Mitten in der Fußgängerzone humpelte er. Zu ihm mussten die Leute hinschauen, auch wenn sie nicht wollten. Kürzer aber schauten sie, als der Augenblick es erlaubt hätte. Dann sicherlich ein zweites, ein drittes Mal ...

Er war von zerbrechlicher Gestalt. Das eine Bein war gelähmt. Selbst die Arme halfen beim Gehen. Ein Wunder schien es zu sein, dass er noch aufrecht ging. Seine himbeerroten, dünnen Lippen lächelten beständig. Sie lächelten hinein in eine andere Zeit, in einen anderen Ort. Auf seiner Nase saß eine blankrote Knolle. Sie thronte, als wäre er durch sie allen anderen wenigstens um eine Nasenhöhe voraus. So war er einem Clown aus dem Gesicht geschnitten.

Doch wer auch an ihm vorüber ging, sie waren ihm um viele Nasenlängen voraus. Sie streiften ihn mit einem Schatten von Verachtung. Das trieb ihm die Röte ins Gesicht. Sein Lächeln ging noch ferner.

Es war seine Gestalt, die die Frau ergriff, nicht das Mitleid. Sie war ihr vertraut. ‚Mutter' war ihr einziger Gedanke. Ja, eine solche Gestalt war ihr vertraut. Sie ging hinter ihm her. Ging in einigem Abstand. Sie glich ihre Schritte den seinen an. Das konnte sie. Schon als Kind hatte sie das geübt.

Doch sie fürchtete sich. Ihr Herz wurde enger. Ob seine Augen womöglich nach hinten sehen? Geradezu lächerlich. Ihr Atem wurde kürzer. Was sollte sie dann sagen? Ihre Glieder fingen zu kribbeln an. Sie lief schneller. Sie lief an ihm vorüber, schluckte - streifte ihn mit diesem verkürzten Augenblick und grüßte artig. Auch ein Narr will gegrüßt sein.

Später ging er ihr nicht aus dem Sinn. Himmel! Vor was fürchte ich mich? Ich hätte ihn anreden mögen und fragen, wie man sich so fühlt auf der Welt. Als Narr. Ich wollte sagen, dass wir verwandt seien. Das musste so sein. Denn ich war auch so durch die Welt gelaufen. Wurde angegafft. Verstohlen und rücklings. Fortwährend. Damals war's, als ich die Mutter führte.

Neben dem Mann hätte ich lange herlaufen mögen. Ohne ein Wort zu sagen.

Hätte den Leuten ins Gesicht geschaut. Hätte gesehen, wie ihre Augen flüchteten, verlegen flüchteten. Nur noch einmal hätte ich so lächeln mögen wie damals. Diesmal ganz ungeniert. Vielleicht hätte ich noch eine Extragrimasse draufgesetzt, um das Fürchten zu verlernen. Dann hätte ich zu all den Menschen sagen mögen: Habt ihr noch nie einen Narren gesehen? Ich hätte sie angepöbelt: Ihr prüden Gespenster! Schaut nur! Schaut her! Doch für dieses Mal war es zu spät.