds, das Thomas für denkbar hielt. Dennis' Traum von einer Tauchschule in Mexiko war plötzlich in greifbare Nähe gerückt.
Während ihrer Unterhaltung in der Küche hatten die beiden ein Bier nach dem anderen getrunken. "So - nu' noch einen Jubi zur Verdauung", hörte Verena Dennis' Stimme, schon ziemlich verwischt. "Nee, wenn wir einpennen, geht uns die Kleine womöglich stiften, die Türen sind ja nich' so dick." Auch Thomas' Aussprache war schon undeutlich. "Komm schon, die wer'n wir ja wohl noch in Schach halten könn'", bedrängte Dennis Thomas. "Na gut, aber nur noch ein' Schluck!" Befriedigt hörte Verena, wie der Schluck genommen wurde. Und noch einer - und noch einer, jetzt anscheinend direkt aus der Flasche.
Draußen war es inzwischen dunkel. In Wohnzimmer und Küche war es still geworden. Verena drückte ihr Ohr ans Schlüsselloch, bis die Ohrmuschel schmerzte. Da! Einer schnarchte, und wenn sie genau hinhörte, waren da auch die tiefen Atemzüge des Anderen. Noch eine Viertelstunde, vorsichtshalber. Quälend langsam vergingen die Minuten. Jetzt wurde das Schnarchen lauter und zweistimmig. Vorsichtig hängte Verena ihre Schultertasche um. Aus dem Außenfach zog sie einen kleinen Schlüssel. Während ihres Hustenanfalls hatte sie ihn leise aus der Badezimmertür gehakt. Bei der ersten Besichtigung hatte sie automatisch nachgesehen, ob das Bad sich abschließen ließ. Und weil ein Schlüssel in der Badezimmertür so selbstverständlich war, war er ihr auch erst in höchster Not wieder eingefallen. Und aus dem gleichen Grund hatten ihn die Jungs bei der Vorbereitung der Entführung wahrscheinlich vergessen. Oder auch nicht. Und das bedeutete - bei dem Gedanken bekam sie weiche Knie -, dass er eben einfach nirgendwo sonst passte!
Ihre Hände zitterten, als sie den Schlüssel leise ins Schlüsselloch schob. Sie lauschte - noch klang das Schnarchen gleichmäßig laut herüber. Ganz vorsichtig drehte sie den Schlüssel - er bewegte sich ein paar Millimeter, dann war Schluss. Nochmals versuchte sie es. Vergeblich. Tränen brannten ihr in den Augen. Verzweifelt drückte sie noch einmal gegen das Metall des Schlüsselgriffs - plötzlich ein leises Knirschen! Der Widerstand gab nach - der Bart hatte gefasst! Das Geräusch hatte in Verenas Ohren wie Donner geklungen. Erschrocken horchte sie auf die Männer. Doch alles blieb unverändert. Millimeter um Millimeter drückte sie die Klinke nach unten und öffnete die Tür. Schon konnte sie ins Wohnzimmer sehen. Die Stehlampe war an. Dennis lag in einem der Sessel, sein Kopf war auf die Brust gesunken. Thomas lag ausgestreckt auf dem Sofa, mit Stiefeln, in der einen Hand die Jubi-Flasche. Kalter Schweiß rann Verena den Rücken hinunter. Wie ging es jetzt weiter? Als Erstes musste sie ihren Autoschlüssel finden - wenn der noch in Dennis' oder Thomas' Hosentasche steckte, hatte sie verloren. Ansonsten - wo waren die Jacken der Jungs? Suchend sah sie sich um. Fast hätte sie erleichtert aufgeschrieen - da lagen die Schlüssel auf dem Küchentresen! Auf Zehenspitzen schlich sie hinüber. Vorsichtig schlossen sich ihre Finger um das Schlüsselbund. Es hatte kaum geklirrt, aber Dennis' dumpfes Röcheln verstummte. Aus, dachte Verena verzweifelt, alles aus! Ergeben schloss sie die Augen. Da setzte Dennis' Schnarchen wieder ein. Diesmal in ein paar Töne höher. Ihre Beine drohten zu versagen ... Schritt für Schritt, auf Zehenspitzen schwankend, bahnte sie sich ihren Weg durch Batterien leerer Bierflaschen zur Terrassentür. Fast wäre sie noch auf eine leere Chipstüte getreten.
Endlich hatte sie die Tür erreicht. Zum Glück war sie nur angelehnt. Lautlos schob sie sie auf und verschwand Dunkeln. Aber draußen sah man kaum die Hand vor Augen, wenn die Außenbeleuchtung nicht an war. Und wo auf dem Grundstück stand das Auto?
Vorsichtshalber sah sie noch einmal ins Wohnzimmer zurück - und erstarrte. Thomas rührte sich, er setzte sich auf! Orientierungslos hastete sie weiter, in Richtung Ausfahrt (wie sie hoffte) und - rannte gegen die Motorhaube. Aus dem Wohnzimmer ein rauer Aufschrei, Thomas hatte ihre Flucht entdeckt. Mit zitternden Händen drückte sie auf die Fernverriegelung des Wagens, es klackte, sie riss am Griff, doch die Tür ging nicht auf! Gar nicht abgeschlossen gewesen - kostbare Sekunden verschwendet! Nochmals drückte Verena den Knopf. Endlich - sie saß im Auto. Sie verriegelte die Türen und startete den Motor.
Da stürmten Thomas und Dennis aus der Terrassentür und rannten mit Riesensätzen auf den Wagen zu. In Thomas rechter Hand blinkte die Pistole. Verzweifelt blendete Verena das Fernlicht auf, um Thomas die Sicht auf sein Ziel zu nehmen. Der Motor heulte, als sie den Wagen auf die Männer zuschießen ließ. Mit einem Hechtsprung brachten sie sich in Sicherheit. Verena setzte schräg zurück. Im Licht der Scheinwerfer erschien die Auffahrt. Nach einer eckigen Wende schlingerte der Wagen hinaus. Drei Schüsse peitschten hinter ihm her. Verenas Herz setzte einen Schlag aus.
"Bitte, bitte", schrillte es ihr durch Kopf, "wenn ich heil hier 'rauskomme, melde ich mich sofort bei der Uni ..."
Sie hörte die Projektile pfeifen - weder sie noch die Reifen waren getroffen.
"... schon damit ich bald selbst dafür sorgen darf, dass solche Ganoven im Knast landen!"
Verena gab Gas und fuhr wie der Teufel.



Eingereicht am 04. Februar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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