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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Schön, dass du wieder da bist

© Katharina Kimm


Es war schon spät. Sophie saß im Taxi. Vor einer halben Stunde war ihr Flieger gelandet. Es war schön gewesen: Weiße Strände, strahlend blaues Meer. Das war das erste Mal gewesen, dass sie ganz allein verreist war. Und jetzt war sie wieder hier. Warum musste die Zeit immer am schnellsten vergehen, wenn es am schönsten war? Der Taxifahrer gähnte. Wie lange er wohl noch fahren musste? Irgendwie ein bemitleidenswerter Beruf. Den halben Tag wildfremde Leute durch die Gegend fahren, am besten noch angeschnauzt werden, wenn es nicht schnell genug ging. Er tat ihr Leid. Wie viele Menschen heute wohl schon auf dieser Rückbank gesessen hatten? Wo hatten sie hin gewollt?
Sophie sah aus dem Fenster. Die Landstraße schien ewig lang zu sein, gesäumt von Bäumen. Ab und zu kam ihnen ein anderes Auto entgegen, blendete Sophie mit seinen grellen Scheinwerfern. Der Mond schien. Eine ganz dünne Sichel war er noch. Vorgestern war Neumond gewesen.
Sie lehnte sich wieder zurück uns schloss die Augen. Sie sah die meterhohen Palmen, roch das Meer und spürte den leichten Wind auf dem Gesicht. Eine so angenehme Woche war es gewesen. Und jetzt war schon wieder alles vorbei. Übermorgen musste sie wieder arbeiten. Eigentlich mochte sie ihren Job ja. Sie hatte schon früh Bankkauffrau werden wollen. Zahlen machten ihr Spaß. In der Schule hatte sie Geschichte und Deutsch immer gehasst, aber Mathe war immer ihr Lieblingsfach gewesen. Außerdem hatte sie von ihrem Schreibtisch aus eine gute Aussicht. Fast die ganze Stadt konnte sie sehen. Und mit den Menschen im Hochhaus nebenan konnte sie sich fast per Zeichensprache unterhalten. Leider konnte sie keine Zeichensprache. Die Leute im anderen Gebäude aber wahrscheinlich auch nicht. Sie lächelte. Was sie doch immer für komische Gedanken hatte. Klemens machte sich immer darüber lustig. Seit drei Jahren waren die beiden jetzt schon zusammen. Erstaunlich, überlegte sie. Keine ihrer Freundinnen hatte es bis jetzt so lange mit einem einzigen Mann ausgehalten. Sie beneideten Sophie darum. Aber Klemens war auch einfach ein feiner Bursche. Er konnte Sophie immer zum Lachen bringen, egal, was für eine miese Laune sie gerade hatte. Außerdem konnte er zuhören. Sophie kannte nur wenige Männer, die das konnten. Die meisten blockten immer ab oder wechselten das Thema, wenn man etwas mit ihnen besprechen wollte. Aber Klemens war anders. Er saß einfach vor ihr, sah sie an und hörte ihr zu. Alles konnte sie mit ihm bereden, er wusste fast immer einen Rat. Sie bewunderte ihn. Er war es auch gewesen, der ihr zu diesem Urlaub geraten hatte. Er hatte gemeint, sie müsse einfach mal ein bisschen ausspannen. Auf die Frage, ob er denn mitkäme, hatte er nur geantwortet, es würde ihr gut tun, eine Woche allein zu sein. Im Nachhinein glaubte sie sogar, dass er damit Recht gehabt haben konnte. Sie fühlte sich wirklich besser. Aber sie vermisste ihn. Sie hatte ihn auch die ganze Woche über vermisst, so schön es auch gewesen war.
Eigentlich freute sie sich, wieder hier zu sein. Palmen und Strand waren ja ganz nett, aber auf Dauer wären sie ihr bestimmt langweilig geworden. Wenn es hier auch nicht so hell und bunt und fröhlich war, etwas Reizvolles hatte die Landschaft doch. Im Herbst durch goldrote Wälder laufen oder im Winter Schneeflocken bewundern. Sophie liebte die Natur. Manchmal wünschte sie sich einen Hund, dann wäre sie wahrscheinlich viel öfter draußen. Aber sie hatte gar nicht genug Zeit, sich um ein Tier zu kümmern. Das wäre unfair dem Hund gegenüber. Aber man konnte sich doch auch einen leihen! Ganz in der Nähe war doch ein Tierheim! Warum war ihr das früher nie eingefallen? Die Hunde dort waren sicher froh, wenn man sie mal ausführte. Gleich morgen würde sie hingehen.
Der Fahrer bog von der Straße ab. Sie mussten jetzt nur noch durch ein paar kleine Städte, dann würden sie da sein. In einem kleinen Reihenhaus wohnten die beiden. Es war nicht besonders groß und nicht besonders luxuriös. Aber es war gemütlich. Ob Klemens wohl noch auf war? Normalerweise ging er ja früh ins Bett und las. Aber vielleicht war er heute aufgeblieben, um sie zu begrüßen. Damit würde er ihr eine unvorstellbare Freude machen, stellte sie fest. So sehr freute sie sich darauf, ihn endlich wiederzusehen. Schon komisch, einerseits war die eine Woche viel zu kurz gewesen, aber andererseits viel zu lang.
Jetzt waren sie in der Siedlung angekommen. In wenigen Minuten würde sie vor ihrer Tür stehen. Sie freute sich wie ein kleines Mädchen. Der Fahrer schien sich hier auszukennen, er fragte gar nicht nach dem Weg. Aber schon nach kurzer Zeit hielt das Taxi vor ihrem Haus. Sophie bezahlte die Gebühr und stieg aus. Der Fahrer half ihr noch, den Koffer auszuladen, verabschiedete sich dann und stieg wieder in das Auto. Sophie winkte ihm, als er wegfuhr. Sie wunderte sich. Das tat sie doch sonst nie - einfach fremden Menschen hinterherwinken. Sie holte tief Luft und ging zur Tür. Sie überlegte, ob sie klingeln sollte oder aufschließen. Wenn Klemens schon schlief, wollte sie ihn nicht wecken. Aber sie hoffte ja, dass er noch nicht schlafen gegangen war. Sie klingelte. Sie hörte Schritte, dann den Schlüssel im Schloss. Klemens öffnete die Tür. Er war noch angezogen und hatte seine Brille noch auf. Sie fiel ihm in die Arme. Er drückte sie fest an sich. "Schön, dass du wieder da bist ..."



Eingereicht am 30. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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